Sebastian Castellio (1515 -1563)
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Schweizer
Humanist und Theologe, der ein glühender Verfechter der
Glaubensfreiheit und religiösen Toleranz war. In deutlichen Worten legte er dar, dass sich Verfolgungen, Folterungen und Verbrennungen von
so genannten »Ketzern« unter
gar keinen Umständen mit dem richtig verstandenen christlichen Glauben vereinbaren lassen, sondern dass es sich Gegenteil dabei um Satanswerke handele, mit denen Christi Liebesbotschaft ad absurdum und unglaubwürdig gemacht werden soll. Castellio war zunächst mit Calvin freundschaftlich verbunden, konnte sich allerdings mit seiner Prädestinationslehre nicht befreunden.
Als der spanische Theologe Michael Servet auf Veranlassung Calvins wegen Ketzerei zum
Tode verurteilt wurde und diese grausame Verbrennung auch noch schriftlich
rechtfertigte, brach Castellio mit
Calvin endgültig und verfasste eine Schrift, in der er klare
Toleranzregeln aufstellte und die Ermordung Andersdenkender als nicht
hinnehmbare abscheuliche Verbrechen brandmarkte. Castellio war wie Servet überzeugter Antitrinitarier. |
Inhaltsverzeichnis
Über
die Trinität Vom Glauben, dass er eine Sache des Wollens, nicht des Verstandes ist |
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Der
Schrei nach Duldung
Wenn wir uns beherrschen würden, könnten wir
friedlich miteinander leben; denn möchten wir auch uneins sein in andern
Fragen, so wurden wir doch übereinstimmen in der gegenseitigen Liebe, welche
das Band des Friedens ist, bis wir zur Glaubenseinheit gelangen. Solang wir
aber einander mit Hass und Verfolgung bekämpfen, werden wir, so handelnd,
von Tag zu Tag tiefer sinken und unsern eigentlichen Dienst immer ärger
versäumen. Indem wir einander verdammen, wird das Evangelium durch unsere
Schuld vor den Heiden diskreditiert; denn wenn sie sehen, wie unter uns die
Einen auf die Andern losfahren, den Bestien gleich, und die Schwächeren
durch die Stärkeren unterdrückt werden, so werden sie das Evangelium
verabscheun, wie wenn das Evangelium die Menschen so machen würde, und
werden Christus verabscheun, als hätte er
diese Dinge angeordnet, so dass bei solcher Aufführung viel eher wir zu
Türken und Juden werden, als dass sie sich zu Christen machen lassen.
Denn wer könnte den Wunsch haben, Christ zu werden, wenn er sieht, dass
die, welche den Christennamen bekennen, von andern Christen gemordet werden
mit Feuer, mit Wasser, mit Schwert ohne Erbarmen und ärger malträtiert
werden als die Räuber und Mörder. Wer müsste da nicht denken, Christus sei wahrscheinlich eine Art Moloch oder ähnlicher Gott, wenn er will, dass die Menschen ihm
zu Ehren abgeschlachtet oder lebendig verbrannt werden.
Wer möchte wohl Christ werden unter der fatalen Bedingung, dass er, wenn
er jetzt inmitten der vielen Kontroversen in irgend etwas nicht übereinstimmt
mit denen, welche die Macht und Herrschaft über die Andern besitzen, dass
er dann lebendig verbrannt werden soll, auf Befehl Christi,
ob er auch mit lauter Stimme mitten aus den Flammen zu Christus
rufen und seinen Glauben an Christus beteuern
würde! Nimm den Fall, dass Christus, der Richter über alle, zugegen wäre und das gleiche Urteil spräche und selbst
Feuer anlegen würde, wer müsste dann nicht Christus für den Satan halten? Denn was könnte der
Satan anderes tun, als eben diejenigen, welche den Namen Christi
anrufen, zu verbrennen!
O Christus, Schöpfer und König der Welt,
siehst du diese Dinge? Bist du denn ein so total anderer geworden, als du einst
warst, so grausam und dir selbst widersprechend? Als du noch auf Erden warst,
gab es nichts Milderes, Sanfteres, Versöhnlicheres; wie ein Schaf vor seinem
Scherer, hast du keinen Laut von dir gegeben, obgleich du von Schlägen
zerrissen, angespien, verspottet, mit Dornen gekrönt, gekreuzigt wurdest,
zwischen Verbrechern, in äußerster Schande; da hast du noch gebetet
für die, welche dir dieses Unrecht und diese Schmach angetan haben. Bist
du jetzt völlig verwandelt? Ich beschwöre dich beim heiligen Namen
deines Vaters, ob du wirklich befiehlst, dass die, welche deine Gebote und Weisungen
anders auffassen, als unsere Meister es fordern, unter
Wasser getaucht, mit Stockschlägen bis auf die Knochen zerfleischt, dann
mit Salz bestreut, mit Schwertern verletzt, auf schwachem Feuer gebraten und
mit allen möglichen Todesqualen so lang als möglich gemartert werden
sollen?
