Pierre Bayle (1647 – 1706)

  Französischer Philosoph und führender Denker der Aufklärung, der im Jahre 1693 infolge seiner kritischen und skeptischen Ansichten seine Rotterdamer Professur verlor. Bayle widersetzte sich jeglicher Art von Dogmatismus und befürwortete eine absolute Glaubensfreiheit sowie eine vollständige Trennung zwischen Kirche und Staat. Mit seinem zweibändigen Hauptwerk »Dictionnaire historique et critique«, das 1697 in Deutschland erstmals veröffentlicht worden ist, wurde er zum Begründer einer quellenkritischen Geschichtsbeschreibung. In seiner »Theodizee« setzt sich Leibniz eingehend mit Bayle auseinander. Philosophische Leckerbissen sind Bayle’s kritische Anmerkungen in seinem »Dictionnaire« zum Leibnizischen »System der prästabilierten Harmonie«.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Inhaltsverzeichnis
Bayles erste Kritik des Systems der vorherbestimmten Harmonie
Bayles zweite Kritik des Systems der vorherbestimmten Harmonie

Bayles erste Kritik des Systems der vorherbestimmten Harmonie
Herr Leibniz tritt der Ansicht einiger neuem Philosophen bei, denen zufolge die Tiere im Samen organisiert sind, und glaubt überdies, daß der Stoff allein keine wahrhafte Einheit begründen könne und daß daher jedes Tier mit einer Form verbunden sei, die ein einfaches, unteilbares, wahrhaft einiges Ding ist. Außerdem nimmt er an, daß diese Form sich nie von ihrem Gegenstande trenne, woraus dann folgt, daß es genaugenommen weder Tod noch Zeugung in der Natur gibt. Von alledem nimmt er die menschliche Seele aus, er weist ihr eine besondere Stellung an usw. Diese Hypothese hebt einen Teil der Schwierigkeit. Die Widerlegung der niederschmetternden Einwürfe, die man den Scholastikern macht, ist bei dieser Hypothese nicht mehr fraglich. Die Seele der Tiere, hält man diesen entgegen, ist eine vom Körper verschiedene Substanz: sie muss also durch Schöpfung hervorgebracht und durch Zunichtemachung zerstört werden, und demnach müsste also die Wärme die Kraft haben, Seelen zu schaffen * und Seelen zu vernichten ** — kann man aber etwas Widersinnigeres behaupten?
* Junge Hühner werden zum Ausschlüpfen gebracht, indem man die Eier in einen Ofen legt und diesen allmählich anheizt. Es geschieht das in Ägypten. Bayle.
** Man vermag mehrere Tiergattungen zu töten, indem man sie in einen etwas zu stark geheizten Ofen bringt. Bayle

Die Antworten der Peripatetiker auf diesen Einwurf verdienen gar nicht angeführt zu werden noch überhaupt aus der Verborgenheit der Schulstuben, wo man sie unerfahrenen Schülern vorträgt, ans Licht zu treten: Sie sind nur geeignet, darzutun, dass jener Einwurf von diesen Philosophen nicht widerlegt werden kann. Nicht besser ziehen sich dieselben aus der Verlegenheit, wenn man sie auffordert, in der beständigen Hervorbringung einer beinahe unendlichen Anzahl von Substanzen, die, obschon sie weit edler und weit vortrefflicher sind als der niemals sein Dasein einbüßende Stoff, doch schon wenige Tage später wieder vernichtet werden, nur einen Schatten von Sinn und Verstand nachzuweisen. Die Hypothese des Herrn Leibniz wehrt alle diese Streiche ab, denn sie führt uns zu dem Glauben,

1. dass Gott bei Anbeginn der Welt die Formen aller Körper und folglich auch die Seelen der Tiere geschaffen hat, und

2. dass diese Seelen seit jener Zeit immer fortbestehen, unzertrennlich mit dem ersten organisierten Körper verbunden, in dem Gott sie untergebracht hat. Das erspart uns die Seelenwanderung, zu der man sonst notwendigerweise seiner Zuflucht nehmen müsste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Indessen sind in der Hypothese des Herrn Leibniz gewisse Dinge enthalten, deren Verständnis Mühe macht, obschon sie die Größe und Kraft seines Genies bekunden. Er will z. B., dass die Seele eines Hundes unabhängig von den Körpern tätig sei, dass bei ihr alles aus ihrem eigenen Schatze entstehe, durch eine vollkommene Selbstbestimmung von ihrer Seite und doch in vollkommener Übereinstimmung mit den Außendingen, ... daß ihre innern Vorstellungen ihr durch ihre eigene ursprüngliche Beschaffenheit, d. h. durch ihre vorstehende Natur (die fähig ist, die Außendinge in bezug auf ihre Organe darzustellen) zufließen, welche Natur ihr bei ihrer Erschaffung verliehen wurde, und die ihren individuellen Charakter ausmacht.

