Christoph (Friedrich) Blumhardt (1842 – 1919)

  Deutscher evangelischer Theologe, welcher der Sohn des legendären »Teufelsaustreibers«
und berühmten
Theologen Johann Christoph Blumhardt war, an dessen Seite er 10 Jahre lang in Bad Boll wirkte. Als Prediger stieß er in den christlichen Kreisen mit seinen Bußaufrufen auf kein großes Verständnis. In seinem innersten Herzensverlangen wollte Blumhardt das Reich Gottes bereits auf Erden verwirklichen. Angesichts der Auswirkungen der kapitalistisch geprägten Wirtschaftsstruktur erkannte er, dass sein hehres Vorhaben ohne eine grundlegende Neuordnung der menschlichen Verhältnisse scheitern musste. Zur Verwirklichung seiner Ziele bekannte er sich als »Jünger Jesu« zum Sozialismus und trat der sozialdemokratischen Partei bei. 1900 ließ er auf Drängen seiner Parteigenossen als Abgeordneter in den württembergischen Landtag wählen, dem er bis 1906 angehörte . . .

Siehe auch Wikipedia und Heiigenlexikon
 

Inhaltsverzeichnis

Der rettende Gott
Verlorene Schäflein
  Revolution der Liebe
Tod ist Befreiung
 

Der rettende Gott
Des Menschen Mitleid geht auf seinen Nächsten, auf alles Fleisch jedoch des Herrn Erbarmen. (Sir 48, 48)
Das ist die Frohbotschaft, daß wir auch da, wo aller Menschenrat aus ist, es wissen: es gibt eine große Erlösung, die hinreicht in die Gebundenheiten, die kein Mensch lösen kann.

Denkt immer an die Erlösung, richtet und schmäht keinen Menschen! Denkt immer an die Erlösung, denn es sind verborgene Netze der Finsternis und des Todes, die die Menschen umfangen, und diejenigen, die uns oft am schwersten und als die Unglücklichsten vorkommen, sind wohl nur die gebundensten und bedürfen am meisten der Erlösung, damit sie zur Erscheinung kommen, gerade aus dem schrecklichsten Tod heraus, zum ewigen Leben.

Das ist es, was uns bewegt, was uns auch priesterlich bewegen darf, wenn wir in die Welt hineinschauen, und was uns selbst Mut gibt, daß wir weiterpilgern können. Der Glaube an den Heiland, an die Macht des Vaters im Himmel, ist auch oft in denen klein, die sagen:

»Ich glaube an Gott, an Jesus.«


Darum findet man es auch so vielfach bei denen, die Christen heißen, daß sie keine andern Kräfte haben als andere Menschen auch. Es ist das große Bedürfnis, das die Menschen haben, daß auch eine höhere Kraft ihnen begegnet und Erlösung auch aus Menschen ihnen entgegenkommt, daß ihnen eine wahrhaftige Gottesliebe aus Menschenherzen entgegenschlägt, die die Feindschaft und den Haß vertilgt und die auch dort noch etwas zu heilen versteht, wo aller menschliche Rat aus ist. Das müssen wir erflehen und uns zu Werkzeugen Gottes machen lassen im Glauben. Wer an mich glaubt, »wird das Licht des Lebens haben« (.Joh 8,12)
. S.105
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte. Verlag Ars Sacra Josef Müller München

Verlorene Schäflein
Da murrten die Pharisäer und Schriftgelehrten: »Dieser nimmt Sünder auf und speist mit ihnen!« ( Lk 45,2)
Das ist das Evangelium, welches jedem Menschen sagt: »Du gehörst Gott!« Es ist ein furchtbarer Schnitzer in der Christenheit, den Leuten zu sagen: »Du bist ein Sünder!« Das haben wir schon vorher gewußt, das weiß jeder. Jesus hat das nicht getan. Das wird einfach vorausgesetzt, daß man das weiß — und das weiß auch jeder, und wer‘s nicht weiß, dem darf man‘s nicht ins Gesicht schleudern.