O Christus, befiehlst du und billigst du diese Dinge? Die diese Opfer
darbringen, sind sie wirklich deine Stellvertreter bei dieser Schlächterarbeit?
Erscheinst du, wenn man dich anruft, zu dieser grausamen Schlächterei und
sättigst dich an Menschenfleisch? Wenn du, Christus,
diese Dinge tust oder sie zu tun befiehlst, was hast du dann dem Teufel noch
Böses zu tun übrig gelassen? Betreibst du das gleiche Handwerk wie
der Teufel?
Oh, greuliche Lästerung! Oh, verruchte Frechheit der Menschen, dass sie Christus Dinge zuschreiben, die in Wirklichkeit
nur auf Befehl und Anstiften des Satans geschehen
können! S.
321-323
Aus: Jakob Studer, Für alle Tage, Ein christliches Lesebuch, Fretz &
Wasmuth Verlag AG. Zürich
Über
die Kunst des Zweifelns (1563)
Zweites Buch
Im vorangehenden Buch haben wir unter anderem ganz allgemein
gezeigt, dass man über die Fragen, die unter die Sinne und unter die Vernunft
fallen, mittels der Sinne und der Vernunft urteilen
muss. Daraufhin ist nun im Einzelnen zu zeigen, welches diese Fragen sind. Denn
es geht nicht an, über sie im allgemeinen zu reden, da viele Gelehrte gewisse
Fragen, von denen wir hoffentlich klarmachen werden, dass sie ganz und gar unter
das Urteil der Sinne und der Vernunft fallen müssen,
den Sinnen und der Vernunft entziehen
und sie allein auf Grund der Schrift behandelt haben wollen.
Wir erfahren dabei in der Weise, dass wir zunächst bei jeder zur Debatte
gestellten Frage ihre Vernunftgemäßheit erörtern. Dann verbinden
wir mit der Vernunft die Belege aus der Heiligen
Schrift. Schließlich widerlegen wir, was dagegen gesagt zu werden pflegt
und dagegen gesagt werden kann — freilich nicht alles (wer
nämlich vermag es oder hält es für nötig, alles zu bedenken
oder herauszufinden?), sondern das Wichtigste und, was derart ist, dass
wir, wenn es widerlegt ist, im übrigen ein leichtes Spiel haben werden.
Davor aber möchte ich den Leser gewarnt haben: dass die Starrköpfigen,
die immer noch hartnäckiger auf die Worte der Heiligen Schrift pochen,
auch wenn sie die irrigste Meinung vertreten, diese nicht herauspressen können.
Daher rufen wir, wenn wir diese widerlegen,
nach gerechteren Lesern und verlangen nach solchen, die einsichtig sind und
nicht die Sache den Worten, sondern die Worte der Sache untergeordnet sein lassen.
Wir behandeln allerdings nicht alle Fragen, sondern diejenigen, deren Behandlung
uns am nötigsten erscheint und in denen heute so hartnäckige Kämpfe
entbrannt sind, dass die einen die andern deswegen, ich möchte nicht sagen:
verdammen und angreifen, sondern: sofern sie es können, in die ewigen Qualen
der Hölle hinabstürzen. Ja, nicht einmal diese Fragen alle! Denn es
sind doch in unserer Zeit einige Fragen so eifrig behandelt und so ausführlich
erörtert worden und in der letzten Zeit sind die Irrtümer
darin so sonnenklar widerlegt worden, dass ich
denjenigen, der unter Kenntnis dieser sachlichen Erörterungen trotzdem
auf den Irrtümern beharrt, für einen
hoffnungslosen Fall von Hartnäckigkeit halte. Er gehört zu denen,
von denen ich im vorangehenden Buch gesagt habe, dass sie, weil ihre Augen verschlossen
sind, nicht erleuchtet werden können. Wir unterscheiden aber zwei Arten
von Fragen, wie wir sie schon zuvor berührt haben: die einen, die als ganze
oder teilweise von den Sinnen und der Vernunft
beurteilt werden können; die andern, die nicht von
den Sinnen und der Vernunft beurteilt werden können.