Daraus folgt, dass dieselbe zu einer bestimmten Stunde Hunger und Durst empfinden würde, selbst wenn es gar keinen Körper im Weltall gäbe, selbst wenn nichts existierte als Gott und sie. Er hat diesen Gedanken durch das Beispiel zweier Uhren erläutert, die in ihrem Gange völlig miteinander übereinstimmen: D. h., er nimmt an, dass die Seele nach den besondern Gesetzen, welche ihr Tätigsein bewirken, zu einer bestimmten Stunde Hunger empfinden muss, und daß der mit dieser Seele verbundene Körper nach den besondern Gesetzen, welche die Bewegung des Stoffes regeln, zur gleichen Stunde so modifiziert sein muss, wie er modifiziert ist, wenn die Seele Hunger empfindet.

Bevor ich diesem Systeme vor dem der Gelegenheitsursachen den Vorzug gebe, werde ich abwarten, bis sein gescheiter Begründer es vervollkommnet haben wird. Ich kann nämlich nicht begreifen, wie die Verknüpfung innerer, freiwilliger Handlungen es zustande bringen sollte, daß die Seele eines Hundes, unmittelbar nachdem sie Freude empfunden hat, Schmerz empfände, selbst wenn sie ganz allein im Universum wäre. Ich begreife wohl, warum ein Hund unmittelbar von der Lust zum Schmerze übergeht, sobald man dem ausgehungerten, der eben ein Stück Brot verzehrt, einen Stockstreich versetzt — da
ss aber seine Seele derart eingerichtet sei, dass er in dem Augenblicke, wo er geschlagen wird, Schmerz empfinden würde, selbst wenn man ihn nicht schlüge, selbst wenn er ohne Störung und Behinderung an seinem Brote weiterfräße, das vermag ich durchaus nicht zu begreifen.

Ich finde auch die Selbstbestimmung dieser Seele mit den Schmerzgefühlen und überhaupt allen Vorstellungen, die ihr missbehagen, sehr wenig verträglich. Übrigens scheint mir der Grund, weshalb dieser vortreffliche Philosoph nicht dem Systeme der Cartesianer beipflichtet, auf einer falschen Voraussetzung zu beruhen, denn man kann durchaus nicht behaupten, dass das System der Gelegenheitsursachen die göttliche Tätigkeit auf dem Wege des Wunders, als einen Deus ex machina, in die gegenseitige Abhängigkeit des Körpers und der Seele eingreifen lasse: denn da Gott nur den allgemeinen Gesetzen gemäß eingreift, so wirkt er hier durchaus nicht auf außergewöhnlichem Wege. Kennt die innere tätige Kraft, die nach Herrn Leibniz den Formen der Körper mitgeteilt worden ist, die Folge der Handlungen, welche sie hervorbringen, soll? Durchaus nicht. Denn wir wissen aus Erfahrung, dass wir nicht wissen, ob wir binnen einer Stunde diese oder jene Vorstellung haben werden.

Die Formen müssten also durch irgendein äußeres Prinzip bei der Hervorbringung ihrer Handlungen geleitet werden. Würde das aber nicht der Deus ex machina sein ganz wie im System der Gelegenheitsursachen? Endlich kann man, da Herr Leibniz mit vielem Rechte die Seelen für einfach und unteilbar hält, nicht begreifen, wie dieselben mit einer Uhr verglichen werden können, d. h., wie sie vermöge ihrer ursprünglichen Beschaffenheit ihre Verrichtungen auf mannigfache Art verändern können, indem sie sich der Selbsttätigkeit bedienen, die sie von ihrem Schöpfer empfangen haben. Man sieht klar und deutlich ein, daß ein einfaches Wesen immer gleichförmig handeln wird, wenn keine fremde Ursache es von seiner Bahn ablenkt. Wäre es aus mehreren Stücken zusammengesetzt wie eine Maschine, so würde es auf mannigfache Weise handeln, weil die besondere Tätigkeit jedes einzelnen Teils in jedem Augenblicke den Gang der Tätigkeit der andern Teile verändern könnte aber worin soll man bei einer einfachen Substanz die Ursache für die Veränderung der Verrichtung suchen?
S.45ff.

>> zur Leibnizischen Entgegnung
auf die in der ersten Auflage des Bayleschen Wörterbuchs enthaltenen Bemerkungen über das System der vorherbestimmten Harmonie


Bayles zweite Kritik des Systems der vorherbestimmten Harmonie
Ich beginne mit der Erklärung, dass ich mich der gegen das System des Herrn Leibniz vorgebrachten kleinen Schwierigkeiten wegen glücklich schätze, da dieselben zu Erwiderungen Anlass gaben, die mir den Gegenstand näher erläuterten und mich das Bewunderungswürdige daran besser kennen lehrten. Ich sehe jetzt dies neue System für eine wichtige Eroberung an, die die Grenzen der Philosophie erweitert. Bis jetzt hatten wir nur zwei Hypothesen, die der Scholastiker und die der Cartesianer:

die erstere war ein
Weg der Einwirkung des Körpers auf die Seele und der Seele auf den Körper,

die andere ein Weg der Beihilfe oder der gelegentlichen Kausalität.

