Angelus Silesius, eigentlich Johann Scheffler (1624 – 1677)

Deutscher geistlicher Dichter der Barockzeit und katholischer Priester. Angelus Silesius (deutsch: Schlesischer Bote) war Sohn eines lutherischen Arztes und wurde 1649 herzoglicher Leibarzt in Oels. Durch die Freundschaft mit Abraham vor Franckenberg wurde er mit der schlesischen Mystik vertraut gemacht. 1653 trat er zur Katholischen Kirche über und wurde 1661 Priester. In den »Geistreichen Sinn- und Schlussreimen« (seit 1675: »Cherubinischer Wandersmann«) reimte er sprachlich scharf zugespitzte Prägungen für das mystische Erlebnis des Einsseins mit Gott. In den Liedern der »Heiligen Seelenlust« gibt er einer inbrünstigen Liebe zu Jesus Ausdruck.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon
 

Inhaltsverzeichnis

Das überlichte Licht
Das Wort
Der unerforschliche GOtt
Die Quelle und das Meer
Dreifacheinige Dreifaltigkeit
Ewigkeit / Zeit
Gut und Böse
Liebe
Mensch
  Rose
Seele
Tod
Weisheit
Welt
Zahl
Beschluß

>>>Christus
 

Das überlichte Licht
Wie sieht man Gott
GOtt wohnt in einem Licht / zu dem die Bahn gebricht;
Wer es nicht selber wird / der sieht ihn ewig nicht.S.38

Der aufgespannte Geist
Der Geist der allezeit in GOtt steht aufgericht/
Empfängt ohn Unterlaß in sich das ewge Licht. S.185

Göttliche Beschauung

Das überlichte Licht schaut man in diesem Leben
Nicht besser / als wann man ins Dunkle sich begeben.
S.154

Das Licht ist nicht Gott selbst
Licht ist des Herren Kleid: gebricht dir gleich das Licht /
so wisse, daß dir Gott noch nicht selbst gebricht. S.72

Das Licht besteht im Feuer

Das Licht gibt allem Kraft: GOtt selber lebt im Lichte:
Doch wär er nicht das Feuer, so würd es bald zu nichte.
S.55

Das wahre Licht
GOtt ist das wahre Licht / du hast sonst nichts als Glast /
Im Falle du nicht Ihn das Licht der Lichter hast.
S.73

Der Schöpfer wird’s Geschöpfe.

Das unerschaffene Licht wird ein erschaffnes Wesen:
Daß sein Geschöpfe nur durch selbes kann genesen.
S.151

Das Wort
Die Geschöpfe.
Weil die Geschöpfe gar in GOttes Wort bestehn:
Wie können sie dann je zerwerden und vergehn?
S.43

Der Ort ist das Wort.
Der Ort und’s Wort ist Eins / und wäre nicht der Ort /
(Bei Ew’ger Ewigkeit!) es wäre nicht das Wort.
S.57

Das Unaussprechliche.
Das Unaussprechliche das man pflegt Gott zunennen /
Gibt sich in einem Wort zusprechen und zukennen.
S.152

Es trägt und wird getragen.
Das Wort das alles trägt / auch selbsten Gott den Alten /
Muß hier ein Jungfräulein mit ihren Ärmlein halten.
S.112

Wer recht vergottet ist.
Mensch allererst wenn du bist alle Dinge worden /
So stehst du in dem Wort / und in der Götter Orden.
S.55

Der unerforschliche GOtt
GOtt wird, was er nie war.
Der ungewordene Gott wird mitten in der Zeit /
Was er nie gewest in aller Ewigkeit. S.151


An S. Augustin.