Über
die Trinität
Damit wir also auch hier, wie wir es schon im vorangehenden
Buch taten, mit Gott den Anfang machen, sei zunächst
die Frage der Trinität zur
Debatte gestellt.
Dass es Gott gibt, wird mit der Vernunft begriffen, wie wir es am Anfang des
vorangehenden Buches gezeigt haben und wie alle Heiden überzeugt gewesen
sind, die der Vernunft gefolgt sind (wenn es nicht gerade
ein ganz wildes Volk war, das den Wäldern und der Natur der Tiere nicht
allzu fern stand). Aber ob es ein Gott oder mehrere Götter sind,
das wird allerdings mit der Vernunft entweder nicht begriffen oder so schwer
begriffen, dass fast alle Völker, obgleich mit Vernunft begabt, dennoch,
weil sie die offenbarte göttliche Lehre nicht hatten, mehrere Götter
verehrten. Aber das Kommen Christi, des Lichtes
der Welt, hat bewirkt, dass Asien, Europa und Afrika (die
damals als die drei Teile der Welt gedacht wurden) auch heute unter so
vielen später aufgekommenen Irrtümern und Verbrechen dennoch fest
glauben, dass Gott einer
ist: so groß ist die Kraft des Lichtes, auch wenn es in der Dunkelheit
scheint. Wenn daher im Glauben das angenommen worden ist, was niemand verneinen
wird, dass nämlich Gott einer
ist, dann ist es auf diesem Fundament erlaubt, mit der Vernunft nach der Trinität
zu fragen, ob es sie gibt und was sie ist. Die Frage ist schwer, und über
sie etwas Bestimmtes zu behaupten, ist gefährlich. Deshalb werde ich über
sie nichts Sicheres sagen. Ich möchte hier lediglich ein kleines Gespräch
eines gewissen Mannes
zur Erörterung stellen, das noch nicht veröffentlicht ist, über
dessen Wert der Leser urteilen mag, das ich aber der Erörterung für
würdig erachte. Jener Mann hat sich mit folgenden Worten zum Gesprächspartner
des Athanasianischen Bekenntnisses gemacht.
Athanasius: Wer selig werden will, muss vor allem den katholischen
Glauben halten. Wer diesen nicht unangetastet und
unverletzt bewahrt, geht ohne Zweifel in Ewigkeit verloren.
Der gewisse: Der katholische
Glaube muss also
so geartet sein, dass alle ihn halten können und dass auch jene Zöllner
und Huren (Matth. 21, 32), ja sogar jener Räuber,
der am Kreuz hing, an Christus glaubte und gerettet
wurde (Luk. 23, 40 ff.), ihn gehalten haben; sonst
wären sie verloren gegangen.
Athanasius: Der katholische
Glaube aber ist der, dass wir
einen Gott in der Dreiheit und die Dreiheit
in der Einheit
verehren.
Der gewisse: Dass allerdings
dieser Glaube jenen Zöllnern und Huren bekannt
gewesen ist, glaube ich nicht. Wenn du es glaubst, beweise es! In der Heiligen
Schrift jedenfalls finde ich kein Wort darüber. Wenn du daher wahr schreibst,
sind jene alle ohne Zweifel in Ewigkeit verloren gegangen, es sei denn, du hast
vielleicht nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft
gesprochen. Aber es steht dir nicht zu, Athanasius,
zu deinen Zeiten die Zeiten zu verändern und zu bewirken, dass, was vor
dir zum Glauben nicht nötig gewesen ist, nach dir notwendig wird.
Weiter aber frage ich, wessen Einheit und Dreiheit
du behauptest. Dreiheit ist nämlich eine Dreizahl,
so dass, wenn du eine Dreiheit von Bänden
nennst (ternio nennen
es die lateinische
Drucker, trias die
griechischen), so versteht man darunter
drei Bücher, und wenn du eine »Dekade«
von Büchern nennst (was dieselbe Sprachform ist),
so versteht man darunter zehn Bücher. Wessen Einheit und Dreiheit
behauptest du also? Denn wenn es die Gottes ist, dann ist wohl dies deine Meinung:
Wir verehren einen Gott in einer Dreiheit
von Göttern, das heißt in drei Göttern,
und drei Götter in einem
Gott. Diese Meinung wirst du, glaube ich, nicht gutheißen.
