Karl Barth (1886 –1968)
Schweizer evangelischer Theologe, der bei Adolf von Harnack, Wilhelm Herrmann und Martin Rade studiert hat. Beeinflusst von Sören Kierkegard, Franz Camille Overbeck und Friedrich Gogarten wurde Karl Barth mit Emil Brunner zum Mitbegründer und Wortführer der Dialektischen Theologie, nach der wir Gott nur durch sein Offenbarungswirken in Jesus Christus, in dem sich Gott mit dem Menschen versöhnt, erkennen und erfassen können. Die christliche Botschaft begriff er als die »Botschaft vom Humanismus Gottes«. Die »Menschlichkeit Gottes« ist für ihn »Quelle und Norm aller Menschenrechte und Menschenwürde«. Als Gegner des Nationalsozialismus und »Vater der Bekennenden Kirche«, wurde Karl Barth im Kirchenkampf 1934 seines Amtes enthoben, weil er den uneingeschränkten Treueid auf Adolf Hitler verweigerte. Karl Barth, der dem Pantheismus eine klare Absage erteilte, gilt als der bedeutendste evangelische Theologe und als »der Kirchenvater« des 20. Jahrhunderts. Siehe auch Wikipedia , Heiligenlexikon und »Bautz Kirchenlexikon« |
Inhaltsverzeichnis
Der Gott des Evangeliums | Der
allmächtige Gott Gott der Schöpfer |
Der
Gott des Evangeliums
Der Gott des Evangeliums
ist kein einsamer, sich selbst genügender und in sich selbst verschlossener,
kein »absoluter«
(zu deutsch: kein von Allem, was nicht er selbst ist, gelöster) Gott.
Er hat allerdings keinen Seinesgleichen neben sich, durch den er dann wohl begrenzt
und bedingt sein müsste. Er ist aber auch nicht der Gefangene seiner Majestät,
nicht daran gebunden, nur eben der oder das »ganz
Andere« zu sein. Der Gott Schleiermachers
kann sich nicht erbarmen. Der Gott des Evangeliums kann
und tut es. Wie er in sich selbst der Eine ist in der Einheit seines Lebens
als Vater, Sohn und Heiliger Geist, so ist er im
Verhältnis zu der von ihm verschiedenen Wirklichkeit de
jure und de facto
frei dazu, nicht neben
dem Menschen, aber auch nicht bloß über
ihm, sondern bei und mit
ihm und vor allem: für
ihn Gott zu sein: nicht nur als sein Herr, sondern auch als sein Vater, Bruder
und Freund — sein, des Menschen,
Gott und das nicht in Verminderung oder gar Preisgabe, sondern in Bestätigung
gerade seines göttlichen
Wesens.
»In der Höhe throne ich und bei den Zerschlagenen und Demütigen«
(Jes. 57, 15). Das tut er in der Geschichte
seiner Taten. Ein Gott, der dem Menschen nur eben erhaben, fern und fremd in
einer Divinität [»Göttlichkeit«]
ohne Humanität [»Menschlichkeit«]
gegenüberstünde, könnte, sollte er sich ihm dennoch
irgendwie bemerklich machen, nur der Gott eines Dysangelion
[»einer Unglücksbotschaft bringenden«]
, eines verachtenden, richtenden, tödlichen Nein sein, das der Mensch zu
scheuen hätte, vor dem er, wenn er es vermöchte, fliehen, das er,
da er ihm doch von ferne nicht zu genügen vermag, lieber nicht kennen würde.
Viel sonstige Theologie
mag es tatsächlich mit solchen nur erhabenen, über- und unmenschlichen
Göttern zu tun haben, die als solche nur Götter von allerhand Dysangelien
sein können. Gerade der deifizierte
[»vergottete«] Fortschritt — und der
fortschrittliche Mensch erst recht — scheint ein solcher Gott zu sein.
Der Gott, der der Gegenstand evangelischer Theologie ist, ist wie erhaben so
auch niedrig: erhaben gerade in seiner Niedrigkeit. Und so ist auch sein unvermeidliches
Nein eingeschlossen in sein Ja zum Menschen. So ist, was er für ihn und
mit ihm will und wirkt, ein hilfreiches, heilvolles, zurechtbringendes und darum
Frieden und Freude bringendes Werk. So ist er wirklich der Gott des Evangelions
[»der guten, frohen Botschaft«], des dem
Menschen guten, weil gnädigen Wortes. Evangelische Theologie antwortet
mit ihrer Bemühung auf dieses sein gnädiges Ja, auf Gottes Selbstkundgebung
in seiner Menschenfreundlichkeit. Sie hat es mit Gott als dem Gott des Menschen,
eben darum aber auch mit dem Menschen als dem Menschen Gottes
zu tun. Ihr ist der Mensch durchaus nicht das, was »überwunden«
werden muss, im Gegenteil: ihr ist er der von Gott zum Überwinden Bestimmte.
So reicht das Wort »Theologie« zu ihrer
Bezeichnung genau genommen nicht zu, weil es gerade diese entscheidende Dimension
ihres Gegenstandes — die freie Liebe erweckende freie Liebe Gottes, seine
nach Dankbarkeit (eucharistia) rufende
Gnade (charis) — nicht sichtbar
macht. »Theanthropologie« würde
wohl besser sagen, um wen und um was es in ihr geht — nur daß das
dann nach dem hier unter Punkt 2 Bemerkten mit »Anthropotheologie«
ja nicht verwechselt werden dürfte! Lassen wir es bei »Theologie«
— wenn nur die in unserem Fall unentbehrliche Erläuterung:
»evangelische Theologie«
gerade in dem zuletzt angedeuteten besonderen Sinn unvergessen und in Kraft
bleibt: evangelische und also ja nicht eine einem unmenschlichen Gott zugewendete
und darum gesetzliche Theologie!
Evangelische Theologie hat es mit dem Immanuel, Gott mit uns! zu tun. Wie sollte
sie von diesem ihrem Gegenstand her nicht dankbare und darum fröhliche
Wissenschaft sein? S. 16 – 18 […]
Der Gegenstand der Theologie: der Gott des Evangeliums in seinem Werk und Wort
verhält sich zu seiner Erkenntnis, wie sich eben Gott zum Menschen, der
Schöpfer zu seinem Geschöpf, der Herr
zu seinem Knecht verhält. Er ist schlechterdings zuerst
auf dem Plan:
ihm kann seine Erkenntnis nur folgen,
ihm kann sie sich nur unterordnen
und anpassen. Er macht sie allererst
wirklich und möglich. Er verpflichtet, befreit und beruft den Theologen
dazu, seiner gewahr zu werden, ihn zu bedenken, von ihm zu reden. Ein Apriori
ihm gegenüber kann er nicht geltend machen. Daher die Regel des
Hilarius: Non
sermoni res, sed rei sermo subjectus est.
Oder in den Begriffen Anselms
ausgedrückt: die ratio und necessitas
der theologischen Erkenntnis hat sich nach der ratio
und necessitas ihres
Gegenstandes zu richten. Nicht umgekehrt also! Natürlich arbeitet die Theologie
als eine menschliche Wissenschaft wie alle anderen immer und überall mit
den jeweils in ihrer Zeit und Situation teils überkommenen, teils neu aufkommenden
Anschauungen, Begriffen, Bildern, Sprachmitteln.