Halt an mein Augustin: Eh du wirst Gott ergründen /
Wird man das ganze Meer in einem Grüblein finden.
S.154

Der unerkannte GOtt.
Was GOtt ist weiß man nicht: Er ist nicht Licht / nicht Geist /
Nicht Wonnigkeit / nicht Eins / nicht was man Gottheit heißt:
Nicht Weisheit / nicht Verstand / nicht Liebe / Wille / Güte:
Kein Ding / kein Unding auch / kein Wesen / kein Gemüte:
Er ist, was ich / und du / und keine Kreatur /
Eh wir geworden sind, was Er ist / nie erfuhr.
S.154

In GOtt ist alles GOtt.
In GOtt ist alles GOtt: Ein einzigs Würmelein /
Das ist in GOtt so viel als tausend GOtte sein.
S.92

Das Wesen GOttes.
Was ist das Wesen GOtts? Fragst du mein Engigkeit?
Doch wisse / daß es ist ein‘ Überwesenheit.
S.93

GOtt ist Finsternis und Licht.
GOtt ist ein lautrer Blitz / und auch ein Dunkles nicht /
Das keine Kreatur beschaut mit ihrem Licht.
S.93

Gott ist nicht hoch noch tief
Gott ist nicht hoch, nicht tief: wer endlich anderst spricht /
Der hat in der Wahrheit noch gar schlechten Unterricht.
S.52

Gott forscht sich niemals aus.
Die Ewge Gottheit ist so reich an Tat und Rat /
Daß sie sich selbst noch nie ganz ausgeforschet hat.
S.65

Die GOttheit ist ein nichts.
Die zarte GOttheit ist ein nichts und übernichts:
Wer nichts in allem sicht / Mensch glaube / dieser sichts.
S.43

GOtt ist das was Er will.
GOtt ist ein Wunderding; Er ist das, was Er will /
Und will das, was Er ist ohn’ alle Maß und Ziel.
S.33

Gott weiß ihm selbst kein Ende.
GOTT ist unendlich Hoch / (Mensch glaube dies behende) /
Er selbst find’ Ewiglich nicht seiner GOttheit Ende.
S.33

GOtt weiß ihm keinen Anfang.
Du fragst / wie lange GOtt gewest sei? um Bericht:
Ach schweig: es ist so lang‘ / Er weiß es selber nicht.
S.139

Wie gründ’t sich GOtt?
GOtt gründ’t sich ohne Grund / und misst sich ohne Maß:
Bist du ein Geist mit ihm / Mensch, so verstehst du das
. S.33

Auch von GOtt.
GOtt ist noch nie gewest / und wird auch niemals sein /
Und bleibt doch nach der Welt / war auch‘ vor ihr allein.
S.139

Die unerforschliche Ursache.
GOtt ist Ihm selber alls / sein Himmel / seine Lust:
Warum schuf Er dann uns? es ist uns nicht bewußt
. S.172

Die Wohnung GOttes.
GOtt wohnet in sich selbst / sein Wesen ist sein Haus:
Drum gehet Er auch nie aus seiner GOttheit aus.
S.172

Die Jungfrauschaft.
Was ist die Jungfrauschaft? frag was die Gottheit sei:
Doch kennst du Lauterkeit / so kennst du alle zwei.
S.73

Die GOttheit und Jungfrauschaft.
Die Gottheit ist so nah der Jungfrauschaft verwandt /
Daß sie auch ohne die nicht Gottheit wird erkannt.
S.73

Die Quelle und das Meer
Die Gottheit.
Die Gottheit ist ein Brunn / aus ihr kommt alles her:
Und läuft auch wieder hin / drum ist sie auch ein Meer
. S.137

Die Bach wird das Meer.
Hier flüss‘ ich noch in GOtt als eine Bach der Zeit:
Dort bin ich selbst das Meer der ewgen Seeligkeit.
S.173

Im Meer werden alle Tropfen Meer.
Das Tröpflein wird das Meer / wenn es ins Meer gekommen:
Die Seele GOtt! wenn sie in GOtt ist aufgenommen.
S.272

Im Meer kann man kein Tröpflein unterscheiden.
Wenn du das Tröpflein wirst im großen Meere nennen:
Denn wirst du meine Seel im großen GOtt erkennen.
S.272

Im Meer ist auch ein Tröpflein Meer.
Im Meer ist alles Meer auchs kleinste Tröpfelein:
Sag welche Heilge Seel in GOtt nicht Gott wird sein. S.272

Im Meer seind viel eins.
Viel Körnlein seind ein Brot / ein Meer viel Tröpfelein;
So seind auch unser viel in GOtt ein einges ein.
S.273


