William Blake (1757 – 1827)
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Englischer Dichter, Maler und Kupferstecher,
der Illustrationen zu Edward Young, Robert Blair, Dante, Hiob u. a. schuf, bei denen
er eine eigene Technik der handkolorierten Kupfer- oder Zinkätzung anwandte. Verkannt und unbeachtet, dichtete und zeichnete Blake sein mystisches
Weltbild, für das erst um die Mitte des 19. Jahrhundert die Präraffaeliten um Verständnis warben. Er stellte seine Visionen und Gedanken mit hinreißender
Sprachgewalt und in kühnen Bildern dar Siehe auch Wikipedia |
Phantasie, Inspiration,
Genie
Die Welt der Einbildungskraft ist die Welt der Ewigkeit. Sie ist der göttliche
Busen, in den wir eingehen werden nach dem Tode dieses Sinnenleibes. Die Welt
der Einbildungskraft ist unendlich und ewig, während die Welt der Sinne
oder Geburt begrenzt und zeitlich ist. In dieser ewigen Welt befinden sich die
ewigen Realitäten von allem, was wir in diesem Spiegel der sinnlichen Natur
gespiegelt sehen.
Alle diese Dinge in ihren ewigen Gestalten umfaßt der göttliche Leib
des Erlösers, der ewige Wein der Ewigkeit, die menschliche Phantasie, und
er erschien mir, als käme er zum Gericht unter seinen Heiligen und verwerfe
das Zeitliche, damit das Ewige gegründet werde.
Laß ihn nur hinsehen auf gotische Figuren und gotische Gebäude und
nicht von »dunkelen Zeitaltern« oder irgendwelchen »Zeitaltern«
reden. Die Zeitalter sind alle gleich; aber das Genie ist allezeit über
seinem Zeitalter.
Die Dichtung wie sie nun auf Erden vorhanden ist (und) in den verschiedenen Überbleibseln alter Schriftsteller, Musik, wie sie in allen Liedern und
Melodien ist; Malerei und Skulptur, wie sie in den Überbleibseln der Antike
und den Werken des modernen Genius vorhanden sind — alles das ist Inspiration
und kann nicht übertroffen werden; es ist vollkommen und ewig.
Begeisterte Bewunderung ist der erste Urgrund des Wissens und sein letzter...
Wer seinen Geist prüft und nichts von Inspiration findet, sollte nicht
wagen, ein Künstler zu sein. Er ist ein Narr und ein könnender Bube,
der gut ist zu den Zwecken böser Geister. Wer nie in seinem Geist oder
Gedanken gen Himmel wanderte, ist kein Künstler.
Natur und Phantasie sind zweierlei und können nie vereint werden; auch
sollte das keiner versuchen, denn das ist Götzendienst und zerstört
die Seele.
Aus: Die Ethik der Fruchtbarkeit. Zusammengestellt
aus seinen Werken und Aufzeichnungen, übersetzt und eingeleitet von Otto
Freiherr von Taube. Jena 1907
Enthalten in: Englische Geisteswelt . Von Bacon bis Eliot . Herausgegeben von
Walter Schmiele (S.146-147)
Holle Verlag , Darmstadt