Anders vollzog sich also ihr Erkennen in der ausgehenden Antike, anders im Mittelalter,
anders in den Zeiten des Barocks, der Aufklärung,
des Idealismus, der Romantik. Sie kann sich aber in keiner Zeit und Situation
einladen, geschweige denn verpflichten lassen, irgendeine jeweils herrschende
oder herrschen wollende allgemeine Anschauungs-, Begriffs-, Bild- und Sprachregelung,
ob sie nun im Namen des Aristoteles oder des
Cartesius, Kants, Hegels
oder Heideggers proklamiert sei, als ein sie bindendes
Gesetz zu anerkennen.
Sie kann das nicht nur darum nicht tun, weil hinter jeder derartigen Regelung
eine bestimmte Philosophie
und Weltanschauung
zu stehen pflegt, deren Konzeptionen sie dabei zum Schaden ihrer Sachlichkeit
mit in Kauf nehmen müsste. Sie kann es vor allem darum nicht tun, weil
sie — nur ihrem Gegenstand unbedingt verpflichtet — eben durch ihn
zu einem nach allen Seiten offenen und beweglichen Sehen, Denken und Sprechen
aufgefordert und ermächtigt ist. Warum sollte sie nicht auch von den jeweils
gangbaren Vorstellungen, Begriffen, Bildern und Redewendungen — sollten
sie sich als dazu tauglich erweisen — und also getrost »eklektisch«
— Gebrauch machen? Das heißt aber eben nicht, dass sie in dem jeweils
Gangbaren eine für sie autoritative Vorschrift zu anerkennen hätte.
Sie hat nach der sich aus ihrem Gegenstand, dem göttlichen
Logos ergebenden
Logik, Dialektik
und Rhetorik zu fragen, wird es also wagen müssen, durch das Gehege der
jeweils als allgemein gültig empfundenen und mehr oder weniger feierlich
ausgegebenen Maßstäbe richtigen Vorstellens, Denkens und Redens auf
ihrem eigenen Weg mitten hindurch zu gehen.
Fortschritt, Besserung, ist in der Theologie nie von der Unterwürfigkeit
gegenüber den jeweiligen Zeitgeistern, sondern — in heiterer Aufgeschlossenheit
auch ihnen gegenüber! — immer nur von einer erhöhten Entschlossenheit
zu einem ihrem eigenen Gesetz folgenden Erkennen zu erwarten. Wir erinnern uns
an das, was hier schon in der ersten Vorlesung über ihren Charakter als
freie Wissenschaft gesagt wurde.
Sie bewährt ihre Freiheit darin, dass sie von den menschlichen Wahrnehmungs-,
Urteils- und Sprachvermögen — im Gegensatz zu aller alten Orthodoxie,
aber auch zu allen jeweils modernen Neo-Orthodoxieen — ohne Bindung an
eine vorausgesetzte Erkenntnistheorie immer in dem Gehorsam Gebrauch macht,
den ihr Gegenstand, den der lebendige Gott in dem
lebendigen Jesus Christus in der Lebensmacht des
Heiligen Geistes jetzt und heute von ihr verlangt.
Unvernunft, faules oder frei schweifendes Denken, perverse Lust am Irrationalen
als solchem gar — credo quia absurdum!
— wäre das Letzte, womit ihrem Gegenstand gedient und was
ihr erlaubt wäre. Im Gegenteil: der Theologe kann gar nicht genug Vernunft
haben, bewähren und an den Tag legen. Aber der Gegenstand seiner Wissenschaft
hat nun einmal seine eigene Art, seine Vernunft in Anspruch zu nehmen und tut
das oft in gewohnter, oft aber auch in sehr ungewohnter Weise. Er ist nicht
verpflichtet, sich nach dem kleinen Theologen zu richten. Wohl aber ist der
kleine Theologe verpflichtet, sich nach ihm zu richten. Diese seine Priorität
seiner Apperzeption
gegenüber ist das andere wichtige Kriterium echten theologischen Erkennens,
des intellectus fidei.
Der Gegenstand der Theologie — das Werk und Wort Gottes in der Immanuelsgeschichte
und so auch deren biblische Bezeugung — hat ein bestimmtes Gefälle,
eine bestimmte Emphase und Tendenz,
eine unumkehrbare Richtung. Der
Theologe ist verpflichtet, frei und berufen, ihr auch in seinem Erkennen, im
intellectus fidei Raum zu geben. Es geht
in Gottes Handeln und Reden und dementsprechend in den Texten des Alten und
des Neuen Testamentes (nur scheinbar gleichmäßig
nebeneinander!) um ein Doppeltes.
Man kann es als das zum Menschen tatkräftig gesprochene göttliche
Ja und Nein bezeichnen — oder als das ihn aufrichtende Evangelium und
das ihn zurechtrichtende Gesetz — oder als die ihm zugewendete Gnade und
die ihm drohende Verurteilung — oder als das Leben, zu dem er errettet
und den Tod, dem er verfallen ist.
In Treue dem Worte Gottes und dem es bezeugenden Schriftwort gegenüber
hat der Theologe Beides, jenes Licht und diesen Schatten zu sehen, zu bedenken,
zur Sprache zu bringen. Aber eben in dieser Treue wird er nicht verkennen, nicht
leugnen und nicht verschweigen können, dass das Verhältnis jener beiden
Momente nicht das je in entgegengesetzter Richtung gleichmäßig sich
wiederholender Ausschläge eines Pendels oder das zweier gleich schwer belasteter,
unentschieden schwankender Waagschalen ist, dass es da vielmehr ein Vorher und
ein Nachher, ein Oben und ein Unten, ein Mehr und ein Weniger gibt. Unverkennbar,
dass der Mensch da ein scharfes, verzehrendes göttliches Nein zu hören
bekommt, aber unverkennbar auch dies, dass dieses Nein doch nur eingeschlossen
ist in Gottes schöpferisches, versöhnendes, erlösendes Ja zum
Menschen. Sicher wird da das den Menschen bindende Gesetz aufgerichtet und proklamiert,
aber ebenso sicher ist es, dass es doch nur als das Gesetz des Bundes, als Gestalt
des Evangeliums göttliche Geltung und göttlich bindende
Kraft hat. Zweifellos wird da eine Verurteilung ausgesprochen
und vollzogen, aber wieder zweifellos wird eben in dieser Verurteilung —
man denke an ihren entscheidenden Vollzug am Kreuz von Golgatha — versöhnende
Gnade geübt.
Unübersehbar erscheint da der Tod als die letzte Grenze alles menschlichen
Beginnens und Vollendens, aber unübersehbar auch des Menschen ewiges Leben
als der Sinn und das Ziel seines Todes. Da gibt es also keine Komplementarität,
keine Ambivalenz. Da besteht nicht Gleichgewicht, sondern höchstes Ungleichgewicht.
Und eben in dieser Überlegenheit dort und Unterlegenheit hier hat die Theologie
jenem Doppelten gerecht zu werden. Darf sie, was Gott will, tut und sagt, gewiss
nicht auf ein triumphales Ja zum Menschen reduzieren, so darf sie es doch auch
dabei nicht sein Bewenden haben lassen, dass seinem Ja sein Nein in gleicher
Würde und Gewichtigkeit gegenüberstehen möchte — geschweige
denn, dass sie sein Nein seinem Ja voranstellen, sein Ja dann wohl gar in seinem
Nein verschwinden lassen — kurz: das Lichte in den Schatten, statt das
Schattige ins Licht stellen dürfte.