Dreifacheinige Dreifaltigkeit
Der Punkt / die Linie und die Fläche.
GOtt Vater ist der Punkt; aus fließt GOtt der Sohn
Die Linie : GOtt der Geist ist beider Fläch' und Kron'.
S.162

Gleichnis der Heiligen Dreieinigkeit.
GOtt Vater ist der Brunn / der Quell der ist der Sohn /
Der heilge Geist der ist der Strom so fließt davon.
S.206

Des Weisen Ahnen.
Des Weisen Ahnen seind Gott Vater / Sohn und Geist:
Von denen schreibt er sich / wenn er sein Ankunft preist.
S.281

Wirkung der Heiligen Dreifaltigkeit.
Der Sohn erlöset uns / der Geist der macht uns leben /
Des Vaters Allmacht wird uns die Vergottung geben.
S.281

Noch von dieser.
In Christo sterben wir / stehn auf im Heilgen Geist /
Im Vater werden wir für Kinder Gotts gepreist.
S.281

Ewigkeit / Zeit
Die Ewigkeit.
Was ist die Ewigkeit? Sie ist nicht dies / nicht das /
Nicht Nun / nicht Ichts / nicht Nichts / sie ist / ich weiß nicht was.
S.94

Die Ewigkeit wird nicht gemessen.
Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren / Tagen / Stunden:
Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunkt gefunden.
S.81

In der Ewigkeit geschieht alles zugleich.
Dort in der Ewigkeit geschiehet alls zugleich:
Es ist kein vor noch nach wie hier im Zeitenreich.
S.209

Die Zeit und Ewigkeit.
Du sprichst: Versetze dich aus Zeit in Ewigkeit.
Ist dann an Ewigkeit und Zeit ein Unterscheid?
S.54

Der Mensch der macht die Zeit.
Du selber machst die zeit: das Uhrwerk sind die Sinnen:
Hemmst du die Unruh nur / so ist die Zeit von hinnen.
S.54

Was GOtt von Ewigkeit getan.
Was tat Gott vor der Zeit in seinem Ewgen Thron?
Er liebete sich selbst / und zeugte seinen Sohn.
S.138

Zeit ist edler als Ewigkeit.
Die Zeit ist edeler als tausend Ewigkeiten:
Ich kann mich hier dem Herrn / dort aber nicht bereiten.
S.206

Vom Ewigen Bewegen.
Du suchst mit solchem Fleiß das ewige Bewegen /
Und ich die Ewge Ruh: woran ist mehr gelegen?
S.138

Die Stille gleicht dem Ewgen nicht.
Nichts ist dem Nichts so gleich als Einsamkeit und Stille:
Deswegen will sie auch / so er was will / mein Wille.
S.108

Die Ewigkeit.
Im Fall dich länger dünkt die Ewigkeit als Zeit:
So redest du von Pein und nicht von Seeligkeit.
S.109

Im Grund ist alles eins.
Man redt von Zeit und Ort / von Nun und Ewigkeit:
Was ist dann Zeit und Ort / und Nun und Ewigkeit?
S.53

Die Gottesschauer.
Was tun die Schauer Gotts? sie tun das in der Zeit /
Was andre werden tun dort in der Ewigkeit.
S.155

Gut und Böse
Das Ew’ge Ja und Nein.
GOtt spricht nur immerJa; der Teufel saget nein:
Drum kann er auch mit GOtt nicht Ja und eines sein.
S.72

Das Böse ist deine.
Das Gute kommt aus Gott / drum ist's auch sein‘ allein.
Das bös’ entsteht aus dir: das laß du deine sein.
S.221

Drei Feinde des Menschen.
Drei Feinde hat der Mensch: sich / Beelzebub und Welt:
Aus diesem wird der Erst am langsamsten gefällt.
S.147

Die Sünde.
Die Sünd‘ ist anders nichts / als daß ein Mensch von GOtt
Sein Angesicht abwendet / und kehret sich zum Tod.
S.163

Die Ichheit schadet mehr als tausend Teufel.
Mensch hüte dich vor dir. Wirst du mit dir beladen /
Du wirst dir selber mehr als tausend Teufel schaden.
S.209

