Jakob Böhme (1575 – 1624)

>>> Gott

Gott Vater, Sohn und heiliger Geist
Von Gott dem Vater , Von der Substanz und Eigenschaft des Vaters , Von Gott dem Sohne , Von Gott dem Hl. Geist , Von der Menschwerdung Christi , Gott ,


Das 3. Kapitel
Von Gott dem Vater
1. Günstiger Leser, allhie will ich dich treulich vermahnet haben, daß du deinen Dünkel fahren lassest und dich nicht nach heidnischer Weisheit vergaffest, dich auch an der Einfalt des Autoris nicht ärgerst; denn das Werk ist nicht seiner Vernunft, sondern des Geistes Trieb. Schaue du nur, daß du den Hl. Geist, der von Gott ausgehet, in deinem Geiste habest, der wird dich in alle Wahrheit leiten und sich dir offenbaren. Alsdann wirst du in seinem Lichte und Kraft wohl sehen bis in die Hl. Dreifaltigkeit und verstehen, was hienach geschrieben ist.

2. Als unser Heiland Jesus Christus seine Jünger lehrete beten, so sprach er, wenn ihr wollet beten, so sprecht: Unser Vater, der du bist im Himmel (Matth. 6, 9). Dieses hat nicht den Verstand, daß der Himmel könnte den Vater begreifen oder umfassen, denn er ist selber aus der göttlichen Kraft gemacht.

3. Denn Christus spricht: Mein Vater ist größer denn alles (Joh. 10, 29) und im Propheten spricht Gott: Der Himmel ist mein Stuhl und die Erde ist mein Fußschemel (Jes. 66, 1). Item: Was wollt ihr mir für ein Haus bauen? Ich umfasse den Himmel mit einer Spanne und den Erdenboden mit einem Dreilinge (Jes. 40, 12). Item: In Jakob will ich wohnen und Israel soll meine Hütte sein (Psalm 135, 4; Sir. 24, 13).

4. Daß aber Christus seinen Vater einen himmlischen Vater nennet, damit meinet er, daß seines Vaters Glanz und Kraft ganz lauter, hell und rein im Himmel erscheine und daß über dem Zirk oder Schluß, den wir da mit unsern Augen sehen, das wir Himmel heißen, erscheine die ganze triumphierende Hl. Dreifaltigkeit, Vater, Sohn, Hl. Geist.

5. Auch so unterscheidet Christus hiemit seinen himmlischen Vater von dem Vater der Natur, welcher ist die Sterne und Elementa. Dieselben sind unser natürlicher Vater, daraus wir gemacht sind und in dessen Trieb wir allhie in dieser Welt leben und von welchem wir unsere Speise und Nahrung nehmen.

6. Er ist aber darum unser himmlischer Vater, daß unsere Seele sich stets nach ihm sehnet und ihn begehret. Ja, sie dürstet und hungert stets nach ihm. Der Leib hungert und dürstet nach dem Vater der Natur, welches sind die Sterne und Elementa, und derselbe Vater speiset und tränket ihn auch. Die Seele aber dürstet und hungert stets nach dem himmlischen heiligen Vater, und er speiset und tränket sie auch mit seinem Hl. Geist und Freudenquell.

7. Nun aber haben wir nicht zwei Väter, sondern nur einen: der Himmel ist aus seiner Kraft gemacht und die Sterne aus seiner Weisheit, die in ihm ist, die von ihm ausgehet.

Von der Substanz und Eigenschaft des Vaters
8. Wenn man nun betrachtet die ganze Natur und ihre Eigenschaft, so siehet man den Vater. Wenn man anschauet den Himmel und die Sterne, so siehet man seine ewige Kraft und Weisheit. Also viel(e) Sterne unter dem Himmel stehen, die doch unzählig und der Vernunft unbegreiflich, auch ein Teil unsichtlich sind, also viel‘ und mancherlei ist Gottes des Vaters Kraft und Weisheit.

9. Es hat aber ein jeder Stern am Himmel eine andere Kraft und Qualität als der andere, welche auch machen so vielerlei Unterschied in und unter den Kreaturen auf Erden in dem ganzen Geschöpfe. Nun aber herrühren alle Kräfte, die in der Natur sind, aus Gott, dem Vater, alles Licht, Hitze, Kälte, Luft, Wasser und alle Kräfte der Erden, bitter, sauer, süß, herbe, hart, weit und das man nicht erzählen kann, das hat alles seinen Ausgang vom Vater.

10. Wenn man aber den Vater mit etwas vergleichen will, so muß man ihn der runden Kugel des Himmels vergleichen. Nicht mußt du denken, daß jede Kraft, die in dem Vater ist, an einem besondern Teil und Orte in dem Vater stehe wie die Sterne am Himmel; nein, sondern der Geist zeiget, daß alle Kräfte in dem Vater ineinander sind wie eine Kraft, wie man dessen ein Bild hat im Propheten Hesekiel Kap. 1, 15, der sieht den Herrn im Geist und Vorbild gleich einem Rade, da vier Räder ineinander sind und waren alle viere eines wie das ander, und wenn sie gingen, so gingen sie schlechts [geradewegs] für sich, auf welche Seite der Wind ging, da gingen sie alle viere für sich und (be)durfte keines keiner Umwendung. Also ist auch Gott der Vater, es sind alle Kräfte in dem Vater ineinander wie eine Kraft, und alle Kräfte bestehen in dem Vater in einem unerforschlichen Licht und Klarheit.

11.
Nicht mußt du denken, daß Gott im Himmel und über dem Himmel etwa stehe und walle wie eine Kraft und Qualität, die keine Vernunft und Wissenschaft in sich habe, wie die Sonne. Die lauft an ihrem Zirk herum und schüttet von sich die Hitze und das Licht, es bringe gleich der Erde und den Kreaturen Schaden oder Frommen [Nutzen], welches denn freilich geschähe, so die andern Planeten und Sterne nicht wehreten. Nein, so ist der Vater nicht, sondern ist ein allmächtiger, allweiser, allwissender, allsehender, allhörender, allriechender, allfühlender, allschmeckender Gott, der da ist in sich sänftig, freundlich, lieblich, barmherzig und freudenreich, ja die Ereude selber.

12. Er ist aber von Ewigkeit zu Ewigkeit also unveränderlich. Er hat sich in seinem Wesen noch nie verändert, wird sich auch in alle Ewigkeit nicht verändern. Er ist von nichts herkommen oder geboren, sondern ist selber alles in Ewigkeit, und alles, was da ist, das ist von seiner Kraft worden, die von ihm ausgehet. Die Natur und alle Kreaturen sind aus seiner Kraft worden, die von ihm ist von Ewigkeit ausgangen. Seine Weite, Höhe und Tiefe kann keine Kreatur, auch kein Engel im Himmel erforschen, sondern die Engel leben in des Vaters Kraft ganz sänftig und freudenreich, und singen immer in des Vaters Kraft.

Von Gott dem Sohne
13. So man nun will Gott, den Sohn, sehen, so muß man abermal(s) natürliche Dinge anschauen, sonst kann ich nicht von ihm schreiben. Der Geist siehet ihn wohl, aber man kann es nicht reden oder schreiben, denn das göttliche Wesen stehet in Kraft, die sich nicht schreiben oder reden lässet. Müssen derowegen Gleichnisse vor uns nehmen, wenn wir wollen von Gott reden, denn wir leben in dieser Welt im Stückwerk [1. Kor. 13, 9] und sind aus Stückwerk gemacht worden. Will derowegen den Leser in jenes Leben zitieret haben, da will ich eigentlicher und klärlicher mit ihm von diesem hohen Artikul reden. Es wolle der liebhabende Leser derweil auf des Geistes Sinn sehen, so wirds nicht fehlen, er wird auch ein Kräftlein davon bekommen, so ihn nur hungert. Nun merke: Es sprechen die Türken und Heiden, Gott habe keinen Sohn. Allhie tut die Augen recht auf und macht euch nicht selber stockblind, so werdet ihr den Sohn sehen.

14. Der Vater ist alles und alle Kraft bestehet in dem Vater. Er ist der Anfang und das Ende aller Dinge, und außer ihm ist nichts; und alles, was da worden ist, das ist aus dem Vater worden [2. Joh. 1, 3]. Denn vor Anfang der Schöpfung der Kreaturen war nichts als nur allein Gott, und wo nun nichts ist, daraus wird nichts. Alles Ding muß eine Ursache oder Wurzel haben, sonst wird nichts. Nun aber mußt du nicht denken daß der Sohn ein ander(er) Gott sei als der Vater. Du darfst auch nicht denken, daß der Sohn außer dem Vater sei und sei ein besonder(er) Teil, als wenn zwei Männer nebeneinander stehen, da einer den andern nicht begreift. Nein, eine solche Substanz hat es nicht mit dem Vater und Sohne, denn der Vater ist nicht ein Bild, mit etwas zu vergleichen, sondern der Vater ist der Brunnquell aller Kräfte, und sind alle Kräfte ineinander wie eine Kraft. Darum heißt er auch ein einiger Gott, sonst wo seine Kräfte zertrennt wären, so wäre er nicht allmächtig. Nun aber ist er der selbständige, allmächtige und allkräftige Gott.