Darum kommt Jesus zu den Sündern und sagt: »Du gehörst zu Gott!« Er kommt nicht zu den Gerechten. Er sagt zu dem Mörder, Räuber, Ehebrecher: »Du gehörst zu Gott — was lässest du dich herunterdrücken? Auf! du bist ein Gottesmensch, du sollst Freude haben!« Das Evangelium kommt deswegen immer nur zu den Geringen, zu den Zerschlagenen, zu den schon Gedemütigten. Die Stolzen hören‘s gar nicht; sobald sie auch Sünder werden, hören sie‘s auch — aber dann darf man es ihnen nicht noch sagen: sie wissen es ja vorher. Und an dieses Bewußtsein knüpft Christus an, da er sagt: »Du Sünder, du gehörst zu Gott!« S.188
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte. Verlag Ars Sacra Josef Müller München


Revolution der Liebe
Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. (Mt 5,7)
Christus war göttlichen Geschlechts und war ein wirklicher Mensch, der Menschliches zu seinem Rechte zu bringen imstande war. Denn Menschliches muß zu seinem Rechte kommen, dann kommt Göttliches auch zu seinem Recht. Werdet zuerst rechte Menschen, dann kann Gott etwas mit euch machen! — Wenn das Reich Gottes uns packt, wo soll dann Gott mit uns hin?

Zunächst stehen wir in einer törichten Welt, und wir können nicht im Himmel leben, sondern drunten im Schmutz müssen wir sein. Da geht es durch alle Wehen hindurch, die andere Leute haben: weil in jedem Weh der Welt auch ein Glaubensmensch sein muß. Und wir müssen darin ausharren, bis Gott in dieses Elend Licht bringen kann. Eben weil Er mit uns drinsteckt, kann es ja nicht fehlen — schließlich kommt in allem Elend Gott zum Recht. —

Man kann im allgemeinen Verdammungssprüche machen, aber wer will es wagen, irgend einem Menschen zu sagen: »Du bist verdammt!« Nein, das geht aus keines einzigen Jüngers Jesu Mund heraus; es muß alles geliebt werden. —

Daß in den christlichen Völkern Gärungsprozesse stattfinden, ist ganz recht — aber es gärt auch aus Haß, und das ist übel. Von Gott aus will der Fortschritt aus Liebe angelegt werden, und die Menschen verstehen es aus Haß. Der [echte] Gärungsprozeß kommt mit Jesus: die Armen, die Elenden, die Gedrückten kommen durch ihn zu Ehren, sie sollen nicht mehr die Verachteten sein. Er ist die Repräsentation der Liebe Gottes und will diese Liebe Gottes allen Menschen eingießen und ihnen sagen: verachtet niemand, verachtet niemand, hebet die Niedrigen aus dem Staub, helft in der Tat eurem Gott mit, daß alles, was arm, gering, verachtet, notleidend ist, eine Hilfe sehen soll! Revolutioniert gegen die bisherigen Zustände, und macht alle Menschen bei euch zu ebenbürtigen Menschen: aus Liebe! S.323
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte. Verlag Ars Sacra Josef Müller München

Tod ist Befreiung
Wegen der Entschlafenen wollet nicht trauern wie die andern, die keine Hoffnung haben! (4 Thess 4, 43)

Wir müssen zurückkehren zur Wahrheit Christi, an das Leben im Tode glauben. Es reden zwar viele vom seligen Sterben — doch wo sterben sie eigentlich selig? Ich habe oft die Erfahrung gemacht, daß man im stillen heult, öffentlich aber vom Seligsein redet. Da muß der Heiland noch einmal kommen. Die Leute reden sich in einen Jammer hinein, daß man sie nicht mehr kennt; damit kommen sie in den Tod des Toten, und der Baum der Sünde und des Todes bekommt immer neuen Raum. Der Herr Jesus läßt diesen Tod nicht gelten — also laß deine Heulerei bleiben! Mir schneidet es oft durchs Herz, wenn ich ein christliches Begräbnis sehe: dieser Jammer, schwarz wie die Nacht kommt‘s einem entgegen! Wo ist denn da die Verbindung mit Jesus? Jesus lebt, er läßt diesen Jammer nicht stehen. Er lebt in Person und ist die Verklärung des Vaters im Himmel bei allen seinen Kreaturen. S.338
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte. Verlag Ars Sacra Josef Müller München