Sebastian Brant / Brandt (1457/8 – 1521)


Deutscher Dichter und Humanist, der 1500 Syndikus in Straßburg war und 1503 Stadtschreiber wurde. Neben weniger bekannten juristischen Arbeiten und lateinischen Gedichten verfasste Brant deutsche Moralsatiren und Flugblätter. Seine Satire »Das Narrenschiff«, die in Holzschnitten und gereimten Texten Laster und Torheiten in Gestalt von Narren darstellt, wurde zu einem literarischen Welterfolg. Brant, den einige süddeutsche Humanisten (Hutten, Tritheim) sogar mir Dante verglichen, wurde als der erste deutscher Dichter gefeiert, mit dem die Poesie in Deutschland aus ihrem lateinischen Gewand geschlüpft ist und sich in strengem Maß in der Sprache vorgestellt habe, die alle Deutschen verstanden. Die meisten der illustrativen Holzschnitte, die erheblich zum Erfolg des Werkes beitrugen, stammen wohl aus der Meisterhand Albrecht Dürers.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Im Narrentanz voran ich geh,
denn ich viel Bücher um mich seh,
die ich nit les und nit versteh.


Inhaltsverzeichnis
Verachtung der Heiligen Schrift
Von Verachtung Gottes
Von Gotteslästerung
Von Plage und Strafe Gottes
Von dem Weg der Seligkeit
Sich des Tods nicht versehen
Vom Antichrist



Wer jedem Narren glauben will,
wo man hört aus der Schrift so viel,
der schickt sich gut ins Narrenspiel.







Verachtung der Heiligen Schrift
Der ist ein Narr, der nit der Schrift
will glauben, die das Heil betrifft,
und meinet, daß er leben söll,
als ob kein Gott war und kein Höll,
verachtend all Predigt und Lehr,
als ob er weder säh noch hör.
Käm einer von den Toten her,
lief hundert Meilen man und mehr,
daß man von ihm hört neue Mär,
welch Wesen in der Hölle wär
und ob viel Leut da brennend sei‘n,
ob man auch schenkt da neuen Wein
und desgleich ander Affenspiel.
Nun hat man doch der Schrift so viel
von alter und von neuer Eh,
man braucht kein Zeugnis weiter meh
noch suchen die Kapell und Klausen
des Sackpfeifers von Nickelshausen.
Gott spricht das aus der Wahrheit sein:
Wer hier Sünd tut, der leidt dort Pein;
wer hier sein‘ Tag zur Weisheit kehrt,
der wird in Ewigkeit geehrt.
Gott hat geschaffen, das ist wahr,
das hörend Ohr, das Auge klar.

Darum ist der blind und ertaubt,
der nit hört Weisheit und ihr glaubt
oder hört gern neu Mär und Sag.
Ich fürcht, es kommen bald die Tag,
daß man mehr neuer Mär werd inn,
als uns gefall und sei zu Sinn.
Jeremias, der rief und lehrt
und ward von niemand doch gehört,
desgleichen andre Weise meh,
drum folgt‘ hernach viel Plag und Weh.
S.50f.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main





Wer glaubt Gott nicht zur Straf bereit,
die Strafe aufschjebt lange Zeit,
den schlägt der Donner oft noch heut.





Von Verachtung Gottes
Der ist ein Narr, der Gott veracht‘
und wider ihn ficht Tag und Nacht
und meint, er sei den Menschen gleich,
daß e‘r laß foppen sich und schweig;
denn mancher fest und sicher glaubt
(wenn Blitz und Donner ihm nicht raubt
sein Haus sogleich und schlägt ihn tot,
wenn er den Nächsten brach in Not
oder nicht stirbt jähelich),
daß er nit mehr braucht fürchten sich;
denn Gott hab ihn vergessen doch,
daß er so lang Jahr wartet noch,
er werd ihn dafür lohnen auch.
Damit versündigt sich ein Gauch,
der noch in seiner Sünd verharrt;
darum, daß Gott ihn vielleicht spart,
wagt er zu greifen ihm an‘ Bart,
als ob er mit ihm scherzen wollt
und solches Gott vertragen sollt —
hör zu, o Tor, werd weise, Narr!
verlaß dich nit auf solche Harr!
Es trägt wahrlich ein grausam Band,
der da fällt Gott in seine Hand;
denn ob er auch lang Zeit dich schont,
dir wird das Warten wohl gelohnt.
Manchen läßt sünden Gott der Herr,
daß er ihn danach straf dest mehr
und ihn bezahle auf einmal
(man spricht, so wär geklärt der Fall);
wer stirbt, eh groß der Sünden Zahl,
dem tut Gott solche Gnad daran,
daß er ihn zeitig nimmt vondann‘,
damit er nit viel Sünd auflad
und größer werd der Seele Schad.