15. Der Sohn aber ist das Herze in dem Vater. Alle Kräfte, die in dem Vater sind, die sind des Vaters Eigentum, und der Sohn ist das Herze oder der Kern in allen Kräften in dem ganzen Vater. Er ist aber die Ursache der quellenden Freuden in allen Kräften in dem ganzen Vater. Von dem Sohn, der da ist des Vaters Herze in allen seinen Kräften, steiget auf die ewige himmlische Freude und quillet in allen Kräften des Vaters. Eine solche Freude, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herze nie gestiegen ist, wie St. Paulus saget 1. Kor. 2,9.

16. So aber ein Mensch allhie auf Erden mit dem HI. Geist erleuchtet wird aus dem Brunnquell Jesu Christi, daß die Geister der Natur, welche bedeuten den Vater, angezündet werden, so gehet eine solche Freude in seinem Herzen auf in alle Adern, daß der ganze Leib zittert und der animalische Geist triumphieret, als wäre er in der Hl. Trinität, welches allein die verstehen, die an dem Orte sind zu Gaste gewesen.

17. Dieses aber ist nur ein Vorbild oder Anblick des Sohns Gottes in dem Menschen, dadurch der Glaube gestärkt und erhalten wird; denn die Freude kann in einem irdischen Ge¬fäße nicht also groß sein als in einem himmlischen, da die vollkommene Kraft Gottes völlig ist.

18. Hie muß ich nun im Gleichnis schreiben. Allhier will ich dir ein Gleichnis in der Natur zeigen, wie da sei das hl. Wesen in der hl. Trinität: Schaue an den Himmel, der ist eine runde Kugel und hat weder Anfang noch Ende, sondern es ist überall der Anfang und das Ende, wo du ihn nur ansiehest. Also ist auch Gott in und über dem Himmel, der hat weder Anfang noch Ende. Nun siehe weiter an der Sterne Zirk, die bedeuten des Vaters mancherlei Kraft und Weisheit, und sie sind auch aus des Vaters Kraft und Weisheit gemacht worden. Nun der Himmel, die Sterne und die ganze Tiefe zwischen den Sternen samt der Erden bedeuten den Vater; und die sieben Planeten bedeuten die sieben Geister Gottes oder die Fürsten der Engel, unter welchen Herr Luzifer auch einer gewesen ist vor seinem Fall, welche alle aus dem Vater gemacht sind im Anfang der Schöpfung der Engel vor der Zeit der Welt.

19. Nun merke: Die Sonne gehet mitten in der Tiefe zwischen den Sternen in dein runden Zirk, und sie ist das Heer der Sterne und gibt allen Sternen Licht und Kraft, und tempe¬rieret aller Sterne Kraft, daß alles fein lieblich und freudenreich wird. Auch so erleuchtet sie den Himmel, die Sterne und die Tiefe über der Erde, und wirket in allen Dingen, was in dieser Welt ist, und ist der König und das Hetze aller Dinge in dieser Welt, und die bedeutet recht Gott den Sohn.

20. Denn gleichwie die Sonne mitten zwischen den Sternen und Erden stehet und erleuchtet alle Kräfte und ist das Licht und Hetze aller Kräfte, und alle Freude in dieser Welt, dazu alle Schönheit und Lieblichkeit stehet in der Sonne Licht und Kraft, also auch der Sohn Gottes in dem Vater, der ist das Hetze in dem Vater und leuchtet in allen Kräften des Vaters, und seine Kraft ist die bewegliche, quellende Freude in allen Kräften des Vaters, und leuchtet in dem ganzen Vater, gleichwie die Sonne in der ganzen Welt. So man könnte die Erde wegnehmen, welche bedeutet das Haus der Trübsal oder der Hölle, so wäre die ganze Tiefe gar licht an einem Ort wie am andern. Also ist auch die ganze Tiefe im Vater gar licht an einem Orte wie am andern, von dem Glanze des Sohns Gottes. Und gleichwie die Sonne ist eine selbständige Kreatur, Kraft oder Licht, die nicht aus allen Kreaturen scheinet, sondern in alle Kreaturen, und alle Kreaturen freuen sich in ihrer Kraft, also ist auch der Sohn in dem Vater eine selbständige Person und erleuchtet alle Kraft in dem Vater und ist des Vaters Freude oder Hetze in seinem Centro oder Mitten.

21. Hie merke dies große Geheimnis Gottes: Die Sonne ist aus allen Sternen geboren oder gemacht, und ist das Licht aus der ganzen Natur genommen und scheinet wieder in die ganze Natur dieser Welt und ist mit den andern Sternen verbunden, als wäre sie mit allen Sternen ein Stern.

22. Also ist auch der Sohn Gottes aus allen Kräften seines Vaters von Ewigkeit immer geboren und nicht gemacht und ist das Herze und Glanz aus allen Kräften seines himmlischen Vaters, eine selbständige Person, das Zentrum oder in der Tiefe das Corpus des Glanzes. Denn des Vaters Kraft gebäret den Sohn von Ewigkeit immerdar. So nun der Vater wurde aufhören zu gebären, so wäre der Sohn nicht mehr, und so der Sohn nicht mehr in dem Vater leuchtete, so wäre der Vater ein finster Tal; denn des Vaters Kraft stiege nicht auf von Ewigkeit zu Ewigkeit, und könnte das göttliche Wesen nicht bestehen.

23. Also ist der Vater das selbständige Wesen aller Kräfte, und der Sohn ist das Herze in dem Vater, das aus allen Kräften des Vaters immer geboren wird, und der des Vaters Kräfte wieder erleuchtet. Nicht mußt du denken, daß der Sohn in dem Vater vermischt sei, daß man seine Person nicht sehe oder erkenne; nein, wenn das wäre, so wäre es nur eine Person. So wenig als die Sonne aus den andern Sternen scheinet, und ob sie gleich aus andern Sternen ihren Ursprung hat, so wenig scheinet auch der Sohn aus den Kräften des Vaters, was sein Corpus anlanget. Und ob er gleich aus den Kräften des Vaters immer geboren wird, so scheinet er doch wieder in die Kräfte des Vaters; denn er ist eine andere Person als der Vater, aber nicht ein anderer Gott. Er ist ewig in dem Vater, und der Vater gebäret ihn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerdar, und ist der Vater und der Sohn ein Gott, gleiches Wesens in Kraft und Allmacht. Der Sohn sicher, hört, schmecket, fühlet, riecht und begreift alles wie der Vater. In seiner Kraft lebet und ist alles, was da gut ist, wie in dem Vater; aber das Böse ist nicht in ihm.

Von Gott dem Hl. Geist
24. Gott, der Hl. Geist, ist die dritte Person in der triumphierenden hl. Gottheit, und gehet vom Vater und Sohne aus der heilige wallende Freudenquell in dem ganzen Vater, ein lieblich, sanftes und stilles Sausen, aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes, wie beim Propheten Elia am Berge Horeb (1. Kön. 19,12) und am Pfingsttage bei den Aposteln Christi zu sehen ist (Apg. 2,2).

25. So man aber seine Person, Substanz und Eigenschaft aus rechtem Grund beschreiben will, so muß mans auch im Gleichnis vorbilden; denn den Geist kann man nicht schreiben, dieweil er keine Kreatur ist, sondern die wallende Kraft Gottes.

26. Nun siehe aber einmal die Sonne und Sterne an, die manch- und vielerlei Sterne, die unaussprechlich oder unzählig sind, die bedeuten den Vater. Aus denselben Sternen ist worden die Sonne, denn Gott hat sie daraus gemacht, die bedeutet den Sohn Gottes. Nun sind von der Sonne und Sternen worden die vier Elementa, Feuer, Luft, Wasser, Erde, wie ich hernach klar beweisen will, wenn ich von der Schöpfung schreiben werde.

27. Nun merke Die drei Elementa, Feuer, Luft und Wasser, die haben dreierlei Bewegung oder Qualifizierung, aber nur ein Corpus. Siehe, das Feuer oder Hitze empöret sich aus der Sonne und Sternen, und aus der Hitze empöret sich die Luft und aus der Luft das Wasser. Und in dieser Bewegung oder Qualifizierung stehet aller Kreaturen Leben und Geist, auch alles, was in dieser Welt genannt mag werden, das bedeutet den Hl. Geist.

28. Gleichwie die drei Elementa Feuer, Luft und Wasser von der Sonne und Sternen ausgehen und sind ein Corpus ineinander und machen die lebendige Bewegung und den Geist aller Kreaturen in dieser Welt, also auch gehet der Hl. Geist vom Vater und Sohne aus, und machet die lebendige Bewegung in allen Kräften des Vaters. Und gleichwie die drei Elementa in der Tiefe wallen als ein selbständiger Geist, und machen Hitze, Kälte, Wolken und fließen aus aller Sterne Kraft, und alle Kräfte der Sonne und Sterne sind in drei Ele¬menten, als wären sie selber die Sonne und Sterne, daraus denn aller Kreaturen Leben und Geist wird und darinnen bestehet, also gehet der HI. Geist aus vom Vater und Sohne und wallet in dem ganzen Vater, und ist aller Kräfte Leben und Geist in dem ganzen Vater.