Hier nun haben wir einen neuen Erwerb, den man mit dem
Pater Lami Weg der vorherbestimmten Harmonie nennen kann.

Wir verdanken denselben dem Herrn Leibniz, und es lässt sich nichts erdenken, was von der Einsicht und der Macht des Urhebers aller Dinge eine höhere Vorstellung gäbe. Dieser Umstand in Verbindung mit dem Vozuge, dass es jeden Gedanken an eine Leitung auf dem Wege des Wunders beseitigt, würde mich nötigen, dies neue System dem der Cartesianer vorzuziehen, wenn ich mir von der Möglichkeit des Weges der vorherbestimmten Harmonie irgendeine Vorstellung machen könnte. Dabei bitte ich zu beachten, dass ich, wenn ich zugebe, dass dieser Weg jeden Gedanken an eine Leitung auf dem Wege des Wunders ausschließt, damit keineswegs meine frühere Behauptung zurücknehme, dass das System der Gelegenheitsursachen die göttliche Tätigkeit nicht auf dem Wege des Wunders eingreifen lasse. Ich bin mehr als je überzeugt, dass ein Vorgang, damit er ein Wunder sei, von Gott als eine Ausnahme von den allgemeinen Gesetzen hervorgebracht werden muss, und dass alle die Dinge, deren unmittelbarer Urheber er jenen Gesetzen gemäß ist, von einem Wunder im eigentlichen Sinne des Wortes verschieden sind. Da ich jedoch bei diesem Streite möglichst viel Punkte beiseite zu setzen wünsche, so stimme ich bei, wenn man behauptet, das sicherste Mittel, jeden Gedanken an Wunder zu beseitigen, bilde die Annahme, dass die geschaffenen Substanzen in tätiger Weise die unmittelbaren Ursachen der natürlichen Wirkungen sind. Ich unterdrücke daher das, was ich gegen diesen Teil der Antwort des Herrn Leibniz geltend machen könnte. Ebenso enthalte ich mich aller der Einwürfe, die seiner Ansicht nicht mehr entgegen sind als der einiger anderer Philosophen. Demgemäß werde ich auch die Schwierigkeiten beiseite lassen, welche der Hypothese widerstreiten, dass das Geschöpf die Kraft der Bewegung von Gott erhalte. Dieselben sind groß und beinahe unüberwindlich, aber das System des Herrn Leibniz ist ihnen nicht mehr ausgesetzt als das der Peripatetiker, und ich bin nicht einmal sicher, ob die Cartesianer die Behauptung wagen würden, Gott vermöge nicht, unserer Seele die Kraft zu handeln mitzuteilen. Wenn sie es behaupten, wie können sie dann einräumen, daß Adam sündigte? Wagen sie es aber nicht zu behaupten, so entkräften sie die Gründe, durch welche sie beweisen wollen, dass der Stoff keiner Art von Tätigkeit fähig sei. Ebensowenig glaube ich, dass es Herrn Leibniz weniger leicht sei als den Cartesianern und andern Philosophen, sich vor dem Einwand des mechanischen Fatums, dieser Vernichtung der menschlichen Freiheit, zu schützen. Lassen wir also das beiseite und sprechen wir nur von dem, was dem Systeme der vorherbestimmten Harmonie eigentümlich ist.

I. Meine erste Bemerkung soll die sein, dass dies System die Macht und die Geschicklichkeit der göttlichen Kunst über das Begreifliche hinaus erhebt. Man stelle sich ein Schiff vor, das ohne jedes Gefühlsvermögen und Bewusstsein und ohne jede Leitung durch ein erschaffenes oder unerschaffenes Wesen die Fähigkeit besitzt, sich von selbst so angemessen zu bewegen, dass es immer guten Wind hat, daß es den Wirbeln und den Klippen ausweicht, dass es Anker wirft, wo es nötig ist, und sich genau zur rechten Zeit in einen Hafen zurückzieht; man nehme dazu noch, dass ein solches Schiff in dieser Weise eine ganze Reihe von Jahren auf dem Wasser treibt, immer so gewendet und gestellt, wie es in Rücksicht auf die Luftveränderungen und die verschiedene Lage und Gestalt der Meere nötig ist, und man wird zugeben, dass die Unendlichkeit Gottes für die Mitteilung einer solchen Fähigkeit an ein Schiff nicht zu groß ist, und sogar behaupten, die dem Schiffe eigene Natur sei gar nicht imstande, diese Fähigkeit von Gott zu empfangen. Das, was Herr Leibniz von der Maschine des menschlichen Körpers annimmt, ist aber noch weit wunderbarer und überraschender als alles dies. Wenden wir sein System der Übereinstimmung zwischen Seele und Körper hier einmal auf die Person Cäsars an.