Gott gibt der Reue jederzeit
Ablaß und sein Barmherzigkeit.
Doch keinem Sünder er verhieß,
daß er ihn so lang leben ließ,
bis daß er Beßrung nähme an
oder auch Reue zeigt sodann.
Gott gibt oft Gnad noch einem heut,
dem er sie morgen nicht verleiht.
Ezechias von Gott erwarb,
daß er an seinem Ziel nit starb,
sondern lebt dann noch fünfzehn Jahr;
dem Ziel zuvor kam Belsazar,
die Hand von aller Freud ihn trieb,
die Mane, Phares, Thetel schrieb;
er war zu leicht an dem Gewicht,
darum ward ihm gelöscht sein Licht,
dacht nit, daß auch sein Vater war
gestraft durch Gott vor manchem Jahr,
zu Beßrung und Buß der sich kehrt,
darum ward er von Gott erhört,
daß er ins Viehsgestalt nit starb,
durch Reu er Gnad und Frist erwarb.
Die Jahre wie der Sünden Zahl
sind festgesetzt in jedem Fall;
darum, wer sündigen will viel —
viel Sünden bringen bald ins Ziel.
Viel sind gestorben dieses Jahr,
hätten sich bessern sollen fürwahr,
ihr Stundglas umkehren beizeit,
daß nicht der Sand in Flüchtigkeit
auslief — sie lebten so noch heut. S.254ff.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am M
ain

 


Wer lästert Gott mit Fluchen, Schwören, der lebt mit Schand und stirbt ohn Ehren, weh dem, der solchem nit tut wehren!







Von Gotteslästerung
Die größten Narren ich auch kenn,
wo ich nit weiß, wie man sie nenn,
haben nit genug an aller Sünd
und daß sie sind des Teufels Kind;
sie müssen zeigen offen das,
wie sie haben auf Gott ein‘ Haß
und haben ihm ganz widersagt;
einer ihn für alles anklagt
und hält ihm seine Leiden für,
sein Milz, sein Hirn, Gekrös und Nier;
wer jetzt kann neue Flüch und Schwür,
die widersprechen dem, was recht,
den hält man für ein‘ tapfern Knecht.
Der muß mit Spieß, mit Armbrust gehn,
der traut sich viere zu bestehn,
muß aus der Flasche fröhlich sein.
Mörderisch Flüch tut man beim Wein
und bei dem Spiel um wenig Geld;
kein Wunder wär, wenn Gott die Welt
um solcher Flüch ließ untergehn;
der Himmel möcht nicht länger stehn,
so lästert und so schmäht man Gott.
All Ehrbarkeit ist leider tot,
und kein Gericht geht diesem nach,
drum leiden wir viel Plag und Rach;
wenn alles öffentlich geschieht,
es all Welt merkt, hört und sieht;
kein Wunder, wenn Gott selber richt‘.
Gott kanns die Läng vertragen nicht,
denn er befahl, für seinen Hohn
zu steinigen Israels Sohn.
Sennaherib, der fluchet Gott
und ward geplagt mit Schand und Spott.
Lykaon und Mecentius
empfingen das und Antiochus. S.258f.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main


Wer meint, daß Gott uns zuviel straft,
wenn er uns öfter Plage schafft,
kennt noch nicht Gottes ganze Kraft.