Röm. 7 darf dem Theologen weder offen noch heimlich vertrauter,
wichtiger und lieber sein als Röm. 8 - die
Hölle nicht eigentlich viel unentbehrlicher und interessanter als der Himmel
— und in der Kirchengeschichte die Hervorhebung der Sünden, Fehler
und Gebrechen der Scholastiker
und der Mystiker,
der Reformatoren und der Papisten, der Lutheraner und der Reformierten, der
Rationalisten
und der Pietisten, der Orthodoxen und der Liberalen — so gewiss er sie
nicht übersehen und verschweigen kann noch darf — nicht dringlicher
als die Aufgabe, sie Alle in dem Licht der ihnen wie uns Allen nötigen
und verheißenen Vergebung der Sünden zu sehen und zu verstehen. Und
ihn darf die Gottlosigkeit der Weltkinder nicht mehr erregen als die Sonne der
Gerechtigkeit, die wie ihm selbst so auch ihnen schon aufgegangen ist. Wir haben
die Theologie in der ersten Vorlesung auch eine
fröhliche Wissenschaft genannt.
Warum gibt es so viel ausgesprochen trübselige, mit ewig besorgten, wenn
nicht verbitterten Gesichtern herumlaufende, immer im Sprung zu irgendwelchen
kritischen Vorbehalten und Negationen befindliche Theologen? Weil sie dieses
dritte Kriterium echter theologischer Erkenntnis: die innere Ökonomie ihres
Gegenstandes, die Überordnung des Ja über das Nein Gottes, des Evangeliums
über das Gesetz, der Gnade über die Verurteilung, des Lebens über
den Tod nicht respektieren, sondern eigenmächtig in eine Gleichordnung
verwandeln oder wohl gar umkehren wollen. Was Wunder, wenn sie sich damit in
die betrübte Nachbarschaft des älteren J.
J. Rousseau oder auch jenes bedauernswerten Mannes begeben, dem Goethe
in der »Harzreise im Winter« —
den »Vater der Liebe« um seine Erquickung
bittend — ein Denkmal gesetzt hat.
Ein Theologe dürfte und müsste ein — nicht immer auf der Oberfläche,
aber immer im tiefsten Inneren vergnügter
Mensch sein. »Vergnügt«
sein heißt nach dem guten alten Sinn des Wortes: sein Genügen gefunden
haben. »Gib dich zufrieden und sei stille in dem
Gotte deines Lebens«. Ließe sich Einer nicht
in ihm genügen, was sollte er dann in der Gemeinde und was in der Welt?
Wie sollte er dann als Theologe existieren? Dass sie ein verlorener Haufe ist,
das weiß die Gemeinde auch so — nicht aber, nie genug, dass sie
Gottes geliebtes und erwähltes Volk und als solches zu seinem Lob berufen
ist. Und dass sie im Argen liegt, das weiß die Welt auch so
(wie sehr sie sich auch immer wieder darüber täuschen mag) —
nicht aber, dass sie in den guten Händen Gottes von allen Seiten gehalten
ist. Der Theologe findet dann sein Genügen, er wird und ist damit ein vergnügter
und so auch in der Gemeinde und in der Welt Vergnügen verbreitender Mensch,
dass sein Erkennen als intellectus fidei
in dem ihm durch den Gegenstand seiner Wissenschaft gegebenen Gefälle
verläuft. S. 100-106
Aus: Karl Barth: Einführung in die evangelische Theologie, TVZ Theologischer
Verlag Zürich
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Genehmigung der »TVZ
Theologischer Verlag Zürich AG«
Der
allmächtige Gott
Gottes
Macht ist darin von der Ohnmacht verschieden, darin den anderen Mächten
überlegen, darin der »Macht an sich« siegreich entgegengesetzt,
dass sie die Macht des Rechtes, nämlich seiner in Jesus Christus betätigten
und offenbarten Liebe und so der Inbegriff, die Bestimmung und die Grenze alles
Möglichen und also die Macht über und in allem Wirklichen ist.
Das Glaubensbekenntnis nennt mit diesem Begriff
»allmächtig«. eine Eigenschaft
Gottes, eine Vollkommenheit dessen, der vorher Gott der Vater genannt wurde.
Das Glaubensbekenntnis kennt nur diese eine Eigenschaft. Wenn man später
versucht hat, systematisch von Gott zu reden und sein Wesen zu beschreiben,
so ist man gesprächiger geworden. Man sprach von Gottes Aseität
[absolute
Unabhängigkeit, das reine Aus-sich-sebst-Bestehen],
seinem Insichbegründetsein, man sprach von der Unendlichkeit
Gottes in Raum
und Zeit und also von Gottes Ewigkeit.
Und man sprach auf der anderen Seite von Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit,
Barmherzigkeit und Geduld. Wir müssen uns klar machen, was immer man von
Gott sagt in solchen menschlichen Begriffen, es kann immer nur ein Hinweis sein
auf ihn selber, es kann kein derartiger Begriff das Wesen
Gottes wirklich begreifen. Gott ist unbegreiflich. Was Güte Gottes und
was Heiligkeit Gottes heißt, das kann nicht bestimmt werden von irgend
einer Ansicht, die wir Menschen von Güte und Heiligkeit haben, sondern
das bestimmt sich von dem her, was Gott ist. Er ist der Herr, er ist die Wahrheit.
Wir können nur ableitend, nur sekundär sein Wort auf die Lippen zu
nehmen wagen. Im apostolischen Glaubensbekenntnis steht an Stelle aller möglichen
Bezeichnungen des Wesens Gottes dieses eine Wort: Er ist allmächtig, bezeichnenderweise
im Zusammenhang mit dem Ausdruck »Vater«.
Eines dieser Worte interpretiert das andere: der Vater ist die Allmacht
und die Allmacht ist der Vater.
Gott ist allmächtig, das heißt zunächst auch dies: er ist Macht.
Und Macht heißt Können, Macht heißt Vermögen, Möglichkeit
im Blick auf eine Wirklichkeit. Wo Wirklichkeit geschaffen, bestimmt und erhalten
wird, da besteht eine Möglichkeit, die ihr zugrunde liegt. Und nun wird
von Gott ausgesagt: er hat selber Möglichkeit, er hat dieses Können,
welches Wirklichkeit begründet, bestimmt und erhält, und zwar Allmacht,
d. h. er hat Alles, er
ist das grundlegende Maß
alles Wirklichen und alles Möglichen. Es gibt keine Wirklichkeit, welche
nicht auf ihm als seiner Möglichkeit beruht, keine Möglichkeit, keinen
Wirklichkeitsgrund, welcher ihn begrenzen und ein Hindernis für ihn bedeuten
würde. Er kann, was er will. Man könnte also
Gottes Macht auch
bezeichnen als Gottes
Freiheit. Gott ist schlechthin frei. Die Begriffe Ewigkeit,
Allgegenwart, Unendlichkeit sind darin eingeschlossen. Er hat
Macht über Alles, was im Raum und in der Zeit
möglich ist, er ist das Maß und der
Grund der Zeit und des Raumes, er hat keine Grenze.
Aber das Alles klingt reichlich philosophisch und wir sind damit auch von ferne
nicht herangekommen an das, was Allmacht als Eigenschaft Gottes besagen will.
Es gibt Vieles, was Macht heißt und Allmacht heißen wollen könnte,
was mit der Allmacht Gottes gar nichts zu tun hat. Wir werden uns hüten
müssen, allgemeine Begriffe zu konstruieren.
Im Leitsatz sind in drei Stufen Grenzen angegeben: Gottes Macht ist verschieden
von der Ohnmacht, überlegen den anderen Mächten und siegreich der
»Macht an sich« entgegengesetzt.