II. Nach diesem Systeme muß man annehmen, der Körper Julius Cäsars habe seine Bewegungsfähigkeit in der Weise ausgeübt, dass er von seiner Geburt bis zu seinem Tode eine ununterbrochene Reihe von Veränderungen vornahm, die mit der größten Genauigkeit den Veränderungen einer gewissen Seele entsprachen, die er nicht kannte und die keinen Einfluss auf ihn ausübte. Ferner muss man annehmen, dass die Regel, nach der diese Fähigkeit des Cäsarschen Körpers ihre einzelnen Handlungen hervorbringen musste, derart war, dass er an einem bestimmten Tage zu einer bestimmten Stunde in den Senat gegangen sein, dass er dort bestimmte Worte ausgesprochen haben würde usw., selbst wenn es Gott gefallen hätte, die Seele Cäsars am Tage nach ihrer Schöpfung wieder zu vernichten. Endlich muss man annehmen, dass diese Bewegungsfähigkeit sich genau nach der Beweglichkeit der Gedanken dieses ehrgeizigen Kopfes veränderte und modifizierte und dass sie sich gerade in diesen statt in einen andern Zustand versetzte, weil die Seele Cäsars gerade von diesem zu jenem Gedanken überging. Vermag nun wohl eine blinde Kraft, die nie erneuert worden und sich selbst überlassen ist, einzig infolge eines ihr dreißig oder vierzig Jahre früher mitgeteilten Eindrucks sich so zu modifizieren, ohne dass sie jemals Kenntnis von ihrer Aufgabe hat? Ist das nicht weit unbegreiflicher als jene Seefahrt, von der ich oben sprach?

III. Die Schwierigkeit wird noch dadurch vergrößert, dass eine menschliche Maschine eine fast unendliche Menge von Organen enthält und beständig dem Anprall der umgebenden Körper ausgesetzt ist, die durch zahllose verschiedene Erschütterungen tausend verschiedene Modifikationen in ihr erregen.
* Man beachte, da
ss nach Herrn Leibniz das Tätige an jeder Substanz eine Sache ist, die auf eine wirkliche Einheit zurückgeführt werden muss. Da nun der Körper jedes Menschen aus mehreren Substanzen zusammengesetzt ist, so muss jede ein Prinzip der Tätigkeit besitzen, das in Wirklichkeit von dem Tätigkeitsprinzipe jeder einzelnen andern verschieden ist. Er behauptet ferner, dass die Tätigkeit jedes Prinzips eine selbstbestimmte sei. Das muss aber ihre Wirkungen ins Unendliche vermannigfachen und sie stören, denn der Anprall der umgebenden Dinge muss der natürlichen Selbstbestimmung jedes einzelnen einigen Zwang antun.

Wie ist nun zu begreifen, daß nie eine Störung bei dieser vorherbestimmten Harmonie eintritt und dass sie während des längsten Menschenlebens ihren Gang geht, trotz der zahllosen Verschiedenheiten der aufeinander einwirkenden Tätigkeit so vieler Organe, die auf allen Seiten von einer Unzahl teils warmer, teils kalter, teils feuchter, teils trockener, immer tätiger, immer auf diese oder jene Weise die Nerven reizender Körperchen umgeben sind? Ich gebe zu, daß die Vielfältigkeit der Organe und die Vielfältigkeit der äußern Kräfte ein notwendiges Werkzeug für die beinahe unendliche Mannigfaltigkeit der Veränderungen des menschlichen Körpers sind, aber wird diese Mannigfaltigkeit auch jene Genauigkeit besitzen, deren es hier bedarf? Wird sie nie die Übereinstimmung dieser Veränderungen mit denen der Seele stören? Das scheint völlig unmöglich.

IV. Vergebens steckt man sich hinter die Macht Gottes, um behaupten zu können, dass die Tiere nur Automaten seien, vergebens legt man dar, dass Gott so künstlich gearbeitete Maschinen habe herstellen können, dass die Stimme eines Menschen, das von einem Gegenstande zurückgeworfene Licht usw. sie genau so berührt, wie nötig ist, damit sie sich auf diese oder jene Weise bewegen. Mit Ausnahme eines Teils der Cartesianer verwirft alle Welt diese Annahme, und auch kein Cartesianer würde derselben beitreten, wenn man sie auch auf die Menschen ausdehnen, d. h. behaupten wollte, Gott habe Körper schaffen können, welche völlig mechanisch verrichten, was wir die Menschen verrichten sehen. Indem man dies bestreitet, will man der Macht und dem Wissen Gottes durchaus keine Schranken setzen, sondern nur andeuten, wie die Natur der Dinge es nicht zulässt, dass die dem Geschöpfe mitgeteilten Fähigkeiten nicht notwendigerweise gewisse Grenzen haben. Die Tätigkeit der Geschöpfe muß mit aller Notwendigkeit ihrem wesentlichen Zustande angemessen sein und sich gemäß der Eigentümlichkeit vollziehen, die jeder einzelnen Maschine zukommt, denn nach dem philosophischen Axiome * passt sich alles Aufgenommene der Fähigkeit des Gegenstandes an.
* Quidquid recipitur, ad modum recipientis recipitur. (Was aufgenommen wird, wird nach Weise des Aufnehmenden aufgenommen.)