29. Hie merke die tiefe Geheimnis: Alle Sterne, die man siehet und nicht siehet, die bedeuten die Kraft Gottes des Vaters; nun aus denselben Sternen ist geboren die Sonne, die ist das Herze aller Sterne. Nun gehet aus allen Sternen aus die Kraft, die in jedem Sterne ist, in die Tiefe. Nun gebet der Sonne Kraft, Hitze und Schein auch in die Tiefe, und in der Tiefe ist aller Sterne Kraft mit der Sonne Schein und Hitze ein Ding, eine bewegende Wallung, gleich eines Geistes oder einer Materia, allein daß es nicht Vernunft bar, denn es ist nicht der Hl. Geist. Auch so gehöret das vierte Element auch zu einem natürlichen Geiste, soll er aber Vernunft haben. Also gehet aus Gott dem Vater aus (in seine Tiefe) aus allen seinen Kräften und gebietet den Glanz, das Herze oder den Sohn Gottes in seinem Centro. Den vergleicht man der runden Kugel der Sonne, der leuchtet über sich, unter sich und neben sich, und gehet der Glanz samt allen Kräften aus dem Sohne Gottes in den ganzen Vater.

30. Nun ist in der ganzen Tiefe des Vaters außer dem Sohne nichts denn die vielerlei und unermeßliche oder unerforschliche Kraft des Vaters. Und die unerforschliche Kraft und Licht des Sohnes, das ist in der Tiefe des Vaters ein lebendiger, allkräftiger, allwissender, alihörender, allsehender, all¬riechender allschmeckender, allfühlender Geist, in dem alle Kraft und Glanz und Weisheit ist wie in dem Vater und Sohne.

31. Gleichwie in den vier Elementen ist der Sonne und aller Sterne Kraft und Glanz, also auch in der ganzen Tiefe des Vaters und das ist und heißt recht der HI. Geist, der die dritte selbständige Person ist in der Gottheit. S.94f >>Fortsetzung
Aus: Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, Herausgegeben von Gerhard Wehr insel taschenbuch it 1411

Von der Menschwerdung Christi
Von der Geburt Jesu Christi , Die allerliebreichste Pforte , Von der reinen Jungfrauschaft .

Das 10. Kapitel
Von der Geburt Jesu Christi, des Sohns Gottes, und wie er neun Monat sei im Mutterleibe verschlossen gelegen, und wie seine Menschwerdung sei
Viel Disputieren hat man getrieben um die Menschwerdung Jesu Christi, aber fast blind, und daraus mancherlei Meinungen gemacht, die Menschen also mit Meinungen umzutreiben und die rechte Menschwerdung lassen liegen, daran unser ewig Heil lieget. Dessen allen war Ursach, daß man das in äußerlichem Witz und Kunst hat gesuchet und nicht am rechten Ziel. Wäre man in die Menschwerdung eingegangen und aus Gott geboren worden, es hätte keines Disputierens bedurft, denn der Geist Gottes eröffnet einem jeden die Menschwerdung wohl in ihm selber, und ohne denselben ist kein Finden. Denn wie wollen wir das in dieser Welt Vernunft finden, das nicht in dieser Welt ist? Wir finden in der äußern Vernunft kaum einen Glast davon, aber in Gottes Geist ist das rechte Finden.

2. Die Menschwerdung Christi ist ein solch Mysterium, davon die äußere Vernunft nichts weiß, denn sie ist in allen dreien Prinzipien geschehen, und mag nicht ergründet werden, man kenne denn den ersten Menschen in seiner Schöpfung vorm Fall gründlich. Denn Adam sollte den andern Menschen mit dem Charakter der Hl. Dreifaltigkeit aus sich gebären, in dem der Name Jesus eingeleibet stund, aber es konnte nicht sein. Darum mußte ein anderer Adam kommen, dem es möglich war, denn Christus ist das jungfräuliche Bild mit dem Charakter der Hl. Dreifaltigkeit. Er ist empfangen in Gottes Liebe und geboren in diese Welt. Adam hatte göttliche Wesenheit und seine Seele war aus dem ersten Principio aus des Vaters Eigenschaft. Die sollte sich mit der Imagination richten in des Vaters Herze als ins Wort und Geist der Liebe und Reinigkeit, und essen von der Liebe Wesenheit, so hätte sie Gottes Wesen im Wort des Lebens an sich behalten, und wäre mit der Kraft aus dem Herzen Gottes geschwängert worden, davon sie denn aus sich selber in ihrer Wesenheit imaginieret und ihre Wesenheit selber geschwängert hätte, daß also wäre ein ganzes Gleichnis nach dem ersten Bild [Urbild] durch Imagination und der Seelen Willen Einergeben entstanden und in der Kraft der Wesenheit empfangen worden.

3. Weil aber dieses in Adam nicht sein konnte wegen der Irdigkeit, die ihm anhing, so geschah es im andern Adam Christo. Der ward auf eine solche Art durch Gottes Imagination und Eingebung in des ersten Adams Bildnis empfangen.

4. Und ist uns erkenntlich, daß weil der erste Adam seine Imagination hat in die Irdigkeit gesetzet und irdisch worden, auch solches wider Gottes Vorsatz bestehen mußte. Denn allhier setzte Gott seinen Vorsatz in Adams Kind und führte seine Imagination in das verderbte Bildnis und schwängerte dasselbe mit seiner göttlichen Kraft und Wesenheit und wendete um der Seelen willen aus der Irdigkeit in Gott, daß Maria eines solchen Kindes schwanger ward, als Adam sollte schwanger werden, welches die eigene Vermögenheit nicht tun konnte, sondern sank nieder in den Schlaf als in die Magiam, da dann das Weib aus Adam gemachet ward, welches nicht sollte gemachet werden, sondern Adam sollte sich in Veneris Matrice selber schwängern und magisch gebären. Weils aber nicht sein mochte, ward Adam zerteilet, und ward ihm sein eigener Wille der großen Macht gebrochen und in Tod geschlossen. Weil er seine Imagination nicht wollte in Gottes Geist setzen, so musste seine große Macht im Tode stillhalten und den Geist Gottes lassen seine Imagination in sich setzen und mit ihm tun, was er wollte.

5. Darum erweckte ihm Gottes Geist aus demselben Tode das Leben, und ward desselben Lebens Geist, auf daß das Bildnis und Gleichnis nach Gott, so von Ewigkeit war in Gottes Weisheit erkannt worden, doch mochte erboren werden und bestehen. Denn sie stund vor den Zeiten der Welt von Ewigkeit im jungfräulichen Spiegel in der Weisheit Gottes, und solches in zweien Gestalten, als nach dem ersten Principio des Vaters im Feuer und im andern Principio des Sohns im Lichte, und war doch nur im Lichte offenbar und im Feuer gleich als in einer Magia als in einer Möglichkeit. Gleichwie der gestirnte Himmel eine Figur dem Menschen im Schlafe ins Gemüt modelt nach seiner Vermögenheit, also ist auch das Bildnis im Centro des Feuers Natur erschienen ganz unsichtbar, aber in der Weisheit im Spiegel der Gottheit ist sie als ein Bilde gleich einem Schatten, aber ohne materialisch Wesen erschienen. Und ist doch in der Essenz des Geistes gewesen, welcher, so er sich im Spiegel der Weisheit erblicket, dieses Bildnis erkannt und gesehen hat und einst seinen Willen dareingesetzt, sie in Wesenheit zu bringen, auf daß Gott ein Bild oder Gleichnis im Wesen habe, da er sich nicht mehr dürfte [brauchte] als im Spiegel schauen, sondern im Wesen empfinden. Und darum, so das erste Bild in die strenge Macht imaginierte und darüber irdisch und tot ward, führete Gottes Geist seinen Willen und Leben in den Tod und nahm aus dem Tode wieder das erste Leben in sich, auf daß das erste Leben in vollem Gehorsam vor ihm bestünde und er allein sei das Wollen und auch das Tun.

6. Also ist uns erkenntlich, daß Gott sei in das halbtote Bildnis eingangen, verstehe: in Maria, und eben in dieselbe jungfräuliche Gestalt, welche im Tode verschlossen lag, darin Adam sollte schwanger werden und ein Bild nach ihm in jungfräulicher Zucht gebären. In derselben eingeschlossenen und halbertöteten jungfräulichen Matrice ist Gottes Wort oder Herz als das Centrum der Hl. Dreifaltigkeit ein Menschenbild worden, ohne Verletzung seines Wesens. Und weil die erste lebendige jungfräuliche Matrix in Adam nicht wollte Gott gehorsam sein, so ward sie ihm jetzt, als sie wieder aus dem Tode erwecket ward, gehorsam und ergab sich ganz demütig und willig in Gottes Willen. Also ward jetzt wieder das rechte jungfräuliche Bild im Gehorsam Gottes figurieret, denn der erste Wille mußte im Tode bleiben, der wider Gottes Willen imaginierte; und ward ein reiner, gehorsamer Wille erwecket, der in der himmlischen Sanftmut und Wesen blieb, der nicht mehr das Bildnis im Feuer, in des Vaters Teil, in ihm ließ aufquellen, sondern blieb in einer Qual, als dann die Gottheit nur in einer Qual ihr Leben führet, als im Lichte, im Hl. Geiste, und führet aber doch ihre Herrschaft über alle drei Principia.