Von Plage und Strafe Gottes
Ein Narr ist, wer für Wunder hält,
daß Gott der Herr jetzt straft die Welt
und Plag auf Plage schicket noch,
obwohl wir Christen seien doch,
darunter viele geistlich Leut,
die durch Fasten, Gebet allzeit
machten von allen Sünden los;
doch hör, es ist kein Wunder groß,
denn du nit findest einen Stand,
in dem man es nicht übel fand,
wo nicht Verfall sei und Gebrechen,
höre dazu den Weisen sprechen:
,,Wenn du zerbrichst, was ich bereite,
so wird nur Reue für uns beide,
und unsre Arbeit ist verlorn“,
so spricht auch sonst der Herr mit Zorn:
,,Wenn ihr nit haltet mein Gebot,
will ich euch geben Plag und Tod,
Krieg, Pestilenz und leere Scheuer,
Hitz, Reif, Kält, Hagel, Donnersfeuer,
und mehren das von Tag zu Tag
und nit erhören Bitt noch Klag.
Ob auch Moses und Samuel mich bät,
so bin ich doch der Seel so feind,
die nit von Sünden ließ,
sie hab die Straf, die ich verhieß.“
Man seh schon an der Juden Land,
welch End es wegen Sünde fand,
wie oft sie Gott gestrafet hat,
vertrieben aus der heilig Stadt.
Den Christen ging sie auch verlorn,
weil sie verdienten Gottes Zorn.
Mein Sorg ist, wir verlieren meh
und daß es uns noch übler geh.S.260f.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main


Viel tun in Torheit hier beharren
und ziehen fest den schweren Karren —
dort wird der recht Wag‘ später fahren.








Von dem Weg der Seligkeit
Gott läßt ein‘ Narren nit verstehn
die Wunder, die er ließ geschehn
und täglich tut; darum verdirbt
gar mancher Narr, der zeitlich stirbt,
hier, und dort ist er ewig tot,
weil er nit lernet kennen Gott
und leben nach dem Willen sein;
hier hat er Plag, dort leidt er Pein,
hier muß er Bürd des Karrens tragen,
dort wird er ziehen erst den Wagen.
Darum, Narr, nit frag nach dem Steg,
der führet auf der Hölle Weg!
Gar leicht dahin man kommen mag,
der Weg steht offen, Nacht und Tag,
und ist gar breit, glatt, wohlgebahnt;
denn mancher Narr war, der ihn fand;
aber der Weg der Seligkeit
(der Weisheit ist allein bereit),
der ist gar eng, schmal, steil und hart,
und wenig Leut machen die Fahrt
oder sind willens, ihn zu gehn.
Damit will ich beschlossen sehn
der Narren Frag, die oft geschieht,
warum man mehr der Narren sieht
oder die fahren zu der Höll
als Volk, das der Weisheit nachstell?
Die Welt in Üppigkeit ist blind;
viel Narren, wenig Weise sind;
viel sind gerufen zum Nachtmahl,
klein ist nur der Erwählten Zahl!
Sechshunderttausend Mann allein,
ohn Frauen und die Kinder klein,
führt Gott aus durch des Meeres Sand —
zwei kamen ins Gelobte Land. S.136f.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main













Kann Adel, Gut, Stärk, Jugendzier
in Frieden sein, o Tod, vor dir?
Alles, das Leben je gewann
und sterblich ist, das muß daran.




