Das Werteste.
Kein Ding ist auf der Welt so hoch und wert zu achten /
Als Menschen die mit Fleiß nach keiner Hochheit trachten.
S.126

Das Schädlichste.
Die Sünde weil sie Gott erzörnt / und dich verletzt /
Wird billich schädlicher als Satan selbst geschätzt.
S.126

An den Sünder.
Der reichste Teufel hat nicht einen Kieselstein:
Du bist des ärmsten Sklav: kann auch was ärmer’s sein?
S.127

Die glückseelige Sünden.
Glückseelig preis ich dich und alle deine Sünden /
Wo sie nur endlich das / was Magdalene finden.
S.127

Sich nicht verstellen ist nicht sündigen.
Was ist nicht sündigen? du darfst nicht lange fragen:
Geh hin / es werdens dir die stummen Blumen sagen.
S.127

Ein reines Herz schaut GOtt.
Der Adler sieht getrost grad in die Sonn hinein:
Und du inn Ewgen Blitz / im Fall dein Herz ist rein.
S.127

Liebe
GOtt ist mein Punkt und Kreis.
GOtt ist mein Mittelpunkt, wenn ich ihn in mich schließe;
Mein Umkreis dann / wenn ich aus Lieb‘ in ihm zerfließe.
S.134

Die Liebe ist aber Furcht.
GOtt fürchten ist sehr gut: doch ist es besser lieben:
Noch besser über Lieb‘ in Ihn sein aufgetrieben.
S.72

Die Lieb‘ ist ein Magnet.
Die Lieb’ ist ein Magnet / sie ziehet mich in GOtt:
Und was noch größer ist! sie reisset GOtt inn Tod.
S.72

Die Liebe ist über Wissen.
Mit GOtt vereinigt sein / und seinen Kuß genießen /
Ist besser als viel Ding ohn seine Liebe wissen.
S.136

Die Liebe ist ewig.
Die Hoffnung höret auf: der Glaube kommt zum schauen /
Die Sprachen redt man nicht / und alles was wir bauen /
Vergehet mit der Zeit; die Liebe bleibt allein:
So lasst uns doch schon jetzt auf sie befliessen sein.
S. 136

Der Irrwisch.
Wer ohne Liebe lauft / kommt nicht ins Himmelreich:
Er springt bald hin bald her / ist einem Irrwisch gleich.
S.137

Die Lieb‘ ist's Glaubens Seele.
Der Glaub allein ist Tod / Er kann nicht eher Leben /
Bis daß ihm seine Seel die Liebe wird gegeben
. S.137

Das Merkmal ist die Liebe.
Mensch wann du willst im Volk die Freunde GOtts erfragen /
So schau nur, welche Lieb‘ in Herz und Händen tragen.
S.138

Vom Lieben.
Die Liebe dieser Welt die endt sich mit betrüben:
Drum soll mein Herz allein die Ewge Schönheit lieben.
S.139

Die Liebe.
Die Liebe dieser Welt will alls für sich allein.
Die Liebe GOttes macht dem Nächsten alls gemein:
Die wird ein jeder Mensch für Liebe wohl erkennen /
Jen‘ aber soll man Neid / und keine Liebe nennen.
S.166

Wahre Liebe ist beständig.
Laß doch nicht ab von Gott / ob du sollst elend sein:
Wer ihn von Herzen liebt / der liebt Ihn auch in Pein.
S.221

GOttes Schmiede Feuer.
Der Eifer ist ein Feur / brennt er ums Nächsten Heil /
So schmiedet GOtt dabei / der Liebe Donnerkeil.
S.280

Die Menschheit soll man lieben.
Daß du nicht Menschen liebst / das tust du recht und wohl /
Die Menschheit ist’s die man im Menschen lieben soll.
S.51

Mensch
Der Mensch.
Das größte Wunderding ist doch der Mensch allein:
Er kann / nach dem er’s macht / GOtt oder Teufel sein.
S.163

Der Mensch ist etwas Großes.
Der Mensch muß doch was sein! GOtt nimmt sein Wesen an:
Um aller Engel Willen hätt‘ er solch’s nicht getan.
S.207