Wenn du aber die Einheit und Dreiheit
der Personen behauptest, dann ist wohl dies
deine Meinung: Wir verehren eine Person
in drei Personen und
drei Personen in einer
Person. Auch das aber wirst du nicht zugeben. Du willst nämlich
nicht, dass drei Personen
eine Person sind, wie du im Folgenden zeigst.
Wenn du aber die Einheit und Dreiheit
der Substanz
behauptest, sind deine Worte so zu verstehen: Wir verehren eine
Substanz Gottes in drei Substanzen
und drei Substanzen
in einer Substanz. Aber wenn das deine Meinung
ist, gibt es drei Substanzen Gottes, das heißt drei Götter. Wenn
sie aber so zu verstehen sind:
Wir verehren eine Substanz Gottes in drei
Personen und drei
Personen in einer
Substanz, dann hast du ganz dunkel
und völlig rätselhaft gesprochen. Das aber gehört sich nicht
für einen, der das Bekenntnis eines Glaubens schreibt,
den alle halten sollen. Was nämlich alle wissen sollen, muss so gesagt
werden, dass es von allen verstanden werden kann.
Athanasius: Wobei wir weder die Personen
vermischen noch die Substanz
trennen.
Der gewisse: Auch hier
möchte ich wissen, was du »Personen«
nennst. Wenn du nämlich den Begriff
»Person« wie die Lateiner gebrauchst,
wenn sie »die Person Caesars« für
»Caesar« sagten, dann ist »Person«
dasselbe wie »Substanz«, folglich hast
du unangemessen geredet. Wenn du aber den Begriff
»Person« so gebrauchst, dass wir sagen, im selben Menschen
ist derjenige, der Bürger, Schneider und Vater ist, drei
Personen, nämlich die des Bürgers,
des Schneiders und des Vaters, dann hast du uns aus dem Vater
und dem Sohn und dem Heiligen Geist ein und denselben gemacht. So kommt
es, dass, weil Christus befohlen hat, die Menschen
im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
zu taufen, es gerade so ist, als wenn er befohlen hätte, sie im Namen eines
dreinamigen Gottes
zu taufen. Das ist falsch
und nicht weniger absurd,
als wenn du sagtest, es sei etwas im Namen des Abrahamssohnes,
des Isaaks und des Vaters
des Jakob
getan worden. Ebenso: weil Christus den
Vater gebeten hat, habe er sich selber gebeten. Und weil der Vater den Sohn
gezeugt hat, habe er sich selbst gezeugt. Und weil er den Sohn und den Heiligen
Geist geschickt hat, habe er sich selbst geschickt. Dass dies alles unangemessen
und falsch ist dürfte niemand leugnen.
Athanasius: Eine andere nämlich ist die Person des
Vaters, eine andere die des Sohnes, eine andere die des Heiligen Geistes. Aber
die Göttlichkeit des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes ist
eine die
Herrlichkeit die gleiche, die Majestät gleich
ewig. Wie der
Vater, so der Sohn, so der Heilige Geist. Unendlich
ist der Vater, unendlich
ist der Sohn, unendlich
der Heilige Geist.
Ewig ist der Vater, ewig
der Sohn, ewig
der Heilige Geist.
Der gewisse: Dergleichen alles finde ich aber auch nirgends
in der Heiligen Schrift, und du verlangst von uns mehr als Gott, der niemals
befohlen hat, dass wir dieses glauben.
Athanasius: Und dennoch
sind es nicht drei Ewige,
sondern ein Ewiger, wie es
nicht drei Unerschaffene oder
drei Unendliche sind, sondern ein
Unerschaffener und ein Unendlicher. Ähnlich
ist der Vater allmächtig,
der Sohn allmächtig, der
Heilige Geist allmächtig. Und dennoch sind es nicht
drei Allmächtige, sondern ein
Allmächtiger. Daher Gott Vater, Gott Sohn,
Gott Heiliger Geist und dennoch nicht drei Götter,
sondern Gott ist einer.
Daher der Herr der Vater, der Herr der Sohn, der Herr der Heilige Geist und
dennoch sind nicht drei Herren, sondern der Herr
ist einer.