7. Also ist uns auch von der Menschwerdung Christi zu verstehen. Als Gottes Geist das jungfräuliche Leben in Maria wieder erweckete, welches in der irdischen Essenz im Tode und Grimme lag eingeschlossen, so wendete sich dasselbe Leben nunmehr nur in einen Willen als in Gottes Liebe und ergab sich dem Geiste Gottes. Also ward dasselbe Leben eines rechten jungfräulichen Bildes schwanger, welches bei Adam sein sollte, aber nicht geschah, denn eine Imagination empfing die andere, Gottes Imagination empfing die Imagination im Tode und brachte sie wieder zum Leben; und dasselbe Leben imaginierte wieder in Gott und ward Gottes schwanger und ward aus der Gottheit und Menschheit eine Person. Die Gottheit hing an der himmlischen Wesenheit, die von Ewigkeit je gewesen war mit Reich, Kraft und Herrlichkeit als das Reich des Paradeises und die englische Welt als der Geist und die siebente Gestalt am Centro naturae, wie im dritten Teil »Vom dreifachen Leben« mit allen Umständen [ausführlich] gemeldet worden. Und die Menschheit hing an dem Reich dieser Welt. Weil sich aber der Wille der Menschheit in die Gottheit ergab, so ward dieses jungfräuliche Bild in Christo Jesu nur ein Gast in dieser Welt, und seine Gottheit war ein Herr über diese Welt. Denn also sollte das in Adam auch sein, daß das Kleinere und Ohnmächtige unter dem Größern und Allmächtigen wäre. Aber Adams Wille ging in das Kleine und Ohnmächtige; darum ward er ganz ohnmächtig und fiel wieder in Schlaf und dem Schöpfer wieder heim. Aber dies Bildnis mit Christo blieb in der göttlichen Wesenheit stehen und hing ihr die irdische Qual in Knechtsamt- und Weise an, nun nicht mehr als ein Herr wie über Adam und Maria, seine Mutter vor der hohen Benedeiung und Eröffnung der Gottheit, sondern als ein Knecht, denn dies Bildnis war nun in Gottes Geiste und Macht ein Herr über das dritte Principium dieser Welt.

8. Nun spricht die Vernunft: Wie ist es denn zugangen in dieser Menschwerdung? Ist denn das Leben alsobald mit dem Punkt der Empfängnis rege worden über den natürlichen Lauf, daß das Teil Marias als des Weibes Samen hat alsobald gelebet? Nein, denn es war ein essentialischer Same, und ward in seiner rechten natürlichen Zeit rege mit Seele und Geist wie alle Adamskinder. Aber das Teil der Gottheit, umgeben mit göttlicher Wesenheit und Weisheit, lebte von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der Gottheit ging nichts zu noch ab; was sie war, das blieb sie, und was sie nicht war, das wird sie. Sie gab sich mit himmlischer göttlicher Wesenheit in die Essenz und Wesenheit Marias, und ward Marien Essenz und Gottes Essenz eine Person, aber Marien Essenz war tödlich [sterblich] und Gottes Essenz untödlich [unsterblich]. Darum mußten Marien Essentien am Kreuze sterben und durch den Tod ins Leben gehen. Dazu halfen Gottes Essentien, sonst wäre es nicht möglich gewesen. Also half uns Gottes Essenz und hilft uns noch immerdar durch Christi Tod in Gottes Essenz und Leben ein.

9. Also erkennen wir Christi Menschwerdung natürlich wie aller Menschenkinder. Denn die himmlische, göttliche Wesenheit hat sich mit ihrem Leben in die irdische halbertötete eingegeben. Der Herr gab sich unter den Knecht, auf daß der Knecht lebendig würde; und ist zugleich in neun Monden ein vollkommener Mensch worden und auch ein wahrer Gott blieben, und ist auch auf Art und Weise aller Adamskinder zu dieser Welt geboren worden durch denselben Gang wie alle Menschen. Und das darum, nicht daß ers [Christus] bedürfte; er hätte können magisch geboren werden, aber er wollte und sollte unsere unreine, tierische Geburt und Eingang in dieses Leben heilen. Er sollte in unserm Eingang in diese Welt eingehen und uns aus dieser Welt in Gottes Eingang einführen und aus der irdischen Qual ausführen.

10. Denn so er wäre magisch auf göttliche Art geboren worden, so wäre er nicht natürlich in dieser Welt gewesen, denn die himmlische Wesenheit hätte müssen den irdischen Qual verschlingen. Also wäre er uns nicht gleichworden, wie hätte er dann wollen den Tod leiden und in Tod eingehen und den zerbrechen? Aber also ist es nicht: Er ist wahrhaftig des Weibes Same und den natürlichen Weg wie alle Menschen in diese Welt eingegangen, und aber den göttlichen Weg in der göttlichen Macht und Wesenheit durch den Tod ausgegangen. Seine göttliche, lebendige Wesenheit ist es, die im Tode bestund, die den Tod zerbrach und spottete, und führete die verwundete halbtote Menschheit durch den Tod ins ewige Leben. Denn das irdische Teil, welches er aus seiner Mutter Maria an sich, das ist: an das göttliche Wesen annahm, das starb am Kreuz der irdischen Qual ab. Also war die Seele in Gottes Wesenheit und fuhr als ein Siegesfürst dem Teufel in seine Hölle, das ist: in Gottes Zorn, und löschete den mit Gottes Liebe und Sanftmut der göttlichen Liebe Wesenheit. Denn es kam das Liebe-Feuer in des Zorns Feuer und ersäufte den Zorn, darin der Teufel wollte Gott sein. Also ward der Teufel mit der Finsternis gefangen genommen und verlor seine Herrschaft, denn der Stachel und das Schwert Cherubs, des Würgeengels, ward allhier zerbrochen. Und das war die Ursache, daß Gott Mensch ward, daß er uns aus dem Tode ins ewige Leben einführete und den Zorn, der in uns brannte, mit seiner Liebe löschete.

11. Denn ihr sollt uns recht verstehen, wie Gottes Zorn sei gelöschet worden: nicht mit dem tödlichen Blute Christi, das er vergoß, darüber die Juden seiner spotteten, sondern mit dem Blute des ewigen Lebens aus Gottes Wesen, welches unsterblich war, das da hatte den Brunnquell des Wassers des ewigen Lebens. Das ward am Kreuz mit unter dem äußerlichen Blute vergossen. Und da das äußere in Tod fiel, da fiel das himmlische mit, aber es war unsterblich.

12. Also hat die Erde Christi Blut empfangen, davon sie erzitterte und erbebete, denn der Grimm Gottes war jetzt in ihr überwunden, und kam das lebendige Blut in sie, welches aus Gottes Wesenheit war vom Himmel kommen. Das tat auf die Gräber der Heiligen und eröffnete den Tod und machte ein Straße durch den Tod, daß der Tod ward schaugetragen; denn als Christi Leib vom Tode aufstund, da trug er den Tod an seinem Leibe schau, denn seine Macht war zerbrochen.

Das 11. Kapitel

Von der Nutzbarkeit; was uns armen Evaskindern die Menschwerdung und Geburt Jesu Christi, des Sohnes Gottes, nütze. Die allerliebreichste Porte.
Wir armen Evaskinder waren in Adam alle erstorben. Und ob wir gleich lebeten, so lebeten wir doch nur in dieser Welt; und der Tod wartete unser und verschlang je einen nach dem andern; und war uns kein Rat, so uns nicht hätte Gott wieder aus seinem Wesen erboren, wir wären in Ewigkeit nach dem Leibe nicht wiederkommen, und unsere Seele wäre in Gottes Zorn-Qual bei allen Teufeln ewig blieben. Aber die Menschwerdung Jesu Christi ist uns ein kräftig Wesen worden, denn um unsretwillen ist Gott Mensch worden, auf das er unsere Menschheit wieder aus dem Tode in sich brächte und unsere Seelen aus dem Feuer des Zorns Gottes erlösete. Denn die Seele ist in sich selber ein Feuerquall und hält in sich selber inne das erste Principium, die herbe Strengigkeit, welche in sich selber nur zum Feuer arbeitet. So aber dieser Seelengeburt die Sanftmut und Liebe Gottes entzogen wird, oder aber: so sie mit ganz strenger Materia infizieret wird, so bleibet sie eine Qual in der Finsternis, eine ganz strenge Rauhigkeit, sich selber fressend und doch auch im Willen immer wieder Hunger gebärend. Denn ein Ding, das keinen Anfang noch Grund hat, das hat auch kein Ende, sondern es ist selber sein Grund, es gebieret sich selber.

2. Und wir doch auch nicht sagen wollen, daß Seele keinen Anfang habe. Sie hat Anfang, aber nur nach der Kreatur, nicht nach der Essenz. Ihre Essenz ist von Ewigkeit, denn das göttliche Fiat hat sie im Centro der ewigen Natur gefasset und in ein substantialisch Wesen gebracht, dazu mit dem ganzen t (Kreuz) mit dem Charakter der Hl. Dreifaltigkeit als ein Gleichnis des dreifachen Geistes der Gottheit in der Gottheit wohnet. Es geschehe nun in Liebe oder Zorn, das ist: im Licht oder Feuer, in welches sie imaginieret, dessen wird sie schwanger, denn sie ist ein magischer Geist, eine Qual in sich selber. Sie ist das Centrum der Ewigkeit, ein Feuer der Gottheit im Vater, jedoch nicht in der Freiheit des Vaters, sondern in der ewigen Natur. Sie ist nicht vor dem Wesen, sondern im Wesen. Aber Gottes Freiheit ist außerm Wesen, wohnet aber im Wesen. Denn im Wesen wird Gott offenbar, und wäre auch kein Gott ohne Wesen, sondern eine ewige Stille ohne Qual. Aber in der Qual wird das Feuer erboren und aus dem Feuer das Licht, da sich dann zwei Wesen scheiden und zweierlei Qual führen, als eine grimmige, hungerige, durstige im Feuer und eine sanfte, liebliche, gebende im Licht, denn das Licht gibt und das Feuer nimmt. Das Licht gibt Sanftmut, und aus Sanftmut wird Wesenheit. Die ist des Feuers Speise, sonst wäre es ein grimmiger finsterer Hunger in sich selber, als denn ein Geist ist, so er nicht Wesen des Lichts hat, gleich einem verschmachteten Gift. So er aber Wesen der Sanftmut bekommt, so zeucht er das in sich und wohnet darinne und brauchts zur Speise und auch zum Leben. Denn er infizieret sich damit und schwängert sich, denn sein Wesen ist seine Erfüllung, also daß der Hunger gestillet wird.

