Antoinette Bourignon de la Porte (1616 – 1680)
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Belgische
Mystikerin und Philosophin, die sich aufgrund visionärer Erscheinungen berufen fühlte, die Kirche erneuern zu müssen. Sie scharte in
Amsterdam Anhänger um sich und behauptete von sich, die »neue
Eva« und »Braut des Heiligen Geistes« zu sein. Ihr Hauptanhänger war der holländische Mystiker Pierre
Poiret, der sie auf ihren Verfolgungen in Norddeutschland begleitete,
ihre Werke herausgab und ihr Leben beschrieb Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon |
Gott ist reiner
Geist
Aus einem Briefe
Um die Anfrage zu beantworten, die Sie mir so oft wiederholt haben, nämlich,
wie ich Gott vernehme und mit ihm rede, werde ich einfach sagen, was ich sagen
kann.
Gott ist Geist, die Seele ist Geist: sie teilen
sich einander im Geiste mit. Es sind keine sprachlichen Worte, sondern geistige
Mitteilungen, die jedoch verständlicher sind als die kundigsten Beredsamkeiten
der Welt.
Gott gibt sich der Seele durch innere Bewegungen kund, die die Seele in dem
Maße vernimmt und begreift, als sie von irdischen Vorstellungen ledig
ist; und je mehr die Kräfte der Seele aufhören, desto verständlicher
sind ihr die Bewegungen Gottes.
Die Mitteilungen Gottes sind unfehlbar, wenn die Seele alles Bildes leer ist
und im Vergessen aller geschaffenen Dinge steht; aber sie sind zweifelhaft,
wenn sie durch Einbildungen wirkt und die Empfindsamkeiten sucht oder etwas
anderes, was nicht in bloßer Weise Gott ist. Die Heiligen selbst haben
in diesem Punkte geistige Eitelkeiten begangen, durch Visionen, Stimmen, Ekstasen
und andere Empfindsamkeiten, zu denen die Einbildungskraft beiträgt.
Gott ist reiner Geist, die gereinigte Seele verwandelt sich in ihn und
bedarf keiner Worte und keines Blickes, um ihn zu vernehmen, ebensowenig wie
wir des Auges oder der Zunge bedürfen, um unsere eigenen Vorstellungen
zu vernehmen ...
Ich bin ein reines Nichts; aber Gott ist alles in mir. Er ehrt mich,
er wirkt, er redet in mir, ohne daß die Natur dazu mehr beitrüge
als das einfache Werkzeug, wie ein Pinsel zur Kunst eines schönen Gemäldes
beiträgt. S.230f.
Aus: Sloterdijk (Hrsg.): Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker gesammelt
von Martin Buber, Diederichs DG 100