Der gewisse: Dies ist
tatsächlich, als wenn du sagst: Der Greis Abraham,
der Greis Isaak, der Greis Jakobus,
und dennoch nicht drei Greise, sondern der Greis ist einer. Oder wie wenn du
sagst: eine alte Palme, eine alte Zeder, eine alte Eiche und dennoch nicht drei
alte, sondern eine alte. Fürwahr, damit ich das glaube, Athanasius,
muss ich jeder Vernunft
(die bei weitem die hervorstechendste Gabe Gottes ist
und durch die der Mensch sich am stärksten vom Tier unterscheidet) den
Abschied geben und, auf diese Weise in rohe Natur und Sinne verwandelt, gerade
auf das verzichten, mittels dessen ich glaube. Glauben
ist nämlich nur mittels
Vernunft möglich, so dass, wer keine Vernunft
hat, nichts glauben kann. Es gab einmal einen gewissen Sophisten
Georgias, der zu behaupten wagte, dass von dem,
was ist, nichts existiere. Mit Recht hat Isokrates diesen
Wahnsinn verhöhnt. Aber du scheinst mir nicht weniger Unsinniges zu behaupten,
der du leugnest, dass drei, von denen je
einzeln gesagt wird. »dieser ist ewig«,
drei Ewige sind. Mich
aber haben Gott, die Natur
und die Redensweise aller Völker, die Grammatik, Dialektik
und Arithmetik gelehrt, dass drei drei sind und
eins eins, und wenn es drei
sind, ist es nicht eins,
und wenn es eins ist, sind es nicht
drei, und wer das leugnet, der scheint mir nicht belehrbarer zu sein
als das Vieh.
Soweit jener gewisse.
Ich stelle es lediglich zur Erwägung. Wenn ich meinerseits
Athanasius verteidigen könnte, würde ich es tun. Aber
ich bekenne wahrhaftig: ich kann es nicht. Wenn jemand es kann, mag er es von
mir aus gerne tun. Es sei mir ferne, die Wahrheit
mit Absicht zu unterdrücken! Was meinen Glauben anlangt, so glaube ich
an einen Gott,
den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde, und
an Jesus Christus, seinen einzigen
Sohn, unsern Herrn, und an den
Heiligen Geist. In diesem Glauben lebe ich
und werde bis ans Ende, so Gott will, darin fortfahren und rede mir das ein,
dass diejenigen, die diesen einfachen und, wie man glaubt, uns von den Aposteln
überlieferten Glauben wirklich halten, auf dem Wege des Heils sind, auch
wenn sie jene, ich weiß nicht was für Ungereimtheiten, die nach der
Zeit der apostolischen Schlichtheit mit Eifer in die Kirche eingeführt
worden sind, nicht halten und nicht glauben.
Wenn es welche mit so scharfem Geist gibt, dass sie das begreifen, was ich und
meinesgleichen nicht begreifen, so ist es gut. Ich habe keinen Neid. Aber dieselbe
Geistesschärfe von allen zu verlangen, die gerettet werden sollen, heißt,
wie mir wenigstens scheint, den Weg des Heils dem größten Teil der
Menschen zu verschließen.
Vom
Glauben, dass er eine Sache des Wollens, nicht des Verstandes ist
Das nächste ist, dass wir über den Glauben
sprechen. Dass der Glaube
kein Wissen
ist, wie gewisse Leute überliefern, haben wir oben dargelegt, und was das
heißt, haben wir gezeigt. Auch kann das durch das Urteil
der Vernunft
selbst leicht begriffen werden. Alle, die mit Vernunft begabt sind, wissen nämlich
genauso, was glauben ist, wie sie wissen, was sehen, hören, denken ist,
wenn auch vielleicht eher aus Erfahrung als definitionsweise. Ich möchte
ein Beispiel anführen, aus dem die Natur des Glaubens
voll und wesentlich erkannt werden kann. Es stammt aus dem Johannesevangelium
(Kap. 9), wo erzählt wird, wie Jesus
jenen Blindgeborenen heilte, nämlich nachdem dessen Augen mit Kot bestrichen
und ihm befohlen worden war, an den Teich Siloa zum Waschen zu gehen; als jener
das getan hatte, sah er. Dass er, als es ihm befohlen war, ging, war Sache des
Glaubenden, der nämlich glaubte, dass er sehen werde. Wenn er nämlich
nicht geglaubt hätte wäre er nicht gegangen. Dass er aber, nachdem
er mit Kot bestrichen war, sah, war Sache des Wissenden, der nämlich wusste,
dass er sieht. Und damit hatte dieser sein Glaube ein Ende, nämlich mit
dem Einsetzen des Wissens.