3. Also ist uns zu betrachten die menschliche Seele: Sie ward genommen aus dem Centro naturae, nicht aus dem Spiegel des Ewigen als aus der Qual dieser Welt, sondern aus der ewigen Essenz des Geistes Gottes aus dem ersten Principio aus des Vaters Eigenschaft nach der Natur, nicht von Wesen oder von etwas, sondern der Geist der Gottheit blies ihm das Leben, verstehe: das Bildnis in Adam, selber ein aus allen dreien Prinzipien. Er hat ihm das Centrum naturae als den Feuer-Quall zum Leben eingeblasen und auch die Sanftmut der Liebe aus dem Wesen der Gottheit als das ander Principium mit göttlicher himmlischer Wesenheit, sowohl auch den Geist dieser Welt als den Spiegel und Fürbild der Weisheit Gottes mit den Wundern.

4. Nun ist aber der Geist dieser Welt mit des Teufels Entzünden und Gift, so er dareingeschmeißt hat, verderbet, denn der Teufel wohnet in dieser Welt und ist ein steter Infizierer der äußern Natur und Eigenschaft, wiewohl nur im Grimm als im herben Begehren ist er mächtig. Aber er setzet seine Imagination mit seiner falschen Tinktur auch in die Liebe und vergiftet der Seelen ihr bestes Kleinod, und hat Adams Seele mit seiner Imagination mit seinem bösen Hunger-Geist infizieret, daß also Adams Seele nach irdischer Qual lüsterte, von welcher Lust sie mit irdischer Qual geschwängert ward, daß also das äußere Reich ins innere eingeführet ward, davon das Licht im Feuer des ersten Principii verlosch und seine göttliche Wesenheit, darin er sollte ewig leben, in irdischen Tod eingeschlossen ward.

5. Also ward diesem Bildnis und auch Seele kein Rat mehr. Es bewegte sich denn die Gottheit nach dem andern Principio als nach dem Lichte des ewigen Lebens in ihr und zündete die in Tod eingeschlossene Wesenheit wiederum mit dem Liebe-Glanz an, welches in der Menschwerdung Christi geschah; und ist dies das allergrößeste Wunder, das Gott hat gewirket, daß er sich mit dem Centro der Hl. Dreifaltigkeit hat in des Weibes Samen beweget. Denn nicht im Feuer als in des Mannes Tinktur wollte sich Gottes Herz offenbaren, sondern in des Geistes Tinktur als in Veneris, in der Liebe des Lebens, auf daß das Feuer in des Mannes Tinktur mit der Sanftmut und Liebe Gottes ergriffen würde. Denn aus dem eingeschlossenen Tode sollte und mußte das ewige Leben wieder ausgrünen. Denn allhier hat die Wurzel Jesse und rechte Aaronisrute gegründet und schöne Früchte gebracht, denn in Adam ward das Paradeis in Tod geschlossen, als er irdisch ward. Aber in Christo grünete das wieder aus dem Tode.

6. Von Adam haben wir alle den Tod geerbet. Von Christo erben wir das ewige Leben. Christus ist das jungfräuliche Bild, das Adam aus sich sollte gebären mit beiden Tinkturen. Weil er aber nicht konnte, ward er zerteilet und mußte durch zween Leiber gebären, bis der Silo kam, das ist: der Jungfrauen Sohn, welcher aus Gott und Mensch geboren ward. Er ist der Durchbrecher, von dem die Propheten redeten, der aufscheußt [aufschießt] als ein Reiß. Er grünet als ein Lorbeerbaum in Gottes Wesen. Er hat mit seiner Eingehung in die menschliche halbertötete Essenz den Tod zerbrochen, denn er grünete zugleich in menschlicher und auch in göttlicher Essenz. Er brachte uns mit in unsere Menschheit die jungfräuliche Zucht der Weisheit Gottes. Er umgab unsere Seelen-Essenz mit himmlischer Wesenheit. Er ward der Held im Streit, da die zwei Reiche miteinander im Streit lagen, als Gottes Zorn und Liebe. Er gab sich willig in Zorn und löschete den mit seiner Liebe, verstehe: in der menschlichen Essenz. Er kam aus Gott in diese Welt und nahm unsere Seele in sich ein, auf daß er uns aus der Irdigkeit dieser Welt wieder in sich in Gott einführete. Er gebar uns in sich wieder neu, daß wir in Gott zu leben wieder tüchtig wären. Aus seinem Willen gebar er uns, daß wir sollen unseren Willen in ihn setzen. So führete er uns in sich zum Vater in unser erstes Vaterland wieder ein, als ins Paradeis, daraus Adam ausging. Er ist unser Brunnquell worden. Sein Wasser quillet in uns. Er ist unser Brunn und wir seine Tropfen in ihm. Er ist die Fülle unserer Wesenheit worden, auf daß wir in ihm in Gott leben. Denn Gott ist Mensch worden. Er hat sein ungründlich und unmeßlich Wesen in die Menschheit eingeführet. Sein Wesen, das den Himmel erfüllet, hat er in der Menschheit offenbaret. Also ist das menschliche Wesen und Gottes Wesen ein Wesen worden, eine Fülle Gottes. Unser Wesen ist sein Bewegen in seinem Himmel. Wir sind seine Kinder, sein Wunder, sein Bewegen in seinem ungründlichen Leibe. Er ist Vater und wir seine Kinder in ihm. Wir wohnen in ihm und er in uns. Wir sind sein Werkzeug, damit er suchet und machet, was er will. Er ist das Feuer und auch das Licht mit allem Wesen. Er ist verborgen und das Werk machet ihn offenbar.

7. Also erkennen wir, daß Gott ein Geist ist, und sein ewiger Wille ist magisch als begehrend. Er macht aus Nichts immer Wesen, und das in zweierlei Qual als nach dem Feuer und Lichte. Aus dem Feuer wird Grimm, Aufsteigen, Hoffart, sich dem Lichte nicht wollen eineignen, sondern ein grimmiger ernsthafter Wille, nach welchem er nicht Gott heißet, sondern ein grimmig verzehrend Feuer. Dies Feuer wird auch in der bloßen Gottheit nicht offenbar, denn das Licht hat das Feuer in sich verschlungen und gibt dem Feuer seine Liebe, seine Wesenheit, sein Wasser, also daß in Gottes Wesen nur Liebe, Freude und Wonne ist und kein Feuer erkannt wird. Sondern das Feuer ist nur eine Ursache des begehrenden Willens und der Liebe, sowohl des Lichtes und der Majestät, sonst würde kein Wesen, wie solches nach der Länge in den vorgehenden Schriften ausgeführet worden ist.

8. Und ist uns jetzt erkenntlich, worinnen unsere neue Wiedergeburt stehe, dieweil wir doch nun in dieser Welt mit der irdischen Hütten [Leib] verdecket und dem irdischen Leben heimgefallen sind, als nämlich bloß in der Imagination, daß wir mit unserm Willen in Gottes Willen eingehen und uns ihm ganz eineignen und übergeben, welches Glauben heißet. Denn das Wort >Glauben< ist nicht historisch, sondern es ist ein Nehmen aus Gottes Wesen, aus Gottes Wesen essen, Gottes Wesen mit der Imagination in sein Seelenfeuer einführen, seinen Hunger damit stillen und also Gottes Wesen anziehen, nicht als ein Kleid, sondern als einen Leib der Seelen. Die Seele muß Gottes Wesen in ihrem Feuer haben, sie muß von Gottes Brot essen, will sie Kind sein.

9. Also wird sie auch in Gottes Geiste und Wesen neugeboren werden, der sie aus dem Acker des Grimmes und Zorns in den Acker der Liebe, Sanftmut und Demut Gottes eingepfropfet, und blühet mit einer neuen Blume, welche in Gottes Liebe wächset als in Gottes Acker. Dieselbe Blume ist das rechte wahre Bildnis der Gottheit, die Gott begehrete, als er Adam zu seinem Gleichnis schuf. Das hat uns nun wiedererboren Jesus Christus, Gottes und des Menschen Sohn. Denn seine Wiedergeburt aus Gottes und unserm Wesen ist unsere Wiedergeburt, seine Kraft, Leben und Geist ist alles unser, und dürfen nichts mehr dazutun, als daß wir nur bloß mit unserm Willen-Geiste durch ihn in Gottes Wesen eingehen. So wird unser Wille in Gottes Willen neugeboren und empfähet göttliche Kraft und Wesen. Nicht fremde, sondern unsere erste, mit welcher wir in Adam in Tod eingingen, die wecket uns der Erstgeborene aus den Toten wieder auf, welcher ist Christus. Er ist Gott, ist aber aus uns geboren, auf daß er uns lebendig mache aus dem Tode, nicht eines fremden Lebens, das wir allhie in dieser Welt nicht hätten gehabt, sondern unsers eigenen Lebens; denn Gottes Vorsatz soll bestehen. Die schöne Blume und Bildnis soll aus dem verderbten Acker wachsen, und nicht allein das, sondern auch aus dem reinen Acker.