Die Macht Gottes unterscheidet sich von jeder
Ohnmacht. Es gibt
auch eine Macht der Ohnmacht, eine Möglichkeit des Unmöglichen, und
zwar gänzlich oder teilweise. Gott aber ist weder ganz noch teilweise Ohnmacht,
sondern er ist wirkliche Macht. Er ist nicht der, der nichts vermöchte
und nicht der, der nicht Alles vermöchte, sondern er unterscheidet sich
von allen anderen Mächten dadurch, dass er k a n n, was er will.
Wo Ohnmacht in Frage kommt, da haben wir es jedenfalls nicht mit Gott zu tun.
Wo Gott in irgend einer Abseitigkeit vorgestellt wird, in großer Ferne,
da meint man nicht ihn, sondern ein Wesen, das im Grunde schwach ist. Gott hat
nicht die Art eines Schattens, Gott ist jeder Ohnmacht entgegengesetzt.
Gott ist allen anderen Mächten überlegen.
Diese anderen Mächte drängen sich uns ganz anders auf als Gott. Sie
scheinen das eigentliche Reale zu sein. Gott ist nicht in der Reihe dieser weltlichen
Mächte, etwa die höchste ,von ihnen, sondern er ist allen anderen
Mächten überlegen, nicht durch sie begrenzt oder bedingt, sondern
er ist der Herr aller Herren, der König aller Könige. So dass alle
diese Mächte, die als solche durchaus Mächte sind, zum vornherein
der Macht zu Füßen ge¬legt sind, die die Macht Gottes ist. Sie
sind im Verhältnis zu ihm keine ihn konkurrezierenden Mächte.
Und die letzte Stufe, die die wichtigste ist, weil hier die meisten Verwechslungen
drohen: Gott ist nicht die
»Macht an sich «. Der Inbegriff aller Macht: Können,
Möglichkeit, Freiheit als neutrales Sein, absolute Freiheit, abstraktes
Können, Macht an sich, das ist ein berauschender Gedanke. Ist Gott der
Inbegriff aller Souveränität, schlechthin potentia? Er ist oft so
verstanden worden, und es liegt so nahe, sich diese potentia, die Macht an sich,
als das Göttliche, das Tiefste, Wahrste und Schönste vorzustellen,
diese Macht an sich zu bewundern und zu verehren, anzubeten und zu loben als
das Geheimnis des Daseins.
Sie erinnern sich wohl, wie Hitler, wenn er von Gott
zu sprechen pflegte, ihn den »Allmächtigen« nannte. Aber nicht
der »Allmächtige« ist Gott, nicht von einem höchsten Inbegriff
von Macht aus ist zu verstehen, wer Gott ist. Und wer den »Allmächtigen«
Gott nennt, der redet in der furchtbarsten Weise an Gott vorbei. Denn der »AI]mächtige«
ist böse, wie »Macht an sich« böse ist. Der »Allmächtige«,
das ist das Chaos, das Übel, das ist der Teufel. Man könnte gerade
den Teufel nicht besser bezeichnen und definieren, als indem man diese Vorstellung
eines in sich begründeten, freien, souveränen Könnens zu denken
versucht. Dieser Rauschgedanke der Macht, das ist das Chaos, das tohu wabohu,
das Gott in seiner Schöpfung hinter sich ge¬lassen hat, das er nicht
gewollt hat, als er den Himmel und die Erde schuf. Das ist der Gegensatz
zu Gott, das ist die Gefahr, von der die von Gott geschaffene Welt fortwährend
bedroht ist: der Einbruch, die Offensive dieser unmöglichen Möglichkeit
der freien Willkür, welche nur potentia an sich sein und durchsetzen will
und als solche herrschen. Wo die Macht an sich geehrt und verehrt wird, wo die
Macht an sich Autorität sein will und Recht setzen will, da haben wir es
mit der »Revolution des Nihilismus« zu tun. Macht an sich ist nihil,
und wenn Macht an sich auf den Plan tritt und herrschen will, dann wird nicht
Ordnung geschaffen, sondern da bricht Revolution aus. Macht an sich ist böse,
ist das Ende aller Dinge. Die Macht Gottes, die wirkliche Macht, ist dieser
Macht an sich entgegengesetzt. Sie ist auch ihr gegenüber eine überlegene
Macht, und mehr als das: sie ist ihr Gegensatz. Gott sagt Nein zu dieser Revolution
des Nihilismus. Und er ist ihr siegreicher Gegensatz, d. h. in dem Gott auf
den Plan tritt, geschieht das, was geschieht, wenn die Sonne durch den Nebel
bricht: da fällt und stürzt die Macht dieser Macht an sich. Da wird
dieser Begriff enthüllt in seiner Gräuelhaftigkeit, da verliert er
den Respekt, den man ihm darbringt. Da müssen die Dämonen fliehen.
Gott und die Macht an sich schließen sich aus. Gott ist der Inbegriff
des Möglichen, die Macht an sich aber ist der Inbegriff des Unmöglichen.
Inwiefern ist Gottes Macht der Macht an sich entgegengesetzt, inwiefern ist
sie allen Mächten überlegen und verschieden von jeder Ohnmacht?
Die heilige Schrift redet von Gottes Macht, ihren Erweisungen und ihren Siegen
nie abgelöst vom Begriff des Rechtes:
Die Macht Gottes ist von Haus aus die Macht des Rechtes. Sie ist nicht bloße
potentia, sondern potestas, also legitime, im Recht begründete Macht.
Was heißt Recht? Wir müssen
zurückgreifend uns sagen:
Gottes Macht ist darin und so die Macht des Rechtes, dass sie die Allmacht Gottes
des Vaters ist. Es ist hier an das zu denken, was als das Leben Gottes des Vaters
als Vater seines Sohnes beschrieben wurde, das Leben des Gottes, der in sich
selber nicht einsam ist, sondern der lebt und regiert in Ewigkeit als der Vater
seines Sohnes, der in seinem innersten Wesen in dieser Gemeinschaft existiert.
Gottes Allmacht als Rechtsmacht ist also die Macht des Gottes, der in sich selber
die Liebe ist. Was gegen diese
Liebe streitet, was Einsamkeit und einsame Selbstbehauptung ist, das ist als
solches Unrecht und darum auch nicht wirkliche Macht. Das ist von Gott verneint.
Was aber Gott bejaht, das ist Ordnung
in dem Sinne, wie in Gott selber, zwischen ihm und seinem Sohne und dem Heiligen
Geiste Ordnung besteht. Gottes Macht ist Ordnungsmacht, die Macht der Ordnung
seiner Liebe, die auf Ordnungswegen wirkt und zu Ordnungszielen führt.
Gottes Macht ist heilige, gerechte, barmherzige, geduldige, gütige Macht.
Das unterscheidet Gottes Macht von der Ohnmacht, dass er der dreieinige Gott
ist.
Diese Macht Gott ist die Macht seiner freien Liebe
in Jesus Christus, in ihm betätigt und offenbart.
Wir müssen also wieder auf Gottes Werk
schauen als den Inbegriff alles Möglichen und Wirklichen. Was Gott in seiner
Gnade ist und wirkt, das ist der Inbegriff alles dessen, was Können, was
Freiheit und Möglichkeit heißt. Gottes Macht ist nicht eine charakterlose
Macht und darum sind alle jene Kinderfragen: ob Gott etwa machen könne,
dass zweimal zwei gleich fünf sei? und ähnliches so gegenstandslos,
denn hinter diesen Fragen steht eben ein abstrakter Begriff von »Können«.