Sich des Tods nicht versehen
All, die wir leben hier auf Erden,
geliebte Freund, betrogen werden,
daß zu betrachten wir nit bereit
den Tod, der unser harrt allzeit.
Wir wissen und ist uns wohl kund,
daß uns gesetzet ist die Stund
und wissen nit, wo, wenn und wie?
Der Tod, der ließ noch keinen hie.
Wir sterben all, fließen von hinnen
wie Wasser hin zur Erde rinnen;¬
darum sind wir gar große Narren,
daß wir nit denken in viel Jahren,
die uns Gott darum leben läßt,
daß wir uns rüsten auf das best
zum Tod und lernen, daß von hinnen
wir müssen, keiner kann entrinnen.
Getrunken ist der Wein schon drauf,
wir können nit abstehn vom Kauf.
Die erste Stund die letzt auch bracht,
und der den ersten hat gemacht,
der wußt auch, wie der letzt würd sterben.
Aber die Narrheit tut uns färben,
und wir wollen es nicht fassen,
daß uns der Tod nit hier wird lassen
und unser volles Haar nit schonen
noch unsre grünen Kränz und Kronen.
Er heißt wahrlich Hans-acht-sein-nit;
denn welchen er ergreift und schütt‘,
er sei auch stark, schön oder jung,
den lehrt er gar seltsamen Sprung,
den ich billig den Todsprung heiß,
daß ihm ausdringt Kält, Angst und Schweiß,
er streckt und krümmt sich wie ein Wurm,
denn da tut man den rechten Sturm.
O Tod, wie stark ist dein Gewalt,
daß du hinnimmst beid, jung und alt!
O Tod, wie ist so schwer dein Nam
für Adel, Macht und hohen Stamm,
voraus dem, der sein Freud und Mut
allein setzt auf das zeitlich Gut!
Der Tod mit gleichem Fuß zuschütt‘
der König Säl, der Hirten Hütt,
achtet kein‘ Pomp, kein Macht und Gut,
dem Papst er wie dem Bauern tut;
darum ein Tor ist, wer all Tag
flieht, dem er nit entrinnen mag,
und meint, wenn er sein‘ Schellen schüttelt,
daß ihn der Tod darum nicht rüttelt.
Auf das Beding ein jeder her-
kommt, daß von hinnen er dann kehr
und er dem Tode so zusteh,
wenn von dem Leib die Seele geh.
Nach gleichem Recht der Tod wegführt
alles, was Leben je berührt:
du stirbst — der bleibt noch länger hie,
und blieb für ewig keiner nie.
Die tausend Jahr erlebten schon,
die mußten doch zuletzt davon.
Kaum eines Rockes Dauer ist
nach Vaters Tod des Sohnes Frist,
der vor dem Vater stirbt zuzeit;
denn man findt auch viel Kälberhäut.
Je einer fährt dem andern nach,
wer nit wohl stirbt, findet sein Rach.
Desgleich des Narrheit auch erscheint,
der um ein‘ Toten trauert, weint
und ihm mißgönnet seine Ruh,
der wir doch alle streben zu;
denn keiner fährt zu früh dahin,
wohin er ewiglich muß ziehn.
Ja, manchem geschieht wohl daran,
daß Gott ihn ruft zeitig hinan.
Der Tod wird manchem nütze sein,
daß er verläßt Trübsal und Pein.
Viel haben den Tod selbst begehrt;
der Tod ist denen Dankes wert,
zu denen er kam ohne Ruf;
Gefangenen er Freiheit schuf;
viel hat er aus dem Kerker bracht,
den‘ lebenslang er zugedacht.

Das Glück teilt ungleich Gut und Reich,
aber der Tod macht alles gleich;
er ist ein Richter, der gar nit
etwas erläßt, durch jemands Bitt;
er ists allein, der alles lohnt;
er ists, der keinen je geschont,
keinem gehorsam er je ward,
sie mußten all auf seine Fahrt,
tanzen für ihn nach seinem Reihen,
Päpst, Kaiser, König, Bischöf, Laien;
wo mancher noch nit hat gedacht,
daß man den Vortanz ihm hat bracht,
daß er muß tanzen im Gezotter
den Westerwälder und den Trotter;
hätt er gerüstet sich dazu,
es hätt ihn nit erwischt im Nu.
Manch großer Narr ist jetzt dahin,
der nur‘s Begräbnis hatt im Sinn
und legt daran so großes Gut,
daß es noch manchen wundern tut.
Das Mausoleum, das ihrem Mann
Artemisia ließ legen an
und so viel Kosten angewandt
mit großer Zier und offner Hand,
daß es der sieben Wunder eins ist,
die man findt im Erdenkreis.
Auch Gräber im Ägyptenland,
die man Pyramides genannt,
voraus, wie Chemnis macht ein Grab,
daran er hängt sein Gut und Hab,
da dreimal hunderttausend Mann
und sechzigtausend werkten dran,
wo für Gemüs er gab s viel
(von andrer Kost ich schweigen will);
kein‘ Fürsten für so reich ich halt,
der das allein möcht haben bezahlt.
Ein Gleiches auch Amasis macht,
wie Rhodope hatt eins vollbracht;
das war ein groß Torheit der Welt,
daß man legt ein so großes Geld
an Gräber, da man wirft hinein
den Aschsack und die Schelmenbein,
und gab so große Kosten aus,
daß man den Würmern macht ein Haus
und für die Seele nichts will geben,
die doch in Ewigkeit muß leben.
Der Seel hilft nichts ein teures Grab
oder daß man Marmorstein hab
und aufhäng Schild, Helm, Banner groß;
,,Hier liegt ein Herr, ein Wappengenoß“,
baut man ihm dann in einen Stein;
der recht Schild ist ein Totenbein,
daran Würm, Schlangen, Kröten nagen;
das Wappen Kaiser, Bauern tragen;
und wer hier hat ein‘ feisten Bauch,
speist seine Wäppner am längsten auch;
das ist ein Kämpfen, Reißen, Brechen,
die Freund tun sich ums Gut erstechen,
wer soll am End der Erbe sein —
die Seel dem Teufel ghört allein,
er tut mit der wüst triumphieren,
von einem Bad ins andre führen,
von eitel Kält in eitel Hitz.
Wir Menschen leben ganz ohn Witz,
daß wir der Seel nicht nehmen wahr —
des Leibs wir sorgen immerdar.
All Erd, die ist geweihet Gott,
wohl liegt der, der da wohl ist tot.
Der Himmel manchen Toten deckt,
der unter keinem Stein sich streckt.
Wie könnt der haben ein schöner Grab,
dem das Gestirn leuchtet herab?
Gott findt die Bein zu seiner Zeit
das Grab der Seel kein Lust hält bereit.
Wer wohl stirbt, hat den schönsten Tod,
wer sündig stirbt, die schlimmste Not. S.248ff.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main