10. Aus der Jungfrauen sollten wir wiedergeboren werden, und nicht aus dem Manne des Zorns, aus der Feuers-Tinktur, sondern aus der Jungfrau der Liebe aus der Lichts-Tinktur. Wir ziehen mit unserer Einergebung die Jungfrau Christi an. Wir werden hiermit die Jungfrau der Zucht, Keuschheit und Reinigkeit in Ternario Sancto in der englischen Welt, ein Spiegel der Hl. Dreifaltigkeit, in der sich Gott schauet, die er ihm hat zu seinem Gemahl genommen. Er ist unser Mann, dem wir in Christo vermählet, vertrauet und eingeleibet sind. Wir sind nun Maria im Bunde der Gnaden, aus der Gott und Mensch geboren wird. Maria war die erste in der hohen Benedeiung, denn in ihr war das Ziel, da der Bund hinweisete. Sie war in Gott in dem teuren Namen Jesu erkannt, ehe der Welt Grund geleget ward, nicht daß sie das Leben aus dem Tode brächte, sondern daß Gott wollte in ihr das Leben aus dem Tode bringen. Darum ward sie hoch gebenedeiet, und ward ihr angezogen die reine jungfräuliche Zucht. Und aus derselben Jungfrauschaft, daraus Christus geboren ward, müssen wir alle geboren werden, denn Jungfrauen müssen wir werden und dem Lamme Gottes folgen, anders sollen wir nicht Gott schauen. Denn Christus saget: Ihr müsset von neuem geboren werden, wollet ihr das Reich Gottes schauen, durch das Wasser und Hl. Geist. Das Wasser ist die Jungfrauschaft, denn die Jungfrau führet des Lichtes und Wassers Tinktur als Liebe und Sanftmut. Und der Geist, daraus wir sollen geboren werden, ist der, der mit der Bewegung der Gottheit sich in des Weibes Samen einergab, der den Tod zerbrach, der aus dem Wasser eine lichtflammende Blume ausgebieret, da er der Blumen Geist und Leben ist, nicht nach dem Feuerquall des Grimmes, sondern nach dem Quall des Lichts in der Sanftmut und Demut.

Das 12. Kapitel
Von der reinen Jungfrauschaft
Wir armen Evaskinder finden in uns keinen rechten reinen, züchtigen jungfräulichen Gedanken, denn Mutter Eva, welche eine Frau war, hat uns alle weibisch und männisch gemacht. Wir sind in Adam und Eva alle zu Mannen und Frauen worden, es sei denn, daß wir in die himmlische Jungfrauschaft mit unserm begehrenden Willen eingehen, in der uns Gott aus Christo hat wieder zu Jungfrauen geboren. Nicht nach dem irdischen Leben, in welchem keine Zucht noch Reinigkeit ist, sondern nach dem Leben der himmlischen Jungfrauen, in welcher Christus ein Mensch ward, welche der Marien mit Überschattung des Hl. Geistes angezogen ward, die ohne Grund, Ziel und Ende ist, die allenthalben vor der Gottheit stehet, und ist ein Spiegel und Ebenbild der Gottheit. In diese Jungfrau, darin die Hl. Dreifaltigkeit wohnet, darinnen wir vor den Zeiten der Welt vom Geiste Gottes erblicket und in dem Namen Jesu erkannt worden, müssen wir mit unserm Willen-Geiste eingehen. Denn unser wahres Bildnis, in dem wir Gottes Gleichnis sind, ist uns mit Adam und Eva verbli¬chen und irdisch worden, welches geschah durch Lust oder Imagination, und ward uns also Gottes klares Angesicht verdecket, denn wir verloren himmlische Zucht.

2. Weil uns aber Gott aus seiner Gunst und Liebe zu uns hat sein helles Angesicht in der Menschwerdung Christi wieder eröffnet, so liegets nur an dem, daß gleichwie wir in Adam haben in die irdische Sucht imaginieret, davon wir irdisch worden, daß wir nun unsern begehrenden Willen wieder in die himmlische Jungfrau setzen und unsere Lust dareinführen. So gehet unser Bildnis aus der irdischen Frauen aus und empfähet jungfräuliche Essenz und Eigenschaft, darin Gott wohnet, da der Seelen Bildnis mag wieder das Angesichte Gottes erreichen.

3. Die äußere Vernunft spricht: Wie mag das zugehen, daß wir mögen aus der Jungfrauen wiedergeboren werden, daraus Christus geboren ward? - Sie verstehet schlechts: Maria, - aber wir verstehen Maria nicht, welche eine kreatürliche Jungfrau ist, als wir denn auch in der unmaterialischen jungfräuliche Zucht kreatürliche Jungfrauen werden. So wir aber in die Menschwerdung Christi eingehen, nicht nach dem äußern Leben in den vier Elementen, sondern nach dem innern, in dem einen Element, da das Feuer Gottes die vier Elementa in sich verschlinget und aber in seinem Lichte als im andern Principio, indem der äußere Mann und Frau muß durch den Tod gehen in Christi Auferstehung, eine Jungfrau in einem Element, da alle vier inne verborgen liegen, in der rechten jungfräulichen Weisheit Gottes ausgrünen. Wir müssen dem Manne und der Frauen absterben und den verderbten Adam kreuzigen. Er muß mit Christo sterben und in Vaters Zorn geworfen werden. Der verschlinget den irdischen Mann und Frauen und gibt aus der Menschwerdung Christi der Seelen ein jungfräulich Bild, da der Mann und die Frau nur ein Bild ist, mit eigner Liebe. Jetzt setzet der Mann seine Liebe in die Frau und die Frau in den Mann. So aber die beide(n) Liebe(n) in eine verwandelt werden, so ist keine Begierde zu der Vermischung mehr in dem einigen Bilde, sondern das Bild liebet sich selber.

4. So ist nun das Bild im Anfang in der jungfräulichen Weisheit Gottes erschaffen worden als aus göttlicher Wesenheit. So nun die Wesenheit irdisch worden und in Tod gefallen ist, so wecket sie das Wort, das Mensch ward, wieder auf. Also bleibet die irdische dem Tod im Zorne, und das Aufgeweckte bleibet im Worte des Lebens in der jungfräulichen Zucht. Und tragen wir allhier in dieser Welt einen zweifachen Menschen in einer Person: als ein jungfräulich Bild, geboren aus der Menschwerdung Christi, und ein irdisch Bild, männlich oder weiblich, im Tode und im Zorne Gottes beschlossen. Das irdische muß das Kreuz tragen, sich im Zorn quälen, verfolgen und schmähen lassen, wird auch endlich dem Tode gegeben, alsdann verschlingets der Zorn im qualitätischen Feuer Gottes. Und so alsdann das Wort des Lebens, welches in Maria Mensch ward, mit in dem irdischen Bild ist, so stehet Christus, der das Wort des Lebens brachte, aus Gott, aus dem Tode auf und führet die Essenz des qualitätischen Feuers, verstehe: die menschliche Essenz, aus dem Tode aus, denn er ist aus dem Tode auferstanden und lebet in Gott. Und sein Leben ist unser Leben worden, und sein Tod unser Tod. Wir werden in seinem Tode begraben, grünen aber in seiner Auferstehung und Überwindung in einem Leben aus.

5. Vernehmet doch nur den Sinn recht: Adam war das jungfräuliche Bild. Er hatte die eigene Liebe, denn der Geist Gottes hatte ihm die eingeblasen. Denn was kann Gottes Geist anders aus sich blasen als er selber ist? Nun ist er aber alles und wird doch nicht aller Quall Gott genannt, sondern in allem Quallen ist nur ein einiger Geist, der Gott ist als nach dem andern Principio im Lichte, und ist doch kein Licht ohne Feuer. Er ist aber im Feuer nicht der Liebe-Geist oder der Hl. Geist, sondern der Grimm der Natur und eine Ursache des Hl. Geistes, ein Zorn und verzehrend Feuer. Denn im Feuer wird der Geist der Natur frei und das essentialische Feuer gibt doch auch die Natur und ist selber die Natur.

6. Nun verstehen wir doch nur einen Hl. Geist im Licht. Obs wohl alles ein Wesen ist, verstehen wir doch, daß die Materia, welche aus der Sanftmut des Lichts erboren wird, gleich als ohnmächtig und dunkel ist, welche das Feuer in sich zeucht und verschlinget, gibt aber aus der materialischen Qual, aus dem Feuer einen mächtigen Geist, der da frei ist von der Materia und auch vom Feuer. Wiewohl ihn das Feuer hält, so ergreifts doch nicht seine Qual, als wir dies sehen, daß das Licht im Feuer wohnet, und hat doch nicht des Feuers Quall, sondern einen sanften Liebe-Quall, welches auch nicht wäre, so die Materia nicht wäre im Feuer gestorben und verzehret worden.