Eine Macht, die lügen könnte, wäre nicht wirkliche Macht. Sie
wäre Ohnmacht, eine Nihils-Macht, die alles glaubt behaupten und verfügen
zu können. Sie hat mit Gott und also mit wirklicher Macht nichts zu tun.
Gottes Macht ist echte Macht,
und so steht sie über Allem. »Ich bin der allmächtige
Gott, wandle vor mir und sei fromm!« Von diesem Ich aus bestätigt
sich, wer der allmächtige Gott und was also Allmacht ist. Oder: «Mir
ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden». Ihm,
Jesus Christus, ist sie gegeben. In diesem Werk
Gottes wird seine
Allmacht sichtbar und lebendig als heilsame und
gerechte Macht. So ist Gott der Inbegriff, die Bestimmung, die Grenze alles
Möglichen. Und s o steht er über allem Wirklichen als der transzendente
Gott und ist er in allem Wirklichen als der immanente Gott — Er, das Subjekt,
welches dieses heilige und gute Wort spricht und sein heiliges und gutes Werk
treibt. S.
52-56
Gott
der Schöpfer
Indem Gott Mensch wurde, ist
auch das offenbar und glaubwürdig geworden: Er will nicht nur für
sich und also allein sein. Er gönnt der von ihm verschiedenen Welt ihre
eigene Wirklichkeit, Art und Freiheit. Sein Wort ist die Kraft ihres Seins als
Kreatur. Er schafft, erhält und regiert sie als den Schauplatz —
und in ihrer Mitte den Menschen als den Zeugen seiner Herrlichkeit.
Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen,
Schöpfer des Himmels und der Erde.
Wenn wir an die Wahrheit herantreten, die die christliche
Kirche mit dem Wort «Schöpfer»
bekennt, dann kommt Alles darauf an, dass wir verstehen, dass wir uns schon
da und auch da im Gegenüber zu dem Geheimnis
des Glaubens befinden, angesichts dessen Erkenntnis allein durch
Gottes Offenbarung wirklich
ist. Der erste Glaubensartikel von Gott dem Vater und seinem Werk ist nicht
etwa so etwas wie ein »Vorhof« der
Heiden, ein Bereich, in dem Christen und Juden und Heiden, Gläubige und
Ungläubige beieinander wären und gewissermaßen miteinander vor
einer Wirklichkeit stünden, über die man sich dann etwa dahin einigen
könnte, sie als Werk Gottes des Schöpfers zu bezeichnen. Was das heißt:
Gott der Schöpfer und was es ist um das Werk der Schöpfung, das ist
uns Menschen an sich nicht weniger verborgen als alles das, was das Glaubensbekenntnis
sonst enthält. Es liegt uns nicht etwa näher, an Gott den Schöpfer
zu glauben, als daran, dass Jesus Christus vom Heiligen Geist empfangen und
von der Jungfrau Maria geboren ist. Es steht nicht so, dass uns die Wahr¬heit
von Gott dem Schöpfer direkt zugänglich wäre und nur die Wahrheit
des 2. Artikels einer Offenbarung bedürftig wäre. Sondern im gleichen
Sinne stehen wir hier wie dort vor dem Geheimnis Gottes und seines Werkes, und
auch der Zugang kann nur einer und derselbe sein.
Denn das Glaubensbekenntnis redet nicht von der Welt,
oder jedenfalls nur beiläufig, indem es vom Himmel und von der Erde redet.
Es sagt nicht: ich glaube an die geschaffene Welt, ja nicht einmal: ich glaube
an das Werk der Schöpfung. Sondern es sagt: Ich glaube an Gott
den Schöpfer. Und Alles, was über die Schöpfung
gesagt wird, hängt ganz und gar an diesem Subjekt. Es gilt immer die gleiche
Regel: alle Prädikate sind bestimmt von ihm. Das gilt auch für die
Schöpfung. Es geht hier grundlegend um die Erkenntnis des Schöpfers
und dann und von da aus muss sein Werk verstanden werden.
Von Gott dem Schöpfer ist
die Rede und also von seinem Werk als der Schöpfung,
der Erschaffung des Himmels und der Erde. Nehmen wir diesen
Begriff ernst, so muss es uns ja unmittelbar einleuchten: wir stehen nicht vor
einem Bereich, der in irgend einem Sinne menschlicher Anschauung oder auch menschlichem
Denken zugänglich sein kann. Es mag uns die Naturwissenschaft beschäftigen
mit ihrer Anschauung von der Entfaltung, sie mag uns berichten von den Jahrmillionen,
in denen das fortlaufende Werden des Kosmos sich vollzogen hat, aber wann hätte
die Naturwissenschaft je zu der Tatsache durchdringen können, dass
es eine Welt gibt, die diese Entwicklung durchläuft? Etwas ganz Anderes
ist die Fortsetzung als dieser schlechthinige Anfang, mit dem es der Begriff
der Schöpfung und des Schöpfers
zu tun hat. Es beruht darum sicher auf einem grundlegenden Irrtum, wenn man
von Schöpfungsmythen redet.
Ein Mythus kann
bestenfalls eine Parallele zur exakten Wissenschaft sein, d. h. der Mythus
hat es auch mit der Anschauung dessen zu tun, was immer schon da ist und da
sein wird. Im Mythus geht es um das große,
zu jeder Zeit dem Menschen sich stellende und insofern freilich auch wieder
zeitlose Problem des Lebens und des Todes, des Schlafes und des Erwachens, der
Geburt und des Sterbens, des Morgens und des Abends, des Tages und der Nacht
usw. Das sind die Themen des Mythus. Der Mythus
betrachtet die Welt sozusagen von ihrer Grenze her, aber immer die schon vorhandene
Welt.
Es gibt keinen Schöpfungsmythus, weil die Schöpfung als solche eben
dem Mythus nicht zugänglich ist. So wird es beim babylonischen Schöpfungsmythus
z. B. ganz klar, dass es sich hier um einen Mythus
von Werden und Vergehen handelt, der mit Gen. 1 und 2 grundsätzlich nicht
in Beziehung zu setzen ist. Man kann höchstens feststellen, dass dort gewisse
mythische Elemente zu finden sind. Aber was die Bibel damit macht, hat keine
Parallele im Mythus. Wenn man dem biblischen Bericht
schon einen Namen geben will, bzw. ihn in eine Kategorie einordnen will, so
in den der Sage. Die Bibel redet
Gen. 1 und 2 von Vorgängen, die außerhalb unserer historischen
Erkenntnis liegen. Aber sie redet davon auf Grund einer Erkenntnis,
welche sich auf eine Geschichte
bezieht. Das ist ja das Merkwürdige der biblischen Schöpfungsgeschichten,
dass sie in strengem Zusammenhang mit der Geschichte
Israels stehen und also mit der Geschichte des Handelns Gottes
im Bunde mit dem Menschen. Diese Geschichte beginnt nach dem Alten Testament
schon damit, dass Gott den Himmel und die Erde geschaffen hat. Sowohl der erste
wie der zweite Schöpfungsbericht stehen eindeutig in Zusammenhang mit dem
Thema des Alten Testamentes: der erste Bericht zeigt den Bund in der Einsetzung
des Sabbats als das Ziel, der
zweite Bericht als die Fortsetzung des
Schöpfungswerkes.
Man kann die Erkenntnis Gottes des Schöpfers und
seines Werkes nicht trennen von der Erkenntnis des Handelns Gottes mit dem Menschen.