Man kann daher die Hypothese des Herrn Leibniz als unmöglich verwerfen, weil sie größere Schwierigkeiten enthält als die Hypothese der Automaten: sie setzt eine beständige Harmonie zwischen zwei Substanzen voraus, die durchaus nicht aufeinander einwirken; wenn aber die Diener Automaten wären und jedesmal genau das ausführten, was ihr Gebieter ihnen befehle, so geschähe das immer noch nicht ohne eine wirkliche Einwirkung des Gebieters auf sie: er würde Worte aussprechen, Zeichen machen, die in realer Weise die Organe der Diener erschüttern würden.

V. Betrachten wir nun die Seele Cäsars: da werden wir noch mehr Unmöglichkeiten finden. Diese Seele befand sich in der Welt, ohne dem Einflusse irgendeines Geistes zugänglich zu sein. Die Kraft, welche sie von Gott empfangen hatte, war das alleinige Prinzip der einzelnen Handlungen, welche sie in jedem Augenblicke hervorbrachte, und wenn diese Handlungen voneinander verschieden waren, so rührte das durchaus nicht daher, daß etwa die einen unter Mitwirkung einiger Antriebe hervorgebracht wurden, die bei den andern nicht mitwirkten, denn die menschliche Seele ist einfach, unteilbar und unkörperlich. Herr Leibniz gibt das selbst zu, wenn er es aber nicht zugäbe, sondern im Gegenteil mit dem gemeinen Haufen der Philosophen und einigen der ausgezeichnetsten Metaphysiker unseres Jahrhunderts (wie z. B. Herr Locke) annähme, dass eine Zusammensetzung aus verschiedenen, in bestimmter Weise geordneten Stoffteilen imstande sei, zu denken, so würde ich sogleich seine Hypothese als vollkommen unmöglich ansehen, und es würden sich andere Mittel zu ihrer Widerlegung darbieten, mit denen ich jedoch hier nichts zu schaffen habe, da er die Unkörperlichkeit der menschlichen Seele anerkennt und eben darauf seine Hypothese aufbaut. Kommen wir auf die Seele Cäsars zurück: Nennen wir dieselbe einen unkörperlichen Automaten* und vergleichen wir sie mit einem Atome Epikurs, d. h. mit einem Atome, das auf allen Seiten vom leeren Raume umgeben ist und nie mit einem andern Atome zusammentrifft.
*Herr Leibniz selbst bedient sich dieses Ausdrucks. Die Seele, sagt er, ist ein höchst genau gefertigter, unkörperlicher Automat.

Dieser Vergleich ist durchaus richtig, denn einerseits besitzt das Atom eine natürliche Kraft, sich zu bewegen, und übt dieselbe, ohne durch irgend etwas unterstützt und ohne durch irgendeine Sache behindert oder gestört zu werden, und andererseits ist die Seele Cäsars ein Geist, der die Fähigkeit empfangen hat, sich Gedanken zu verleihen und dieselbe ohne Beeinflussung von seiten eines andern Geistes oder irgendeines Körpers ausübt. Nichts unterstützt sie, nichts hindert sie. Wenn man nun die Gemeinbegriffe und die Vorstellungen von der Ordnung zu Rate zieht, so wird man finden, daß jenes Atom niemals innehalten darf und dass es, wenn es sich im verflossenen Augenblicke bewegt hat, sich auch im gegenwärtigen und in allen folgenden bewegen muß und dass dabei die Art seiner Bewegung immer die nämliche sein muss. Es ist dies die Folgerung aus einem von Herrn Leibniz gutgeheißenen Axiome, dem zufolge ein Ding immer in dem Zustande verharrt, in welchem es sich einmal befindet, wenn nicht ein Umstand eintritt, der es zum Wechsel nötigt... Wir schließen, sagt er*, nicht bloß, dass ein ruhender Körper immer im Zustande der Ruhe bleiben, sondern auch dass ein sich bewegender Körper immer diese Bewegung oder diese Veränderung, d. h. dieselbe Geschwindigkeit und dieselbe Richtung, beibehalten wird, wenn kein Umstand eintritt, der ihn hindert.
* Herr Leibniz erklärt, dass er diesem Axiome beipflichte. Und ich behaupte sogar, fügt er hinzu, dass es zu meinen Gunsten spricht, wie es denn in der Tat eine meiner Hauptstützen bildet.