7. Also betrachten wir den ersten Adam: Er war aus der Licht-Essenz und Wesenheit erdacht. Dieweil er aber in ein Geschöpfe gehen sollte und sollte ein ganz Gleichnis Gottes nach allem Wesen, nach allen dreien Prinzipien sein, so ward er auch mit dem Verbo Fiat [Es werde!] in allem Wesen aller dreien Prinzipien ergriffen und in ein Geschöpf gebracht. Nun waren zwar alle drei Principia in ihm frei und stunden ineinander, ein jedes in seiner Ordnung, und war ein recht ganz Gleichnis Gottes nach und aus dem Wesen aller Wesen. Aber uns ist dies zu erkennen, wie das dritte Principium als die Qual dieser Welt sei in der Entzündung Luzifers ganz grimmig, durstig und bös worden, und habe die Qual alsobald in Adam nach dem andern Principio als nach der himmlischen Materia gedürstet, davon die Sucht in Adam entstanden. Denn die Qual der reinen Liebe aus dem HI. Geiste hatte das verweigert. So aber die Liebe in die irdische Qual einging, sie zu ersättigen in ihrem entzündeten Durste, so empfing die reine unmaterialische Liebe die begehrende, irdische, verderbte Sucht. Jetzt verlosch das ander Principium, nicht als ein Tod, daß es wäre als ein Nichts worden, sondern es ward im Grimmen-Durste gefangen. Und so dann Gott ein Licht ist, so stund die reine Liebe-Qual also im Tode außer dem Lichte Gottes eingeschlossen. Jetzt war das Bildnis verderbet und im Grimm Gottes gefangen, und verlor die eigene Liebe ihre Macht, denn sie ward in die verderbte Irdigkeit eingeschlossen und liebte die Irdigkeit.

8. Also mußte aus diesem Bildnis ein Weib gemacht werden und die zwei Tinkturen, als des Feuers Essenz und der Matricis wässerige Essenz geschieden werden, als in einen Mann und Frau, daß doch die Liebe also in zweierlei Qual rege wäre und also eine Tinktur die andere liebete und begehrete und sich vermischten, davon dies Geschlechte fortgebauet und erhalten würde.

9. Nun konnte aber dies Geschlechte der Menschen also in irdischer Qual nicht Gott erkennen oder schauen, denn die reine Liebe ohne Makel war in die irdische durstige Qual eingeschlossen, und war im Durste des Grimmes der ewigen Natur, welche Luzifer entzündet hatte, gefangen. Denn der Grimm hatte die Liebe mit der Irdigkeit in sich gezogen. So stund nun in derselben gefangenen Liebe die jungfräuliche Zucht der Weisheit Gottes, welche dem Adam mit dem andern Principio mit der himmlischen Wesenheit ward mit zu seinem Leibe incorporieret und vielmehr derselben sanften Wesenheit Geist mit dem Einblasen des Hl. Geistes, welcher dem Adam ward eingeblasen.

10. Jetzt war nun kein Rat, es erregte sich denn die Gottheit in der göttlichen Jungfrau nach dem andern Principio in der im Tod eingeschlossenen Jungfrauschaft und wurde ein anderes Bildnis aus dem ersten. Und ist uns erkenntlich und genug verständlich, daß das erste Bildnis mußte dem Grimm gegeben werden, damit er seinen Durst löschete; und mußte in die Verwesung gehen als in das essentialische Feuer, da doch die Essenz nicht verweset oder abstirbet, um welches willen Gott einen Tag bestimmt hat, da er die Essenz des alten und ersten Adam will durchs Feuer führen, da sie soll der Eitelkeit los werden als der Sucht des Teufels und Zorns der ewigen Natur.

11. Und verstehen weiter, wie Gott habe das Leben seines heiligen Wesens wieder in uns gebracht, indem er sich mit seinem eigenen Herzen oder Worte und Kraft des göttlichen Lebens in der in Tod eingeschlossenen Jungfrauschaft beweget als in der reinen Liebe, und dieselbe wieder entzündet und seine himmlische Wesenheit mit der reinen Jungfrauschaft in die in Tod eingeschlossene Jungfrauschaft eingeführet, und hat aus der himmlischen und aus der in Tod und Zorn eingeschlossenen Jungfrauschaft ein neues Bildnis erboren.

12. Und dann zum dritten verstehen wir, daß dieses neue Bildnis hat müssen durch den Tod und Grimm des Feuers wieder in die himmlische, göttliche Wesenheit in Ternarium Sanctum eingeführet werden. Denn die irdische Sucht, welche der Teufel hatte besessen, mußte im Zornfeuer bleiben und ward dem Teufel zur Speise gegeben. Da soll er ein Fürst inne sein nach dem Grimmen-Quall der ewigen Natur, denn der Teufel ist des Grimmes Speise, und der Grimm ist des Teufels Speise.

13. Dieweil sich dann das Wort des ewigen Lebens hat wieder in unsere in Tod eingeschlossenen kalten Liebe und Jungfrauschaft beweget und an sich genommen unsere verderbte Jungfrauschaft, und ist ein innerlicher und äußerlicher Mensch worden, und hat das Centrum als unser Seelenfeuer in seine Liebe eingeführet, so erkennen wir seine in uns eingeführte Liebe und Jungfrauschaft für unsere eigene Jungfrauschaft. Denn seine Liebe und Jungfrauschaft hat sich mit unserer kalten Liebe und Jungfrauschaft vermählet und dareinergeben, daß Gott und Mensch soll ewig eine Person sein.

14. Nun spricht die Vernunft: Das ist in Maria als nur in einer Person geschehen, wo bleibe aber ich? Christus ist nicht auch in mir geboren worden.

15. Ach, unser großes Elende und Blindheit, daß wir nicht verstehen wollen! Wie gar hat uns doch die irdische begreifliche Sucht geblendet und der Teufel durch und mit dem greulichen Antichrist in Babel verführet, daß wir gar keine Sinnen wollen haben? Siehe doch, du elende und jämmerliche Vernunft, was du bist, anders nichts als ein hurisch Weib an Gott. Wie soll ich dich anders nennen, da du doch der reinen Jungfrauschaft an Gott brüchig und meineidig bist. Hast du nicht Adams Fleisch, Seele und Geist, und bist aus Adam herkommen? Bist du nicht aus Adams Wasser und Feuer entsprungen? Du bist ja Adams Kind, machs wie du willst, du musst stillehalten. Du schwimmest in Adams Mysterio, beides: im Leben und im Tode.

16. So ist ja das Wort Gottes in Adams in Tod eingeschlossener Jungfrauschaft Mensch worden. Es hat sich das Herze Gottes in Adams Jungfrauschaft erreget und (hat) die aus dem Tode durch Gottes Feuer in die göttliche Qual eingeführet. Christus ist Adam worden, aber nicht der zerteilete, sondern der jungfräuliche Adam, der Adam vor seinem Schlafe war. Er hat den verderbten Adam in Tod, in Gottes Feuer eingeführet und hat den reinen jungfräulichen aus dem Tode durch Feuer ausgeführet, dessen Sohn du bist. So du aber nicht im Tode bleibest liegen, als ein faul Holz, das nicht qualifizieren kann, welches im Feuer keine Essenz gibt, sondern wird eine finstere Asche.

17. Nun spricht die Vernunft: Wie kommts denn, weil ich Christi Glied und Gottes Kind bin, daß ich ihn nicht fühle noch empfinde? - Antwort: Ja, allhie stecket es, liebes besudeltes Hölzlein; riech in deinem Busen, wonach stinkest du, nach teuflischer Sucht als nach zeitlicher Wollust, nach Geiz, Ehren und Macht. Höre, das ist des Teufels Kleid. Zieh diesen Pelz aus und wirf ihn weg. Setze deine Begierde in Christi Leben, Geist, Fleisch und Blut, imaginiere darein, als du hast in die irdische Sucht imaginieret, so wirst du Christus in deinem Leibe, in deinem Fleisch und Blut anziehen. Du wirst Christus werden; seine Menschwerdung wird sich zuhand in dir erregen, und wirst in Christo neugeboren werden.

18. Denn die Gottheit oder das Wort, das sich in Maria erregete und Mensch ward, das ward auch zugleich in allen verstorbenen Menschen von Adam her, welche ihren Geist hatten in Gott oder in den verheißenen Messias einergeben und befohlen, Mensch; und ging auch auf alle diejenigen, die noch sollten aus dem verderbten Adam geboren werden, die sich nur dasselbe Wort würden lassen aufwecken, denn der erste Mensch begreift auch den letzten. Adam ist der Stamm, wir sind alle seine Äste. Christus ist aber unser Saft, Kraft und Leben worden. So nun ein Ast am Baume verdorret, was mag das der Saft und die Kraft des Baumes? Gibt sich doch die Kraft allen Ästen, warum zeucht nicht der Ast den Saft und Kraft in sich? Es fehlet an dem, daß der Mensch teuflische Kraft und Essenz anstatt der göttlichen Essenz in sich zeucht, und läßt sich den Teufel verführen in irdischer Sucht und Lust. Denn der Teufel kennet den Zweig, der ihm in seinem gewesenen Lande gewachsen ist und noch wächset. Darum, wie er am Anfang ein Lügner und Mörder ist gewesen, also ist er noch und infizieret die Menschen, dieweil er weiß, daß sie dem äußern Regiment der Sternen sind in seine magische Sucht gefallen. So ist er ein steter Vergifter der Complexion [angeborenen Charaktereigenschaften]. Und wo er ein Fünklein riecht, das ihm dienet, das stellet er dem Menschen immer für. Imaginieret der Mensch nur drein, er wird ihn bald infizieren.