Nur wenn uns vor Augen steht, was der
dreieinige Gott für uns Menschen in Jesus Christus
getan hat, können wir erkennen, was es um Gott den Schöpfer
und sein Werk ist. Schöpfung ist das zeitliche, das außerhalb Gottes
stattfindende Analogon jenes Geschehens in Gott selber, auf Grund dessen Gott
der Vater des Sohnes ist. Die Welt ist nicht Gottes Sohn, nicht von Gott »gezeugt«,
sondern geschaffen.
Aber was Gott als der Schöpfer tut, das kann im christlichen Sinne nur
gesehen und verstanden werden als Abglanz, als ein Widerschein, als eine Abschattung
dieses inneren göttlichen Verhältnisses zwischen Gott dem Vater und
dem Sohne. Und darum hat es seinen Sinn, dass das Werk der Schöpfung im
Glaubensbekenntnis dem Vater zugeschrieben
wird. Das heißt nicht: er allein ist der Schöpfer, aber wohl dies,
dass diese Beziehung besteht zwischen dem Werk der Schöpfung und dem Verhältnis
von Vater und Sohn.
Schöpfungserkenntnis ist Gotteserkenntnis und darum
Glaubenserkenntnis im tiefsten und letzten Sinn. Sie ist nicht
etwa ein Vorhof, in dem die natürliche Theologie Raum fände. Wie sollten
wir dieses Vatersein Gottes erkennen, wenn es uns nicht offenbar wäre im
Sohne? Es ist also nicht die Existenz der Welt in ihrer Mannigfaltigkeit, aus
der wir es ablesen könnten, dass Gott ihr Schöpfer ist. Die Welt mit
ihrem Gram und mit ihrem Glück wird uns immer ein dunkler Spiegel sein,
über den wir uns optimistische oder pessimistische Gedanken machen mögen,
aber Auskunft über Gott als den Schöpfer gibt sie uns nicht. Sondern
immer noch, wenn der Mensch aus Sonne, Mond und Sternen oder aus sich selber
die Wahrheit ablesen wollte, war das Ergebnis ein Götzenbild. Wenn aber
Gott erkannt und dann in der Welt wieder erkannt
worden ist, so dass es zu einem freudigen Lob Gottes in der Kreatur kam, dann
darauf hin, dass er dort von uns zu suchen und zu finden ist: in Jesus
Christus. Indem Gott in
Jesus Christus Mensch
wurde, ist auch das offenbar und glaubwürdig geworden, dass er der Schöpfer
der Welt ist. Wir haben keine zweite Offenbarungsquelle.
Es geht in dem Artikel von dem Schöpfer und der Schöpfung entscheidend
um die Erkenntnis, dass Gott nicht für sich existiert, sondern dass es
eine von ihm verschiedene Wirklichkeit gibt, die Welt. Woher
wissen wir das? Hat nicht Jeder von uns sich schon die Frage gestellt, ob nicht
eigentlich diese ganze Welt um uns ein Schein und ein Traum sein möchte?
Ist das nicht auch schon über Sie gekommen als ein fundamentaler Zweifel
— nicht an Gott, das ist ein dummer Zweifel! aber — an Ihnen selber?
Ob der ganze Zauber, in dem wir existieren, wirklich ist? Oder ob nicht das,
was wir für Wirklichkeit halten, nur der »Schleier
der Maja« und also unwirklich ist? Ist das Einzige, was uns bleibt,
dies, dass wir diesen »Traum« möglichst rasch zu Ende träumen,
um ins Nirwana einzugehen,
aus dem wir herkommen? Der Satz von der Schöpfung steht diesem entsetzlichen
Gedanken gegenüber. Woher kann es uns gültig gesagt werden, dass es
verkehrt und dass das Leben kein Traum ist, sondern Wirklichkeit, dass ich selber
bin und dass die Welt um mich
her ist? Vom christlichen Glaubensbekenntnis
her kann es nur eine Antwort geben: Dieses Glaubensbekenntnis sagt uns in seiner
Mitte, im zweiten Artikel, dass es Gott gefallen hat, Mensch zu werden: dass
wir es in Jesus Christus mit Gott
selber zu tun haben, mit Gott dem Schöpfer, der Geschöpf wurde, der
in Raum und Zeit als Geschöpf existiert hat,
hier, dort, damals, so wie wir alle existieren. Wenn das wahr ist, und das ist
die Voraussetzung, mit der Alles beginnt:
Gott war in Christus, dann haben wir einen Ort, wo das Geschöpf uns in
der Wirklichkeit entgegentritt und erkennbar wird. Denn wenn der Schöpfer
selbst Geschöpf geworden ist: Gott Mensch, wenn das richtig ist —
und damit fängt die christliche Erkenntnis an — dann steht uns in
Jesus Christus das Geheimnis des Schöpfers und seines Werkes und das Geheimnis
seines Geschöpfs offen, dann steht uns der Inhalt des ersten Glaubensartikels
vor Augen. Indem Gott Mensch wurde, kann nicht mehr in Frage gestellt werden,
dass es ein Geschöpf gibt. Auf Jesus Christus
blickend, mit dem wir im gleichen Raum leben, ist uns gesagt,
als Wort Gottes gesagt: das Wort vom Schöpfer und das Wort von seinem Werk
und vom Erstaunlichsten dieses Werkes, vom Menschen.
Das christlich verstandene Geheimnis der Schöpfung ist ja nicht zuerst
— das meinen die Toren in ihrem Herzen — das Problem, ob es einen
Gott gibt als Urheber der Welt, denn christlich verstanden kann es ja nicht
so sein, dass wir zuerst die Wirklichkeit der Welt voraussetzen und dann fragen:
ob es auch einen Gott gibt? sondern das Erste, das, mit dem wir beginnen, ist
Gott der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Und von daher stellt sich
das große christliche Problem: Sollte es wirklich so sein, dass Gott nicht
nur für sich sein will, sondern dass es außer ihm die Welt gibt,
dass wir sind neben und außer
ihm? Das ist ein Rätsel.
Wer nur ein wenig versucht, Gott anzuschauen, zu begreifen, so wie er sich uns
offenbart: Gott im Geheimnis, Gott in der Höhe, Gott der dreieinige und
allmächtige, der muss sich wundern darüber, dass es das gibt: uns,
die Welt, neben und außer ihm. Gott bedarf ja unserer nicht, er bedarf
der Welt und des Himmels und der Erde nicht. Er ist reich in sich selber. Er
hat die Fülle des Lebens, alle Herrlichkeit, alle Schönheit, alle
Güte und Heiligkeit ist in Ihm. Er genügt sich selber. Er ist der
in sich selber selige Gott. Wozu also die Welt? Hier ist ja
Alles, hier im lebendigen Gott.
Wie kann etwas neben Gott sein, dessen er nicht bedarf? Das ist das Rätsel
der Schöpfung. Und darauf antwortet die Lehre von der Schöpfung: dass
Gott, der unserer nicht bedarf, den Himmel und die Erde und mich selbst geschaffen
»aus lauter väterlicher Güte und Barmherzigkeit
ohne all mein Verdienst und Würdigkeit, das Alles ich ihm zu danken und
zu loben, dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin, das ist gewisslich
wahr.« Spüren Sie in diesen Worten Luthers
das Staunen vor der Schöpfung, vor der Güte Gottes, in der Gott nicht
allein sein, sondern eine Wirklichkeit neben sich haben will?
Schöpfung ist Gnade:
ein Satz, vor dem man am liebsten Halt machen möchte in Ehrfurcht, Erschrecken
und Dankbarkeit. Gott gönnt
es der von ihm verschiedenen Wirklichkeit da zu
sein, er gönnt ihr ihre eigene Wirklichkeit, Art und Freiheit.