 






















Vom Antichrist
Seit hier das Vorspiel ist geschehn
von denen, die in Falschheit stehn,
find ich noch mehr der rechten Knaben;
die um das Narrenschiff hertraben,
wie sie sich, auch sonst viel, betrügen,
die Heilig Schrift krummen und biegen;
geben dem Glauben erst viel Püff
und nässen das papierne Schiff;
ein jeder etwas reißt herab,
daß es ins Wasser sinkt hinab,
nimmt Ruder, Riemen weg davon,
daß ihm der Untergang mög drohn.
Viel sind in ihrem Sinn so klug
und dünken sich witzig genug,
daß sie aus eigner Vernunft heraus
die Heilig Schrift wolln legen aus;
und fehlen daran doch gar sehr,
und wird gestraft ihr falsche Lehr;
denn aus anderen Schriften wohl
(davon die ganze Welt ist voll)
konnten sie unterrichten sich,
wenn sie nit wollten sonderlich
gesehen sein vor andern Leuten.
Dabei fährt irr das Schiff beizeiten.
Dieselben kann man trunken nennen,
daß sie die Wahrheit zwar erkennen
und doch dieselb umkehren ganz,
zeigen ihren Schein und Glanz;
das ist falscher Propheten Lehr,
vor der sich hüten heißt der Herr.
die anders wolln die Schrift erklären,
die der Heilig Geist tut lehren,
haben die falsch Wang in der Hand
und legen drauf, was jeder fand,
machen eins schwer, das andre leicht,
dadurch der Glaub jetzt ganz entweicht.
Wir stehn in ihrer Mitte schon,
und regt sich schon der Skorpion
durch solch Anreizer, von den‘ hätt
gesagt Ezechiel, der Prophet.
Die Übertreter des Gesetz
suchen dem Antichrist sein Schätz,
daß er im voraus etwas find,
bevor sein Jahr verlaufen sind,
und er viel hab, die bei ihm stehn
und mit ihm in die Falschheit gehn.
Viel wird er haben in der Welt;
wann er austeilen wird sein Geld
und alle Schätze hervorbringen,
braucht er nit viel mit Schlägen zwingen;
die meisten werden zu ihm laufen,
mit Geld wird viele er sich kaufen,
die helfen ihm, damit er dann
die Frommen zu Fall bringen kann
(doch werden sie nicht lange fahren,
es wird bald brechen Schiff und Karren,
wiewohl sie fahren um und um),
und wird die Wahrheit machen krumm;
sie wird zuletzt doch Wahrheit bleiben
und wird die Falschheit ganz vertreiben,
die jetzt umgeht in jedem Stand.
Ich fürcht, das Schiff kommt nie zum Land.
Sankt Peters Schifflein gar sehr schwankt,
ich fürcht sehr seinen Untergang;
die Wellen schlagen hoch daran,
Sturm und viel Plagen gehn erst an;
gar wenig Wahrheit man jetzt hört,
die Heilig Schrift wird ganz verkehrt,
anders gelesen und erklärt,
als es der Mund der Wahrheit lehrt.
Versteh mich recht, wen ich hier treff!
Der Endchrist sitzt im großen Schiff
und hat sein Botschaft ausgesandt,
Betrug verkündet er im Land,
falsch Glauben und viel falsche Lehr
wachten von Tag zu Tag noch mehr.