19. Darum heißet es: Wachet, betet, seid nüchtern, führet ein mäßiges Leben, denn der Teufel, euer Widersacher gehet herum als ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge, I. Petr. 5,8. - Trachtet nicht also nach Geiz, Geld, Gut, Macht und Ehre, denn wir sind in Christo nicht von dieser Welt. Denn darum ging Christus zum Vater als in das göttliche Wesen ein, daß wir ihm sollen mit unsern Herzen, Sinnen und Willen nachfolgen. So wolle er alle Tage bis an der Welt Ende bei uns sein (Matth. 28,20), - aber nicht in dieser Welt Qual. Wir sollen aus dieser Welt Qual aus dem irdischen Menschen ausdringen und unseren Willen in sei¬nen Willen ergeben und unsere Imagination und Lust in ihn einführen, so werden wir in seiner Jungfrauschaft, die er in uns wieder erreget, schwanger, und empfahen das Wort, das sich in ihm rege macht, in unsere in Tod eingeschlossene Jungfrauschaft, und werden in Christo in uns selber neugeboren. Denn wie der Tod durch Adam auf uns alle drang, also dringet das Wort des Lebens aus Christo auf uns alle. Denn die Bewegung der Gottheit in der Menschwerdung Christi ist beweglich blieben und steht allen Menschen offen. Es fehlet nur am Eingehen, daß sich der Mensch läßt den Teufel halten. Christus darf nicht erst von seiner Stätte weichen und in uns einfahren, wenn wir in ihm neugeboren werden, denn das göttliche Wesen, darin er geboren war, hält an allen Orten und Enden innen das andere Principium. Wo man sagen kann, da ist Gott gegenwärtig, da kann man auch sagen: allda ist die Menschwerdung Christi auch gegenwärtig, denn sie ist in Maria eröffnet worden und inqualieret also hinter sich zurück bis in Adam und vor sich bis in den letzten Menschen.

20. Nun spricht die Vernunft: Der Glaube erreichet sie allein. - Ja, recht; in dem rechten Glauben gehet die Schwängerung an, denn der Glaube ist Geist und begehret Wesen, und das Wesen ist ohne das in allen Menschen. Und fehlet nur daran, daß es der Glaubensgeist ergreife. Und so es ergriffen wird, so blühet und wächset die schöne Lilien aus, nicht allein ein Geist, sondern das jungfräuliche Bild wird aus dem Tode ins Leben geboren. Die Rute Aaronis, welche dürre ist, grü¬net aus dem dürren Tode aus und nimmt aus dem Tode seinen Leib, aus der halberstorbenen Jungfrauschaft das schöne neue jungfräuliche Leben. Und die dürre Rute Aaronis hat dies angedeutet sowohl der alte Zacharias, auch Abraham mit seiner alten Sara, welche nach der äußeren Welt alle gleich als erstorben waren und nicht mehr fruchtbar. Aber die Verheißung in der neuen Wiedergeburt sollte es tun. Das Leben sollte aus dem Tode grünen. Nicht der alte Adam, der irdisch war, soll Herr sein, auch nicht Esau der erstgeborene, dem zwar das Erbe gehöret hätte, so Adam blieben wäre, sondern der andere Adam: Christus, der aus dem ersten durch den Tod ausgrünet, soll Herr bleiben. Nicht der Mann oder das Weib soll Gottes Reich besitzen, sondern die Jungfrau, die aus des Mannes und Weibes Tode ausgeboren wird, soll Königin der Himmel sein. Ein Geschlecht, nicht zwei, ein Baum, nicht viele! Christus war der Stamm, weil er die Wurzel des neuen Leibes war, der aus dem Tode grünete, der die verstorbene Jungfrau wieder als einen schönen Zweig aus dem Tode ausführete. Und wir alle sind die Äste und stehen alle auf einem Stamme, der ist Christus.

21. Also sind wir Christi Äste, seine Zweige, seine Kinder, und Gott ist unser aller, auch Christi Vater. In ihm leben und weben und sind wir. Wir tragen Christi Fleisch und Blut an uns, so wir aber zur neuen Wiedergeburt kommen, denn in Christi Geist werden wir wiedergeboren. Der in Maria in der verstorbenen Menschheit ein lebendiger Mensch ward ohne Berührung eines Mannes, der wird auch in uns selber, in unserer verstorbenen Jungfrauschaft ein neuer Mensch, und fehlet nunmehr nur noch an dem, daß wir den alten Adam als die Hülse in Tod werfen, daß des irdischen Lebens Qual von uns gehe und wir also dem Teufel aus seinem Lande ausgehen.

22. Nicht allein dieses, denn der alte Adam muß nicht so ganz und gar weggeworfen werden, sondern nur die Hülse als die Schale, darin der Same verborgen liegt. Aus der alten Essenz muß der neue Mensch in Gottes Bewegung ausgrünen als ein Halm aus dem Korne, wie uns Christus lehret. Darum muß die Essenz in Gottes Zorn eingeworfen werden, inne verfolget, geplaget, verspottet werden und dem Kreuz unterliegen. Denn aus Gottes Zornfeuer muß der neue Mensch ausgrünen. Er muß im Feuer bewähret werden. Wir waren des Zorns Essenz heimgefallen, aber die Liebe Gottes stellete sich in Zorn und löschete den Zorn mit der Liebe im Blut der himmlischen Wesenheit im Tode Christi. Also behielt der Zorn die Hülse als den verderbten Menschen, verstehe: die irdische Qual, und die Liebe behielt den neuen Menschen. Darum soll kein Mensch mehr himmlisch Blut vergießen, sondern nur das irdische, tödliche. Denn Christus, der ohne Mann und Weib empfangen ward, der konnte das alleine tun, denn in seiner himmlischen Wesenheit war kein irdisch Blut. Er vergoß aber sein himmlisch Blut unter das irdische, daß er uns arme irdische Menschen vom Grimm erlösete. Denn sein himmlisch Blut mußte sich in seinem Blutvergießen mit dem irdischen mengen, auf daß die Turba [Verwirrung] in der Irdigkeit in uns, welche uns gefangen hält, ersäufet und der Zorn mit der Liebe des himmlischen Bluts gelöschet würde. Er gab sein Leben für uns in Tod, ging für uns in die Hölle ins Vaters Feuer-Qual und aus der Hölle wieder in Gott, auf daß er den Tod zerbräche, den Zorn ersäufte und uns eine Bahn machte. Da Christus am Kreuze hing und starb, allda hingen wir mit und in ihm am Kreuz und starben in ihm, stunden auch in ihm vom Tode auf und leben ewig in ihm als ein Glied am Leibe. Und also hat des Weibes Same der Schlangen den Kopf zertreten. Christus hats in uns und wir in Christo getan. Göttliche und menschliche Essenz hats getan.

23. Also liegts nun jetzt an dem, daß wir ihm nachfolgen. Christus hat wohl den Tod zerbrochen und den Zorn gelöschet. Aber wollen wir seinem Bild ähnlich werden, so müssen wir ihm auch in seinem Tode nachfolgen, sein Kreuz auf uns nehmen, uns lassen verfolgen, höhnen, spotten und töten. Denn die alte Hülse gehöret dem Zorne Gottes. Sie muß gefeget werden, weil nicht der alte Mensch soll in uns leben, sondern der neue. Der alte wird dem Zorn dargegeben, denn aus dem Zorn blühet der neue aus, gleichwie das Licht aus dem Feuer scheinet. Der alte Adam muß also das Holz zum Feuer sein, auf daß der neue im Lichte des Feuers ausgrüne, denn im Feuer muß er bestehen. Nichts ist ewig, das nicht im Feuer bestehen kann und das nicht aus dem Feuer urständet.

24. Unsere Seele ist aus Gottes Feuer und der Leib aus des Lichtes Feuer, doch verstehe allezeit mit dem Leibe eine stumme Wesenheit, welche nicht Geist, sondern ein essentialisch Feuer ist. Der Geist ist viel höher, denn sein Urstand ist Feuer des Grimmes, der grimmen Qual, und sein recht Leben oder Leib, den er in sich hat, ist das Licht der Sanftmut. Das wohnet im Feuer und gibt dem Feuer seine sanfte Nahrung oder Liebe, sonnten bestünde das Feuer nicht, es will zu zehren haben. Denn Gott der Vater spricht auch: Ich bin ein zorniger, eifriger, grimmiger Gott, ein verzehrend Feuer, Deut. 4,24, und nennet sich doch auch einen barmherzigen lieben Gott, I. Joh. 4,8 nach seinem Lichte, nach seinem Herzen. Darum spricht er: Ich bin barmherzig; - denn im Lichte wird das Wasser des ewigen Lebens geboren, welches das Feuer und den Grimm des Vaters löschet. S.126ff.
Aus Jakob Böhme: Von der Menschwerdung Christi. Herausgegeben von Gerhard Wehr. Insel it 1411