Die Existenz des Geschöpfs neben Gott, das ist das große Rätsel
und Wunder, das ist die große Frage, auf die wir Antwort geben müssen
und geben dürfen, die Antwort, die uns durch Gottes Wort gegeben wird,
die echte Existenzfrage, die sich
von der auf Irrtum beruhenden Frage: Gibt es einen Gott? wesentlich und grundsätzlich
unterscheidet. Dass es eine Welt
gibt, das ist das Unerhörteste, das ist das
Wunder der Gnade Gottes. Oder ist es nicht so, dass wir, wenn
wir dem Sein, nicht zuletzt unserem eigenen Sein, gegenüberstehen, nur
staunend feststellen können, dass es wahr und wirklich ist: ich darf
sein, die Welt darf sein, obwohl sie eine von Gott
verschiedene Wirklichkeit ist, obwohl die
Welt mit Inbegriff des Menschen und also meiner selbst nicht
Gott ist? Gott
in der Höhe, der dreieinige Gott, der Vater, der Allmächtige, er ist
nicht eigenmächtig, er gönnt auch
diesem Anderen das Sein. er gönnt es ihm nicht nur, er lässt es ihm
nicht nur, er gibt es ihm. Wir sind und Himmel und Erde sind in ihrer ganzen
vermeintlichen Unendlichkeit, weil Gott ihnen das Sein gibt. Das ist die große
Aussage des ersten Artikels.
Das bedeutet nun aber auch dies: da Gott dieser Welt ihr Sein gönnt, ihre
eigene Wirklichkeit, Art und Freiheit, so ist damit gesagt, dass diese Welt
eben nicht Gott
selber ist, wie pantheistische
Konfusion immer wieder behaupten will. Es ist nicht an dem, dass wir etwa
Gott sind, sondern das kann immer nur unser verderblicher
Irrtum sein, dass
wir »sein möchten wie Gott«. Es
ist also nicht an dem, wie alte und neue Gnosis erklärt hat, dass das,
was die Bibel Gottes Sohn nennt, im Grunde die geschaffene Welt oder dass die
Welt von Natur Gottes Kind
sei. Es ist auch nicht an dem, dass man etwa die Welt als einen Ausfluss, eine
Emanation aus
Gott zu verstehen hat, als ein Göttliches, das gleich einem Strom aus der
Quelle aus Gott hervorquillt. Das wäre nicht in Wahrheit Schöpfung,
sondern eine Lebensbewegung Gottes, ein Ausdruck seiner selbst. Schöpfung
aber meint etwas Anderes, sie meint eine von Gott
verschiedene Wirklichkeit.
Und endlich darf die Welt nicht als eine
Erscheinung Gottes verstanden
werden, so dass Gott gewissermaßen die Idee wäre.
Gott, der allein wirklich und wesenhaft und frei ist, ist Eines, und ein Anderes
Himmel und Erde, der Mensch und der Kosmos, und dieses Andere ist nicht Gott,
wohl aber durch Gott.
Also nicht in sich selbständig begründet ist dieses Andere, als ob
die Welt ihr eigenes Prinzip hätte und also Gott gegenüber selbständig
und unabhängig wäre, so dass von ihr her gesehen wohl ein Gott sein
könnte, aber ein von ihr ferner, abgeschiedener Gott, es also zwei Reiche
und zwei Welten gäbe: hier diese Welt mit ihrer eigenen Wirklichkeit und
Gesetzlichkeit und ganz anderswo und anderswie auch noch Gott, sein Reich und
seine Welt, vielleicht in sehr schönen und reichen Farben zu schildern,
vielleicht auch in eine Beziehung zwischen Diesseits und Jenseits, vielleicht
so, dass dem Menschen bewilligt wäre, dass er »unterwegs«
sei von hier nach dort. Aber diese Welt wäre nicht durch Gott, von ihm
her und also ganz und gar ihm gehörig und in ihm begründet.
Nein, was Gott der Welt gönnt,
das ist geschöpfliche Wirklichkeit,
geschöpfliche Art und geschöpfliche
Freiheit. Es ist ein Sein,
was dem Geschöpf Welt eignet. Die Welt ist kein Schein, sie
ist, aber sie ist in der Weise des Geschöpfs. Sie kann,
sie darf neben Gott, durch Gott sein. Geschöpfliche Wirklichkeit, das bedeutet
Wirklichkeit auf Grund einer creatio ex nihilo, einer
Schöpfung aus dem Nichts. Da wo nichts ist — auch nicht etwa eine
Art Urstoff! — da wurde durch Gott das, was nun verschieden von ihm ist.
Und indem nun etwas ist, indem wir sind auf
Grund der göttlichen Gnade, dürfen wir keinen Augenblick vergessen,
es steht als Grund unseres Seins und des Seins der ganzen Welt jenes göttliche
— nicht nur facere, sondern —
Schaffen dahinter. Alles, was
ist außer Gott, ist konstant von Gott gehalten über dem Nichts. Geschöpfliche
Art bedeutet: Sein in der Zeit
und im Raum, Sein, das einen Anfang und ein Ende hat, Sein, das wird, um wieder
zu vergehen. Es war einmal noch nicht, und es wird einmal nicht mehr sein. Es
ist ferner nicht Eines, sondern Vieles. Wie ein Einst und ein Jetzt, so gibt
es ein Hier und ein Dort. Welt heißt in diesem Übergang Zeit und
in dieser Getrenntheit Raum. Gott aber ist ewig. Das heißt nicht, dass
es nicht auch Zeit gäbe in ihm, aber eine andere Zeit als die unsere, die
wir ja im Grunde nie Gegenwart haben und für welche Räumlichkeit ein
Auseinander bedeutet. Gottes Zeit und Raum sind frei von den Grenzen, in welchen
für uns Raum und Zeit allein denkbar sind. Gott ist der Herr
der Zeit und der Herr des Raumes.
Indem er der Ursprung auch dieser Formen ist, hat alles in ihm nicht die Einschränkung
und Unvollkommenheit, wie es zum geschöpflichen Sein gehört.
Und geschöpfliche Freiheit
schließlich bedeutet: es gibt eine Kontingenz des Seienden, ein »je
so da sein« des Geschöpfes, und dieses »je
so da sein« jedenfalls des menschlichen Geschöpfes bedeutet
Entscheidungsfreiheit, bedeutet so oder so können.
Aber diese Freiheit kann nur die Freiheit sein, die eben dem Geschöpf eignet,
das seine Wirklichkeit nicht aus sich selber und das seine Art in Zeit und Raum
hat. Indem sie wirkliche Freiheit ist, ist sie gesetzt und beschränkt durch
die Gesetzlichkeit, welche immer wieder wahrnehmbar im Kosmos waltet, ist sie
beschränkt durch die Existenz des Mitgeschöpfs und anderseits durch
die Souveränität Gottes. Denn wenn wir frei sind, so nur darum, weil
unser Schöpfer der unendlich Freie ist. Alle menschliche Freiheit ist nur
ein unvollkommenes Spiegelbild der göttlichen Freiheit.
Das Geschöpf ist bedroht von der durch Gott — und nur durch Gott
ausgeschlossenen Möglichkeit des Nichts und
des Verderbens.
