Charles Baudelaire (1821 – 1867)

  Französischer Dichter, Kunstkritiker und Essayist, dessen Schaffen durch Jugend- und Familienerlebnisse stark beeinflusst worden ist. Berühmt wurde er vor allem durch seinen Gedichtband »Les fleurs du mal« (»Die Blumen des Bösen«), der von der Spannung zwischen Ideal, geistiger Würde, Schönheit und Kreatürlichkeit, Verdammnis, Melancholie lebt. Baudelaire stellt die Suche nach sich selbst und dem Absoluten (»spleen«) in der Liebe, in Drogen, dem Phantastischen, dem Schönen, dem Bösen in makelloser Schönheit der Form dar. Er war ein Vorläufer des Symbolismus.

Siehe auch Wikipedia

Inhaltsverzeichnis
Abel und Kain
Gebet

Die Satans-Litaneien

Satan, der Dreimalgroße

>>>Chr
istus
Die Verleugnung des heiligen Petrus


Abel und Kain

Stämme Abels schlafen, trinken, essen;
Gottes Huld wird euer nie vergessen.

Stämme Kains, mußt kriechend euch verstecken
Und darin jämmerlich im Kot verrecken.

Stämme Abels, eurer Opfergaben
Wohlgeruch die Seraphim erlaben!

Stämme Kains, wann enden je die Strafen,
Die euch hart und grausam trafen?

Stämme Abels, euer Vieh ist trächtig,
Und die Saaten stehen prächtig;

Stämme Kains, in euren Eingeweiden
Knurrt es wie ein Hund, vom Hungerleiden.

Stämme Abels, ihr wärmt wohlgenährt
Euch den Bauch am väterlichen Herd;

Stämme Kains, ihr haust in einem Stall,
Kältezitternd, arm wie ein Schakal!

Stämme Abels, sollt euch lieben, mehren,
Selbst das Gold scheint Junge zu bescheren.

Stämme Kains, da eure Herzen brennen,
Hütet euch, in Gier euch zu verrennen.

Stämme Abels, ihr dürft wachsen, weiden ,
Wie im Wald die Wanzen, unbescheiden!

Stämme Kains, es schleppen sich und sterben.
Auf den Wegen liegend eure Erben.

Ach! ihr Stämme Abels, seht am Ende
Werdet ihr als Aas den Boden nähren!

Stämme Kains, so führet jetzt zu Ende
Dieses Werk, das wir von euch begehren;

Stämme Abels, Schande euch zu bringen:
Müßt ihr Spieße statt der Pflüge schärfen!

Stämme Kains, ihr sollt zum Himmel dringen
Und sollt Gott hinab zur Erde werfen!

Aus: Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen.
Übersetzung von Monika Fahrenbach-Wachendorff, Nachwort von Hartmut Köhler
Reclams Universalbibliothek Nr. 5076 (S.128-129)
© 1992, 1998 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages


Gebet

Lob sei und Ruhm dir, Satan, hoch am Himmelsrund,
Wo du einst herrschtest, und im tiefen Höllenschlund,
Wo du besiegt in Stille Träumen hingegeben!
Unterm Erkenntnisbaume laß mich bei dir leben
Und meine Seele ruhn, wenn sich die Zweige recken,
Die wie ein neuer Tempel deine Stirn bedecken!

Aus: Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen.
Übersetzung von Monika Fahrenbach-Wachendorff, Nachwort von Hartmut Köhler
Reclams Universalbibliothek Nr. 5076 (S.132)
© 1992, 1998 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages


Die Satans-Litaneien

Satan, der Dreimalgroße