Jeder sieht danach klar und deutlich ein, daß jenes Atom, mag es sich nun infolge einer angestammten Kraft, wie Demokrit und Epikur behaupteten, oder infolge einer vom Schöpfer empfangenen Kraft bewegen, immer gleichförmig und gleichmäßig in derselben Richtung vorrücken wird, ohne daß es vorkommt, daß es bisweilen zur Linken oder zur Rechten von seinem Wege abgeht oder gar zurückweicht. Man machte sich über Epikur lustig, als er die abweichende Bewegung der Atome erfand: er nahm dieselbe ohne allen Grund an, um sich dadurch aus dem Labyrinthe der unvermeidlichen Notwendigkeit der Dinge herauszuwinden, vermochte aber keine Begründung für diesen neuen Teil seiner Hypothese vorzubringen. Derselbe verstieß gegen die klarsten Begriffe unseres Geistes, denn jeder sieht ein, dass ein Atom, um, nachdem es zwei Tage lang eine gerade Linie beschrieben hat, zu Anfang des dritten vom Wege abzuweichen, entweder auf ein Hindernis stoßen oder unversehens von einer Lust zu dieser Abweichung angewandelt werden oder endlich irgendeine Triebfeder enthalten muß, die in jenem Augenblicke zu wirken beginnt. Der erste dieser Gründe ist im leeren Raume undenkbar. Der zweite ist unmöglich, da ein Atom nicht die Fähigkeit besitzt, zu denken. Der dritte ist bei einem völlig und unbedingt einheitlichen Körper gleichfalls unmöglich. Machen wir von alledem etwas Gebrauch.

VI. Die Seele Cäsars ist ein Ding, dem die Einheit im strengsten Sinne des Wortes zukommt. Die Fähigkeit, sich Gedanken verleihen zu können, ist eine Eigentümlichkeit ihrer Natur (nach dem Systeme des Herrn Leibniz nämlich): sie hat dieselbe bezüglich des Besitzes wie bezüglich der Ausübung von Gott empfangen. Wenn nun der erste Gedanke, den sie sich verleiht, ein Lustgefühl ist, so ist nicht einzusehen, warum der zweite nicht ebenfalls ein Lustgefühl sein soll, denn wenn die Totalursache einer Wirkung dieselbe bleibt, so kann auch die Wirkung nicht wechseln. Nun empfängt aber diese Seele im zweiten Augenblicke ihres Daseins keine neue Fähigkeit zu denken, sie behält nur die Fähigkeit, die sie bereits im ersten Augenblicke besaß, und ist auch im zweiten Augenblicke ebenso unabhängig von der Mitwirkung jeder andern Ursache wie im ersten: sie muß also im zweiten Augenblicke denselben Gedanken hervorbringen, den sie im ersten hervorbrachte. Wenn man mir einwirft, daß sie sich in einem Zustande der Veränderung befinden soll und sich also nicht in dem Falle befinde, den ich angenommen habe, so entgegne ich, daß ihre Veränderung der des Atoms gleichen wird, denn ein Atom, das sich beständig in derselben Richtung bewegt, erlangt in jedem Augenblicke eine neue Lage, die jedoch der vorhergehenden Lage ähnlich ist. Damit also eine Seele im Zustande der Veränderung beharre, reicht es schon hin, wenn sie sich einen neuen Gedanken verleiht, der dem vorhergehenden ähnlich ist. Halten wir sie aber nicht so eng gebunden, bewilligen wir ihr die Umwandlung der Gedanken: dabei muß aber der Übergang von einem Gedanken zu einem andern wenigstens einen auf der Ähnlichkeit beruhenden Grund haben. Wenn ich nun annehme, daß die Seele Cäsars in einem bestimmten Augenblicke einen Baum sieht, der Blätter und Blüten hat, so kann ich allerdings begreifen*, dass sie sogleich einen Baum zu sehen wünscht, der nur Blätter und sodann einen andern, der nur Blüten hat, und daß sie sich auf diese Weise mehrere Bilder schaffen wird, die eins aus dem andern entstehen — die exzentrischen Übergänge von Schwarz zu Weiß, von Ja zu Nein und jene ungeordneten Sprünge von der Erde zum Himmel, die dem menschlichen Gedanken so geläufig sind, kann man sich jedoch nicht als möglich vorstellen. Man vermag nicht zu begreifen, wie Gott in die Seele Cäsars jenes Prinzip habe legen können, von dem hier die Rede ist.
* Ich sage dies nur einräumungsweise, d. h., ich will hier nicht die Gründe geltend machen, denen zufolge wir nicht begreifen können, wie ein erschaffener Geist sich selbst Vorstellungen zu verleihen vermag.

Ohne Zweifel ist es ihm mehr als einmal geschehen, daß er, während er die Brust nahm, von einer Nadel gestochen wurde. Nach der hier in Rede stehenden Hypothese müsste nun seine Seele nach den angenehmen Vorstellungen der Süßigkeit der Milch, die sie zwei oder drei Minuten gehabt hatte, sich unmittelbar von selbst zu einer Schmerzempfindung modifiziert haben. Aber durch welchen Antrieb wurde sie denn bestimmt, ihr Lustgefühl zu unterbrechen und sich unversehens ein Schmerzgefühl zu verleihen, ohne dass etwas sie benachrichtigt hatte, sich auf die Veränderung vorzubereiten, und ohne dass etwas Neues in ihrer Substanz vorgegangen war? Wenn man das Leben dieses ersten römischen Kaisers durchgeht, wird man bei jedem Schritte Stoff zu einem noch stärkern Einwurfe finden, als dieser ist.