Der Glaube ist nämlich der
Weg zum Wissen und er verschwindet, wenn
das Wissen einsetzt. Ich glaube, es geschah auch
nicht ohne eine geheime Absicht, dass Jesus
ihm befahl, durch die Finsternisse, das heißt als bis jetzt Blinder, zu
gehen. Es wird nämlich dadurch die Kraft des
Glaubens gezeigt, der die Menschen durch die Finsternisse
führt, das heißt als solche, die noch nicht wissen, was sie schon
glauben. So wanderte Abraham, auf Befehl Gottes,
an einen Ort, den er ererben sollte, ohne zu wissen, wohin er ging (Hebr.
11, 8; 1.Mos. 12, 1—4). So glaubte schließlich jener ganze
Kranz von Zeugen, derer im Hebräerbrief gedacht wird, das, was sie nicht
sahen. Und — um rasch zu Ende zu kommen — Petrus
zeigt klar in seinem zweiten Brief, dass der Glaube
nicht dasselbe ist wie das Wissen,
sondern dass das Wissen vom Glauben
ausgeht, wenn er sagt: »Erlangt durch euren Glauben
Tugend und durch die Tugend Wissen« (2. Petr.
1,5).
Der Glaube aber hat seinen
Sitz im Willen
nicht weniger als die übrigen Dinge, die dem Menschen so wie der Glaube
vorgeschrieben sind. Das kann durch Vernunft und
Autorität bestätigt werden. Vernunft ist es, wenn wir sehen,
»dass die Menschen leicht glauben, was sie wollen«, wie Julius
Caesar sagt (Bell. Gall. III, 18, 6), und
dass sie andererseits schwer glauben, was sie nicht wollen. Wenn dagegen der
Glaube Sache des Verstandes, nicht des Willens wäre, würden sie genauso
leicht glauben, was sie nicht wollen, wie, was sie wollen. Man versteht nämlich
genauso leicht, was bitter ist, wie, was süß ist. Beispiele zu bringen,
ist leicht. Wenn uns etwas Gutes oder Glückliches über Frau, Kinder
oder Freunde erzählt wird, pflegen wir es sogleich zu glauben, auch wenn
es keineswegs wahrscheinlich ist. Wenn es aber etwas Schlechtes ist, glauben
wir es nur ungern, auch wenn es wahrscheinlich ist. Natürlich, weil wir
ihr Gutes wollen, nicht aber ihr Unglück. Genauso wenn du einem kranken
Trunkenbold sagst, die Krankheit sei durch seine Unmäßigkeit entstanden,
wird er nicht leicht glauben. Wenn es aber durch verpestete Luft oder irgendeine
andere Ursache gekommen sein soll, glaubt er es leicht.
Autorität bestätigt dies ebenfalls. Zunächst, weil dem Menschen
das Glauben ebenso geboten oder verboten ist wie
seine Eltern zu lieben, dem andern Gutes zu tun, Ehebruch zu begehen, zu stehlen
oder dergleichen anderes. »Tut Buße«,
sagt er, »und glaubt dem Evangelium«
(Mark. 1, 15). Ebenso: »Was
ihr von Gott erbittet, glaubt, dass ihr es erlangen werdet, und ihr werdet es
erlangen« (Mark. 11, 24). Und in der
Tat reden wir gewöhnlich so, wenn wir einem andern befehlen zu glauben
oder nicht zu glauben. Außerdem berichtet die Heilige Schrift, dass der
Glaube im Herzen ist. Wie bei Lukas: »Oh
träges Herz zum Glauben« (Luk. 24, 25).
Und in der Apostelgeschichte: »Wenn du von
ganzem Herzen glaubst« (Apg. 8, 37). Und
an die Römer: »Von
Herzen glaubt man an die Gerechtigkeit« (Röm.
10, 10). Und an die Hebräer: »Ungläubiges
Herz« (Hebr. 3, 12). Daraus wird deutlich,
dass der Glaube wie die übrigen Teile der
Gerechtigkeit im Herzen sitzt und deshalb eine Sache
des Willens ist. S.
378ff.
Aus: Der linke Flügel der Reformation. Herausgegeben von Heinold Fast
In der Reihe: Klassiker des Protestantismus. Herausgegeben von Christel Matthias
Schröder Band IV, Sammlung Dieterich Carl Schünemann Verlag Bremen