Kann Adel, Gut, Stärk, Jugendzier
in Frieden sein, o Tod, vor dir?
Alles, das Leben je gewann
und sterblich ist, das muß daran.

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Sich
des Tods nicht versehen
All, die wir leben hier auf Erden,
geliebte Freund, betrogen werden,
daß zu betrachten wir nit bereit
den Tod, der unser harrt allzeit.
Wir wissen und ist uns wohl kund,
daß uns gesetzet ist die Stund
und wissen nit, wo, wenn und wie?
Der Tod, der ließ noch keinen hie.
Wir sterben all, fließen von hinnen
wie Wasser hin zur Erde rinnen;¬
darum sind wir gar große Narren,
daß wir nit denken in viel Jahren,
die uns Gott darum leben läßt,
daß wir uns rüsten auf das best
zum Tod und lernen, daß von hinnen
wir müssen, keiner kann entrinnen.
Getrunken ist der Wein schon drauf,
wir können nit abstehn vom Kauf.
Die erste Stund die letzt auch bracht,
und der den ersten hat gemacht,
der wußt auch, wie der letzt würd sterben.
Aber die Narrheit tut uns färben,
und wir wollen es nicht fassen,
daß uns der Tod nit hier wird lassen
und unser volles Haar nit schonen
noch unsre grünen Kränz und Kronen.
Er heißt wahrlich Hans-acht-sein-nit;
denn welchen er ergreift und schütt‘,
er sei auch stark, schön oder jung,
den lehrt er gar seltsamen Sprung,
den ich billig den Todsprung heiß,
daß ihm ausdringt Kält, Angst und Schweiß,
er streckt und krümmt sich wie ein Wurm,
denn da tut man den rechten Sturm.
O Tod, wie stark ist dein Gewalt,
daß du hinnimmst beid, jung und alt!
O Tod, wie ist so schwer dein Nam
für Adel, Macht und hohen Stamm,
voraus dem, der sein Freud und Mut
allein setzt auf das zeitlich Gut!
Der Tod mit gleichem Fuß zuschütt‘
der König Säl, der Hirten Hütt,
achtet kein‘ Pomp, kein Macht und Gut,
dem Papst er wie dem Bauern tut;
darum ein Tor ist, wer all Tag
flieht, dem er nit entrinnen mag,
und meint, wenn er sein‘ Schellen schüttelt,
daß ihn der Tod darum nicht rüttelt.
Auf das Beding ein jeder her-
kommt, daß von hinnen er dann kehr
und er dem Tode so zusteh,
wenn von dem Leib die Seele geh.
Nach gleichem Recht der Tod wegführt
alles, was Leben je berührt:
du stirbst — der bleibt noch länger hie,
und blieb für ewig keiner nie.
Die tausend Jahr erlebten schon,
die mußten doch zuletzt davon.
Kaum eines Rockes Dauer ist
nach Vaters Tod des Sohnes Frist,
der vor dem Vater stirbt zuzeit;
denn man findt auch viel Kälberhäut.
Je einer fährt dem andern nach,
wer nit wohl stirbt, findet sein Rach.
Desgleich des Narrheit auch erscheint,
der um ein‘ Toten trauert, weint
und ihm mißgönnet seine Ruh,
der wir doch alle streben zu;
denn keiner fährt zu früh dahin,
wohin er ewiglich muß ziehn.
Ja, manchem geschieht wohl daran,
daß Gott ihn ruft zeitig hinan.
Der Tod wird manchem nütze sein,
daß er verläßt Trübsal und Pein.
Viel haben den Tod selbst begehrt;
der Tod ist denen Dankes wert,
zu denen er kam ohne Ruf;
Gefangenen er Freiheit schuf;
viel hat er aus dem Kerker bracht,
den‘ lebenslang er zugedacht. |
Das Glück teilt ungleich Gut und Reich,
aber der Tod macht alles gleich;
er ist ein Richter, der gar nit
etwas erläßt, durch jemands Bitt;
er ists allein, der alles lohnt;
er ists, der keinen je geschont,
keinem gehorsam er je ward,
sie mußten all auf seine Fahrt,
tanzen für ihn nach seinem Reihen,
Päpst, Kaiser, König, Bischöf, Laien;
wo mancher noch nit hat gedacht,
daß man den Vortanz ihm hat bracht,
daß er muß tanzen im Gezotter
den Westerwälder und den Trotter;
hätt er gerüstet sich dazu,
es hätt ihn nit erwischt im Nu.
Manch großer Narr ist jetzt dahin,
der nur‘s Begräbnis hatt im Sinn
und legt daran so großes Gut,
daß es noch manchen wundern tut.
Das Mausoleum, das ihrem Mann
Artemisia ließ legen an
und so viel Kosten angewandt
mit großer Zier und offner Hand,
daß es der sieben Wunder eins ist,
die man findt im Erdenkreis.
Auch Gräber im Ägyptenland,
die man Pyramides genannt,
voraus, wie Chemnis macht ein Grab,
daran er hängt sein Gut und Hab,
da dreimal hunderttausend Mann
und sechzigtausend werkten dran,
wo für Gemüs er gab s viel
(von andrer Kost ich schweigen will);
kein‘ Fürsten für so reich ich halt,
der das allein möcht haben bezahlt.
Ein Gleiches auch Amasis macht,
wie Rhodope hatt eins vollbracht;
das war ein groß Torheit der Welt,
daß man legt ein so großes Geld
an Gräber, da man wirft hinein
den Aschsack und die Schelmenbein,
und gab so große Kosten aus,
daß man den Würmern macht ein Haus
und für die Seele nichts will geben,
die doch in Ewigkeit muß leben.
Der Seel hilft nichts ein teures Grab
oder daß man Marmorstein hab
und aufhäng Schild, Helm, Banner groß;
,,Hier liegt ein Herr, ein Wappengenoß“,
baut man ihm dann in einen Stein;
der recht Schild ist ein Totenbein,
daran Würm, Schlangen, Kröten nagen;
das Wappen Kaiser, Bauern tragen;
und wer hier hat ein‘ feisten Bauch,
speist seine Wäppner am längsten auch;
das ist ein Kämpfen, Reißen, Brechen,
die Freund tun sich ums Gut erstechen,
wer soll am End der Erbe sein —
die Seel dem Teufel ghört allein,
er tut mit der wüst triumphieren,
von einem Bad ins andre führen,
von eitel Kält in eitel Hitz.
Wir Menschen leben ganz ohn Witz,
daß wir der Seel nicht nehmen wahr —
des Leibs wir sorgen immerdar.
All Erd, die ist geweihet Gott,
wohl liegt der, der da wohl ist tot.
Der Himmel manchen Toten deckt,
der unter keinem Stein sich streckt.
Wie könnt der haben ein schöner Grab,
dem das Gestirn leuchtet herab?
Gott findt die Bein zu seiner Zeit
das Grab der Seel kein Lust hält bereit.
Wer wohl stirbt, hat den schönsten Tod,
wer sündig stirbt, die schlimmste Not. S.248ff. Aus:
Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Text und Holzschnitte der Erstausgabe
1494, Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499
Röderberg-Verlag G.m.b.H. Frankfurt am Main
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