Die Drucker sitzen auch am Steuer:
wenn man viel Bücher würf ins Feuer,
verbrennte man viel Unrecht drin.
Mancher trachtet nur nach Gewinn,
druckt, was ihm in die Hände fällt,
von Korrektur dabei nichts hält.
Auf großen Beschiß viele studieren:
viel drucken, wenig korrigieren,
kümmern sich wenig um ihr Sachen,
wenn sie Nachdruck um Nachdruck machen,
sie tun sich selber Schad und Schand,
mancher, der druckt sich aus dem Land.
Die kann das Schiff dann nimmer tragen,
sie müssen in den Narrenwagen,
daß einer tu den andern jagen.
Die Zeit, die kommt! Es kommt die Zeit!
Ich fürcht, der Endchrist sei nit weit!
Daß man das merk, so nehm man wahr:
drei Dinge bannen die Gefahr:
der Ablaß, Bücher und die Lehr,
deren man achtet keines mehr.
Die Menge Bücher sieht man dran,
wie viele man jetzt drucken kann;
all Bücher werden neu gebracht,
die unsre Eltern je gemacht;
der‘ sind so viel jetzt an der Zahl,
daß sie nichts gelten überall,
man ihrer bald nit achtet mehr;
das gleiche ist es mit der Lehr;
so viele Schulen man nie fand,
als man jetzt hat in jedem Land,
es gibt bald keine Stadt auf Erd,
wo keine Schul gefunden werd;
das gibt auch viel gelehrte Leut,
die man jedoch nicht achtet heut.
Kenntnis verachtet jedermann
und sieht sie über Achseln an.
Gelehrte müssen sich bereits,
schämen des Namens und des Kleids;
man zieht die Bauern sich jetzt für,
Gelehrte müssen hinter d‘ Tür.
Man spricht: ,,Sieh an den Schlauderaffen!
Der Teufel b‘scheißt uns wohl mit Pfaffen!“
Das ist ein Zeichen, daß die Kunst
kein Ehr mehr hat, kein Lieb noch Gunst;
zugrunde geht damit die Lehr,
denn Kunst, die wird genährt durch Ehr,
und will man sie nicht hoch mehr achten,
so werden wenig danach trachten.
Der Ablaß ist so ganz unwert,
daß niemand fragt noch ihn begehrt;
niemand will mehr den Ablaß suchen,
ja, mancher möcht ihn nicht erfluchen,
mancher gäb nit ein Pfennig aus,
so ihm der Ablaß käm ins Haus,
und würd er dorthin kommen nach,
er trifft ihn weniger als zu Ach.
Darum dasselbe uns einst droht
wie jenen mit dem Himmelsbrot,
es war für sie ein Überdruß,
sie sprachen, es wär nit von Nutz,
die Seel ein Widerwillen hätt,
und machten daraus ein Gespött.
So tut man mit dem Ablaß auch,
der wird veracht‘ durch manchen Gauch.
Daraus nehm ich mir den Bericht:
Jetzt steht der Glaub gleich wie ein Licht,
bevor es ganz will gehen ein,
so gibt es erst noch Glanz und Schein,
daß ich frei heraus sagen mag:
Es naht sich sehr der Jüngste Tag.
Seit man das Licht der Gnad veracht‘,
so wird es bald ganz werden Nacht,
dergleichen ward vor nie gehört:
das Schiff den Boden schon umkehrt. S.103ff.
Aus: Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main