VII. Einigermaßen begreiflich würde die Sache werden, wenn man annähme, die menschliche Seele sei nicht ein Geist, sondern vielmehr eine Legion von Geistern, von denen jeder seine Verrichtungen hat, die genauso beginnen und enden, wie die Veränderungen, die im Körper vorgehen, es erfordern. Demgemäß müsste dann gesagt werden, daß etwas, was einem großen Gerät von Rädern und Federn oder voneinander reizenden Stoffen gleicht und der Veränderlichkeit unserer Maschine gemäß angeordnet ist, die Tätigkeit jedes einzelnen von diesen Geistern für diese oder jene Zeit erweckt oder einschläfert; aber alsdann würde die menschliche Seele keine Substanz mehr, sondern ein ens per aggregationem (durch Anhäufung entstandenes Ding), ein Gefüge und ein Haufen von Substanzen sein, ganz wie die stofflichen Wesen. Wir suchen jedoch hier ein einheitliches Wesen, das bald die Freude, bald den Schmerz usw. bildet, und nicht meh¬rere Wesen, von denen eins die Hoffnung, ein anderes die Verzweiflung usw. hervorbringt.

Die vorstehenden Einwürfe bilden nur eine umfassendere Entwicklung derjenigen, welche Herr
Leibniz zu prüfen mir die Ehre erwies. Nun noch einige Bemerkungen über seine Antwort.

VIII. Er sagt: Das Gesetz für die Veränderung der Substanz des Geschöpfes führt dasselbe in dem Augenblicke, wo eine Unterbrechung der Stetigkeit in seinem Körper erfolgt, von der Freude zum Schmerz, weil es in dem Gesetze der unteilbaren Substanz dieses Geschöpf es liegt, alles vorzustellen, was in seinem Körper in der Weise vorgeht, daß wir es empfinden, ja sogar in gewisser Weise und in bezug auf diesen Körper alles vorzustellen, was in der Welt geschieht. Diese Worte geben eine sehr gute Erklärung der Grundlagen dieses Systems: sie sind sozusagen die Lösung und der Schlüssel — gleichzeitig aber bilden sie den Gesichtspunkt für die Einwürfe derjenigen, welche diese neue Hypothese unmöglich finden. Das Gesetz, von welchem darin die Rede ist, hat einen Beschluss Gottes zur Voraussetzung und zeigt, worin dies System mit dem der Gelegenheitsursachen übereinstimmt. Die beiden Systeme treffen in dem Punkte zusammen, daß es Gesetze gibt, denen zufolge die menschliche Seele sich das vorstellen muß, was im Körper des Menschen in der Weise geschieht, daß wir es empfinden. Sie weichen aber hinsichtlich der Weise der Ausführung voneinander ab. Die Cartesianer behaupten, Gott sei der Vollzieher jener Gesetze: Herr Leibniz ist der Ansicht, daß die Seele selbst sie ausführe. Eben das scheint mir unmöglich, da die Seele nicht die Werkzeuge besitzt, die sie behufs einer solchen Ausführung haben müßte. Wie unendlich aber auch das Wissen und die Macht Gottes sei, so vermag er doch nicht durch eine Maschine, der ein gewisser Bestandteil fehlt, das zu bewirken, was die Mitwirkung dieses Bestandteils erfordert. Er müßte die Stelle des mangelnden Stücks vertreten — aber in diesem Falle würde er und nicht die Maschine es sein, was die Wirkung hervorbringt. Zeigen wir nun, dass die Seele nicht die zur Ausführung des in Rede stehenden göttlichen Gesetzes erforderlichen Werkzeuge besitzt, und bedienen wir uns dabei eines Vergleichs.

Denken wir uns nach Belieben ein von Gott erschaffenes Tier, das bestimmt ist, unausgesetzt zu singen. Es wird immerfort singen, das ist unzweifelhaft, wenn aber Gott ihm eine gewisse Tabulatur bestimmt, so muß er ihm dieselbe durchaus entweder vor Augen stellen oder sie ihm ins Gedächtnis einprägen oder endlich ihm eine Muskeleinrichtung verleihen, die den Gesetzen der Mechanik gemäß bewirkt, daß ein bestimmter Ton immer genau nach der Ordnung der Tabulatur dem andern folgt. Andernfalls ist nicht zu begreifen, wie jenes Tier jemals imstande sein sollte, sich der ganzen Folge der Noten anzupassen, die Gott aufgestellt hat. Wenden wir nun einen gleichen Plan auf die menschliche Seele an. Herr Leibniz will, daß dieselbe nicht nur die Fähigkeit empfangen habe, sich unausgesetzt Gedanken zu verleihen, sondern auch das Vermögen, immer einer gewissen Ordnung von Gedanken zu folgen, die den beständigen Veränderungen der körperlichen Maschine entspricht. Diese Gedankenreihenfolge gleicht der Tabulatur für das Singtier, von dem wir oben sprachen. Müsste nun die Seele, um ihre Vorstellungen oder ihre Modifikationen jener Gedankentabulatur gemäß in jedem Augenblicke zu wechseln, nicht die Folge der Noten kennen und tatsächlich daran denken? Die Erfahrung zeigt aber, dass sie nichts davon weiß. Müsste es in Ermanglung dieser Kenntnis nicht wenigstens eine Reihe von besondern Werkzeugen in ihr geben, die jedes eine notwendige Ursache dieses oder jenes Gedankens wären. Müssten nicht diese Werkzeuge eine solche Lage haben, dass genau eines nach dem andern seine Verrichtung täte, gemäß der
vorherbestimmten Übereinstimmung zwischen den Veränderungen der körperlichen Maschine und den Gedanken der Seele? Nun ist aber sicher, daß eine unkörperliche, einfache und unteilbare Substanz nicht aus dieser zahllosen Menge besonderer Werkzeuge zusammengesetzt sein kann, die gemäß der Anordnung in besagter Tabulatur eins vor dem andern ihren Platz haben. Es ist also unmöglich, dass die menschliche Seele jenes Gesetz in Ausführung bringe.

