Victor Cousin (1792 – 1867)
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Französischer Philosoph und
Politiker, der eine vom Deutschen Idealismus und der schottischen Schule beeinflusste eklektische Philosophie entworfen hat. Cousin machte als erster Hegel’s System in Frankreich bekannt. Siehe auch Wikipedia |
Aus dem Vaterland
der Philosophie
Im Systeme Kants und Fichtes ist jede absolute und substantielle Existenz nur
noch eine Hypothese, ohne anderes Fundament, außer einem Bedürfnis
des Subjektes und des Ichs, das sie nur zuläßt, um sich selbst zu
befriedigen. Um über dieses Relative und Subjektive hinauszukommen, stellt
sich Schelling im ersten Anlauf gleich in die Mitte des Absoluten. Nach ihm
muss die Philosophie, wenn sie einen festen Boden will, die Psychologie
und Dialektik, das Ich wie das Nicht-Ich zurücklassen und, ohne sich an
die Einwürfe des Skeptizismus zu kehren, sich zuallererst zum absoluten
Wesen erheben, der gemeinschaftlichen Substanz, dem gemeinschaftlichen Ideal
des Ichs und des Nicht-Ichs, das sich weder auf das eine noch auf das andere
ausschließlich bezieht, sondern alle beide in sich begreift und ihre Einheit
ist. Diese absolute Intensität des Ichs und des Nicht-Ichs, des Menschen
und der Natur ist Gott. Hieraus folgt, dass Gott in der Natur ebensowohl
wie im Menschen ist. Es folgt ferner daraus, dass diese Natur ebensowohl
wie der Mensch Wert und Bedeutung an sich hat, daß sie gleich ihm ihre
Wahrheit besitzt, weil sie mit demselben Rechtsgrund wie er existiert, und daß
sie ihm gleichen muss, weil sie aus demselben Prinzip stammt. Ihr ganzer
Unterschied ist nur der von Bewusstsein und Nicht-Bewusstsein. Von
einer anderen Seite kann aber auch Gott in der Menschheit nicht weniger als
in der Natur sein. Wenn die Natur in gewisser Beziehung so vernunftvoll wie
der menschliche Geist selbst ist, so muss dieser hintenherum seine ebenso
notwendigen Gesetze haben, ist ebenso regelmäßig geordnet wie die
äußere Welt.
Aus: Französische Geisteswelt (S.193 - Über
französische und deutsche Philosophie)
Herausgegeben von Joachim Schondorff mit einem Geleitwort von Hermann Noack
Verlag Werner Dausien