Wenn das Geschöpf ist,
so wird es in seiner Art zu sein nur erhalten, wenn Gott dies will. Wenn er
es nicht wollte, so müsste von allen Seiten das Nichts hereinbrechen. Das
Geschöpf selbst könnte sich nicht retten und bewahren. Und die menschliche
Entscheidungsfreiheit ist nicht, wie sie von Gott dem Menschen gegeben ist,
Entscheidungsfreiheit zwischen Gut und Böse. Der Mensch ist nicht geschaffen
zum Herkules am Scheidewege.
Das Böse liegt nicht in der Möglichkeit des von Gott geschaffenen
Geschöpfs. Entscheidungsfreiheit heißt Entscheidungsfreiheit zu dem
Einzigen, wofür Gottes Geschöpf sich entscheiden kann, für die
Bejahung dessen, der es geschaffen
hat, für den Vollzug seines Willens, und das heißt für den Gehorsam.
Aber es geht um Entscheidungsfreiheit. Und
hier droht auch die Gefahr. Wenn es geschehen sollte, dass das Geschöpf
von seiner Freiheit einen anderen Gebrauch macht als den allein möglichen,
wenn das Geschöpf neben seine eigene Wirklichkeit hinaustreten, wenn es
sündigen, d. h. sich »sondern« wollte, von Gott und von sich
selbst, was kann dann anderes geschehen, als dass es, in Widerspruch geraten
mit Gottes Willen, fallen müsste
mit seinem Ungehorsam, mit der Unmöglichkeit dieses Ungehorsams, dieser
in der Schöpfung nicht vorgesehenen Möglichkeit? Nun muss es ihm zum
Verderben werden, in der Zeit und im Raum zu sein, nun muss ihm dieses Werden
und Vergehen, dieses Hier und Dort seiner Existenz Unheil bedeuten. Nun muss
der Fall ins nihil stattfinden.
Könnte es anders sein? Ich rede hier nur davon, um von diesem ganzen Bereich,
den wir das Übel nennen: dem Tod,
der Sünde,
dem Teufel und der Hölle festzustellen: das Alles
ist nicht Gottes Schöpfung,
sondern vielmehr das durch Gottes Schöpfung Ausgeschlossene,
das, wozu Gott Nein gesagt hat.
Und wenn es eine Realität des Bösen gibt, so kann es nur die Realität
dieses Ausgeschlossenen und Verneinten sein, die Realität hinter Gottes
Rücken, an der er vorübergegangen ist, indem er die Welt geschaffen
und sie gut geschaffen hat. »Und Gott sah an Alles,
was er geschaffen hatte, und siehe, es war sehr gut«. Was nicht
gut ist, das hat Gott nicht geschaffen, das hat nicht geschöpfliches Sein,
sondern wenn ihm überhaupt Sein zuzusprechen ist und wir nicht lieber sagen
wollen, dass es das Nicht-Seiende ist, so nur die Macht
des Seins, das der Wucht des göttlichen Nein entspringt.
Wir dürfen nicht in Gott selber die Finsternis suchen. Er ist der Vater
des Lichtes. Wenn wir von einem Deus
absconditus zu reden anfangen, dann reden wir von einem Götzen.
Gott der Schöpfer ist der, der dem Geschöpf sein Sein gönnt.
Und was seiend, was in Wahrheit wirklich ist, das ist durch diese Gunst Gottes.
Gottes Wort ist die Kraft alles Seins der Kreatur. Gott schafft, regiert und
erhält sie als Schauplatz seiner Herrlichkeit. Ich möchte damit hinweisen
auf den Grund und das Ziel
der Schöpfung, die beide letztlich eines und dasselbe sind.
Der Grund der Schöpfung ist
Gottes Gnade, und dass es eine Gnade Gottes gibt, das ist wirklich und uns gegenwärtig,
lebendig und kräftig in Gottes Wort. Indem Gott sein Wort spricht und sprach
in der Geschichte Israels, in Jesus Christus, in der Stiftung der Gemeinde Jesu
Christi und bis auf diesen Tag und sprechen wird in alle Zukunft, war und ist
das Geschöpf und wird es sein. Was ist, ist,
indem es nicht durch sich selber, sondern durch Gottes Wort ist, um seines Wortes
willen, im Sinn und in der Absicht seines Wortes. Hebr
1, 2: Gott trägt alle Dinge, ta
panta, durch sein Wort. Vgl.
Joh 1, 1 f und Kol 1.
Das All ist erschaffen durch ihn, um seinetwillen. Das Wort Gottes, das uns
in der hl. Schrift bezeugt wird, die Geschichte Israels, Jesu Christi und seiner
Gemeinde, das ist das Erste, und die ganze Welt mit ihrem Licht und ihrem Schatten,
ihren Tiefen und ihren Höhen ist das Zweite. Durch das Wort ist die Welt.
Eine wunderbare Umkehrung unseres ganzen Denkens! Lassen Sie sich nicht beirren
durch die Schwierigkeit des Zeitbegriffs, der sich daraus ergeben möchte.
Die Welt wurde, sie ist geschaffen und getragen durch das Kindlein, das zu Bethlehem
geboren wurde, durch den Mann, der am Kreuz von Golgatha gestorben und am dritten
Tage wieder auferstanden ist. Das
ist das Schöpfungswort, durch das alle Dinge geworden sind. Von daher
kommt der Sinn
der Schöpfung und darum heißt es am Anfang der Bibel: Am Anfang schuf
Gott Himmel und Erde und Gott
sprach: Es werde... Dieses unerhörte Sprechen Gottes in
jenem unheimlichen ersten Kapitel der Bibel! Denken Sie bei diesem Sprechen
nicht an ein Zauberwort eines Allmächtigen, der nun die Welt hervorgehen
ließ, sondern hören Sie: Gott spricht konkret, wie es uns die hl.
Schrift bezeugt und indem das
Gottes Wirklichkeit war von Anfang an, wurde alles, was ist: das Licht und der
Himmel und die Erde, die Pflanzen und die Tiere und zuletzt der Mensch.
Und wenn wir nach dem Ziel der
Schöpfung fragen: Wozu das Ganze, wozu Himmel und Erde und alle Kreatur?
so wüsste ich nichts Anderes zu sagen: als Schauplatz seiner Herrlichkeit.
Das ist der Sinn: dass Gott verherrlicht wird. Doxa,
gloria meint ganz einfach: offenbar werden. Gott will sichtbar werden
in der Welt und insofern ist Schaffen ein sinnvolles Tun Gottes.
»Siehe, es war sehr gut.« Welche Einwände man auch erheben
mag gegen die Wirklichkeit der Welt, darin besteht unangreifbar ihre Güte,
dass sie der Schauplatz der Herrlichkeit Gottes sein darf, und der Mensch der
Zeuge dieser Herrlichkeit. Wir dürfen nicht zum vornherein wissen wollen,
was Güte ist und etwa grollen, wenn die Welt dem nicht entspricht. Dazu,
wozu Gott die Welt gemacht hat, ist sie auch gut. »Schauplatz
seiner Herrlichkeit, theatrum gloriae Dei«
sagt darum Calvin von ihr. Der Mensch aber ist Zeuge,
er, der dabei sein darf, wo Gott verherrlicht wird, nicht bloß passiver
Zeuge, sondern aussagen soll der Zeuge, was er gesehen hat. Das ist die Natur
des Menschen, dazu ist er fähig, das zu tun, Zeuge der Taten Gottes zu
sein. Diese Absicht Gottes »rechtfertigt«
ihn als den Schöpfer. S.
57-67
Aus: Karl Barth: Dogmatik im Grundriß, TVZ Theologischer
Verlag Zürich: Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher
Genehmigung der »TVZ Theologischer Verlag Zürich AG«