Herr Leibniz nimmt an, dass dieselbe zwar ihre künftigen Vorstellungen nicht deutlich kenne
, aber sie doch verworren wahrnimmt, und dasses in jeder Substanz Spuren alles dessen gibt, was ihr geschehen ist und geschehen wird.*
Eben das vermag man bei einer unteilbaren, einfachen, unkörperlichen Substanz nicht zu begreifen.

Aber die unendliche Menge dieser Vorstellungen hindert uns, dieselben zu unterscheiden... Der gegenwärtige Zustand jeder Substanz ist die natürliche Folge ihres vorhergehenden Zustandes... Die Seele, so einfach sie ist, hat doch immereine gleichzeitig aus mehreren Vorstellungen zusammengesetzte Empfindung, was für unsern Zweck dieselbe Wirkung tut, als ob sie aus Stücken zusammengesetzt wäre wie eine Maschine. Denn jede vorhergehende Vorstellung hat gemäß einem Gesetze der Ordnung, das für die Vorstellungen wie für die Bewe¬gungen gilt, Einfluß auf die folgenden... Die Vorstellungen, welche sich gleichzeitig zusammen in ein und derselben Seele befinden, enthalten eine wahrhaft unendliche Menge von kleinen, ununterscheidbaren Empfindungen, welche die Folge zur Entwicklung bringen soll, und man darf sich daher nicht über die unendliche Mannigfaltigkeit dessen wundern, was mit der Zeit daraus entstehen muss. Alles das ist nur eine Folge der vorstellenden Natur der Seele, die infolge des Zusammenhangs oder der Verbindung aller Teile der Welt das, was in ihrem Körper und in gewisser Weise in allen andern Körpern vorgeht, und sogar das, was vorgehen wird, abspiegeln muß. Ich habe darauf nicht viel zu erwidern: ich sage nur, dass diese Hypothese, sobald sie gehörig entwickelt sein wird, das richtige Mittel ist, um alle Schwierigkeiten zu lösen. Herr Leibniz hat bei dem Scharfblick seines großen Geistes den ganzen Umfang und die ganze Stärke des Einwurfs erfasst und zugleich erkannt, wo die Quelle für das Mittel gegen die Hauptschwierigkeit gesucht werden muss. Ich bin überzeugt, dass er alles Bedenklichere in seinem Systeme beseitigen und uns treffliche Dinge über die Natur der Geister mitteilen wird. Niemand kann mit mehr Nutzen und größerer Sicherheit Wanderungen durch die übersinnliche Welt machen als er. Ich hoffe, dass seine trefflichen Erläuterungen die Unmöglichkeiten beseitigen werden, die sich bis jetzt meinem Geiste aufdrängen, und dass er meine Einwürfe und sogar die des Dominus Francois Lami lösen wird, und eben in dieser Hoffnung habe ich ohne Schmeichelei sagen können, daß sein System für eine wichtige Eroberung angesehen werden muss.

Darüber, dass Gott, während es nach der Annahme der Cartesianer nur ein einziges allgemeines Gesetz für die Verbindung aller Geister mit den Körpern gibt, nach seiner Ansicht jedem Geiste ein besonderes Gesetz gibt, woraus zu folgen scheint, dass die ursprüngliche Verfassung jedes Geistes spezifisch von jeder andern verschieden ist, wird er sich keine Sorgen machen.*
* Es gibt nie zwei Menschen, die, ich sage nicht: einen Monat, sondern nur zwei Minuten lang dieselben Gedanken hätten. Das Prinzip des Denkens muß also bei jedem eine besondere Natur und Regel haben.

Behaupten nicht auch die Thomisten, dass es in der Gattung der Engel ebenso viele Arten wie Individuen gäbe? S.59ff.
Aus: GottfriedWilhelm Leibniz, Kleinere philosophische Schriften. Herausgegeben und übersetzt von Robert Habs (1884), Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig

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