Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
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Deutscher
Komponistenfürst, der aus einer aus dem Flämischen eingewanderten
Musikerfamilie stammte. Die musikalische Genialität von
Bach und Händel bewunderte er. Durch seine Vertonung sind u. a.
auch einige Gedichte Gellerts – wie »Die Himmel
rühmen des Ewigen Ehre«, »Gott,
deine Güte reicht so weit« - unsterblich geworden. Beethoven konnte sich nichts Höheres vorstellen, als der Gottheit näher
zu kommen als andere Menschen um von »hier die Strahlen der Gottheit
unter dem Menschengeschlecht zu verbreiten«. In seinen genialen Kompositionen wusste er – wie kein anderer - die »Strahlen der Gottheit« im sterblichen Menschengeschlecht zum unsterblichen Klingen zu bringen.
Ein schweres Gehörleiden, das sich schon vor 1800 bemerkbar machte
und 1819 zu völliger Taubheit führte ließ Beethoven vereinsamen.
Dass er darunter litt, geht schon aus dem im Jahre 1802 verfassten »Heiligenstädter
Testament« hervor. Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon |
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Musik ist höhere
Offenbarung
Dem Manne muss die Musik Feuer aus dem Geist schlagen.
Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie ... Wem
meine Musik sich verständlich macht, der muss frei werden von all
dem Elend, womit sich die andern schleppen. Zu Bettina,
1810.
Höheres gibt es nichts, als der Gottheit sich mehr als andere
Menschen nähern und von hier aus die Strahlen der Gottheit unter dem Menschengeschlecht
verbreiten. An Erzherzog Rudolf.
Aus: Romain Rolland, Ludwig van Beethoven (S.131),
Max Rascher Verlag Zürich 1918
Das Heiligenstädter Testament
Für meine Brüder Karl
und (Johann) ) nach meinem Tode zu lesen und zu vollziehen.
O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch
haltet oder erkläret, wie unrecht tut ihr mir! Ihr wisst nicht die
geheime Ursache von dem, was euch scheinet. Mein Herz und mein Sinn waren von
Kindheit an für das zarte Gefühl des Wohlwollens. Selbst große
Handlungen zu verrichten, dazu war ich immer aufgelegt; aber bedenket nur, daß
seit sechs Jahren ein heilloser Zustand mich befallen, durch unvernünftige
Ärzte verschlimmert. Von Jahr zu Jahr in der Hoffnung, gebessert zu werden,
betrogen, endlich zu dem Überblick eines dauernden Übels (dessen Heilung
vielleicht Jahre dauern wird oder gar unmöglich ist), gezwungen, mit einem
feurigen, lebhaften Temperament geboren, selbst empfänglich für die
Zerstreuungen der Gesellschaft, musste ich früh mich absondern, einsam
mein Leben zubringen.
Wollte ich auch zuweilen mich einmal über alles das hinaussetzen, o wie
hart wurde ich durch die verdoppelte traurige Erfahrung meines schlechten Gehörs
dann zurückgestoßen, und doch wars mir noch
nicht möglich, den Menschen zu sagen: sprecht lauter, schreit, denn ich
bin taub. Ach, wie wäre es möglich, daß ich die Schwäche
eines Sinnes zugeben sollte, der bei mir in einem vollkommnern Grade als bei
andern sein sollte, einen Sinn, den ich einst in der größten Vollkommenheit
besaß, in einer Vollkommenheit, wie ihn wenige von meinem Fache gewiß haben, noch gehabt haben. Oh, ich kann es nicht. Drum verzeiht, wenn
ihr mich da zurückweichen sehen werdet, wo ich mich gerne unter euch mischte.
Doppelt wehe tut mir mein Unglück, indem ich dabei verkannt werden muss.
Für mich darf Erholung in menschlicher Gesellschaft, feinere Unterredungen,
wechselseitige Ergießungen nicht statthaben. Ganz allein fast, nur so
viel, als es die höchste Notwendigkeit fordert, darf ich mich in Gesellschaft
einlassen. Wie ein Verbannter muss ich leben; nahe ich mich einer Gesellschaft,
so überfällt mich eine heiße Ängstlichkeit, indem ich befürchte,
in Gefahr gesetzt zu werden, meinen Zustand merken zu lassen. — So war
es denn auch dieses halbe Jahr, das ich auf dem Lande zubrachte. Von meinem
vernünftigen Arzt aufgefordert, so viel als möglich mein Gehör
zu schonen, kam er fast meiner jetzigen natürlichen Disposition entgegen,
obschon, vom Triebe zur Gesellschaft manchmal hingerissen, ich mich dazu verleiten
ließ. Aber welche Demütigung, wenn jemand neben mir stund und von
weitem eine Flöte hörte und ich nichts hörte, oder jemand den
Hirten singen hörte und ich auch nichts hörte.
Solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung: es
fehlte wenig und ich endigte selbst mein Leben. — Nur sie, die Kunst,
sie hielt mich zurück. Ach, es dünkte mir unmöglich, die Welt
eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt
fühlte, und so fristete ich dieses elende Leben — wahrhaft elend,
einen so reizbaren Körper, daß eine etwas schnelle Veränderung
mich aus dem besten Zustande in den schlechtesten versetzen kann. —
Geduld — so heißt es, sie muss ich nun zur Führerin wählen:
ich habe es. — Dauernd, hoffe ich, soll mein Entschluss sein, auszuharren,
bis es den unerbittlichen Parzen gefällt, den Faden zu brechen. Vielleicht
gehts besser, vielleicht nicht: ich bin gefasst. —
Schon in meinem 28. Jahre gezwungen, Philosoph zu werden,
es ist nicht leicht, für den Künstler schwerer als für irgend
jemand.—
Gottheit, du siehst herab auf mein Inneres,
du kennst es; du weißt, dass Menschenliebe und Neigung zum Wohltun
drin hausen. O Menschen, wenn ihr einst dieses leset, so denkt, dass
ihr mir unrecht getan, und der Unglückliche, er tröste sich, einen
seinesgleichen zu finden, der trotz allen Hindernissen der Natur doch noch alles
getan, was in seinem Vermögen stand, um in die Reihe würdiger Künstler
und Menschen aufgenommen zu werden. —
Ihr, meine Brüder Karl und (Johann), sobald ich tot bin, und Professor
Schmidt lebt noch, so bittet ihn in meinem Namen, dass er meine Krankheit
beschreibe und dieses hier geschriebene Blatt füget ihr dieser meiner Krankheitsgeschichte
bei, damit wenigstens so viel als möglich die Welt nach meinem Tode mit
mir versöhnt werde. — Zugleich erkläre ich Euch beide hier für
die Erben des kleinen Vermögens (wenn man es so nennen kann) von mir. Teilt
es redlich und vertragt und helft Euch einander. Was Ihr mir zuwider getan,
das wißt Ihr, war Euch schon längst verziehen. Dir, Bruder Karl,
danke ich noch insbesondere für Deine in dieser letztern, spätern
Zeit mir bewiesene Anhänglichkeit. Mein Wunsch ist, dass Euch ein
besseres, sorgenloseres Leben als mir werde. Empfehlt Euren Kindern Tugend:
sie nur allein kann glücklich machen, nicht Geld; ich spreche aus Erfahrung.
Sie war es, die mich selbst im Elende gehoben; ich danke
ihr nebst meiner Kunst, dass ich durch keinen Selbstmord mein Leben endigte. — Lebt wohl und liebt Euch!
Allen Freunden danke ich, besonders Fürst Lichnowsky und Professor Schmidt.
— Die Instrumente von Fürst Lichnowsky wünsche ich, daß
sie doch mögen aufbewahrt werden bei einem von Euch; doch entstehe kein
Streit deswegen unter Euch. Sobald sie Euch aber zu was Nützlicherm dienen
können, so verkauft sie nur. Wie froh bin ich, wenn ich auch noch unter
meinem Grabe Euch nützen kann! —
So wärs geschehen. —
Mit Freuden eil ich dem Tode entgegen. —
Kommt er früher, als ich Gelegenheit gehabt habe, noch alle meine Kunstfähigkeiten
zu entfalten, so wird er mir trotz meinem harten Schicksal doch noch zu frühe
kommen, und ich würde ihn wohl später wünschen. — Doch
auch dann bin ich zufrieden: befreit er mich nicht von einem endlosen leidenden
Zustande? — Komm, wann du willst: ich gehe dir mutig entgegen. —
Lebt wohl und vergesst mich nicht ganz im Tode. Ich habe es um Euch verdient,
indem ich in meinem Leben oft an Euch gedacht, Euch glücklich zu machen;
seid es! —
Heiligenstadt, am 6. Oktober 1802.
Ludwig van Beethoven.
Aus: Romain Rolland, Ludwig van Beethoven (S.89ff.),
Max Rascher Verlag Zürich 1918