Der Mensch ist zwei Menschen.
Zwei Menschen sind in mir: Der eine will was Gott /
Der andre was die Welt der Teufel und der Tod.
S.205

Der Mensch ist eine Kohle.
Mensch du bist eine Kohl / GOtt ist dein Feur und Licht:
Du bist schwarz / finster / kalt / liegst du in Ihme nicht.
S.172

Der Mensch steckt in einem Tier.
Kreuch doch heraus mein Mensch / du steckst in einem Tier/
Wo du darinnen bleibst / kommst du bei Gott nicht für.
S.220

Der Larven Mensch.
Ein Mensch, der wie das Vieh in alle Lust ausbricht /
Ist nur ein Larven Mensch: er scheint und ist’s doch nicht.
S.240

Bei welchem GOtt gerne ist.
Mensch, wenn du Gottes Geist bist wie dir deine Hand /
Macht die Dreifaltigkeit sich gern mit dir bekannt.
S.241

Die Seele außer ihrem Ursprung.
Ein Fünklein aus dem Feur / ein Tropfen aus dem Meer:
Was bist du doch O Mensch ohn deinen Wiederkehr?
S.241

In GOtt ist alles.
Was deine Seel begehrt / bekommt sie alls in GOtt:
Nimmt sie es außer Ihm / so wird es ihr zum Tod.
S.241

Wen Gott nicht los kann bitten.
Mensch stirbst du ohne GOtt: es kann nicht anders sein /
Bitt‘ auch GOtt selbst für dich / du musst in Pfuhl hinein.
S.241

Du musst die Kindschaft haben.
So du den höchsten Gott willst deinen Vater nennen /
So musst du dich zuvor sein Kind zu sein / bekennen.
S.51

Soviel du in GOtt / so viel Er in dir.
So viel die Seel in GOtt / so viel ruht GOtt in jhr:
Nichts minder oder mehr / Mensch glaub es / wird er dir.
S.51

Alle Menschen müssen ein Mensch werden.
Der Vielheit ist GOtt feind; Drum zieht er uns so ein:
Daß alle Menschen solln in Christo einer sein.
S.209

Mensch in Gott / GOtt im Menschen.
Wenn ich bin Gottes Sohn / wer es dann sehen kann /
Der schauet Mensch in GOtt und Gott im Menschen an.
S.72

Rose
Die Rose.
Die Rose / welche hier dein äußres Auge sieht /
Die hat von Ewigkeit in GOtt also geblüht.
S.43

Von den Rosen.
Die Rosen seh ich gern: denn sie sind weiß und rot /
Und voller Dornen / wie mein Blut-Bräutgam mein GOtt.
S.125

Auch untern Dornen blühen.
Christ / so du Unverwelkt in Leiden Kreuz und Pein /
Wie eine Rose blühst / wie seelig wirst du sein!
S.125

Dich auftun wie die Rose.
Dein Herz empfänget GOtt mit alle seinem Gut /
Wann es sich gegen ihm wie eine Ros‘ auftut.
S.125

Es muß Gekreuzigt sein.
Freund wer in jener Welt will lauter Rosen brechen /
Den müssen vor allhier die Dornen gnugsam stechen.
S.125

Die geheime Rose.
Die Ros‘ ist meine Seel / der Dorn des Fleischeslust /
Der Frühling Gottes Gunst / sein Zorn ist Kält und Frost:
Ihr Blühn ist gutes tun / den Dorn ihr Fleisch nicht achten /
Mit Tugenden sich ziern / und nach dem Himmel trachten:
Nimmt sie die Zeit wohl wahr / und blüht weils Frühling ist /
So wird sie ewiglich für GOttes Ros‘ erkiest.
S.126

Seele
Die Seele kommt von GOtt.
Die Seel ist ein Flamm aus GOtt dem Blitz gegangen:
Ach sollte sie dann nicht in ihn zurück gelangen.
S.95

Die Macht der Seelen.
Die Seel ist groß von Macht / GOtt selbst muß ihr gestehn /
Und kann ihr nimmermehr ohn ihren WilIn entgehn.
S.134

Nichts ist herrlicher als die Seele.
Sollt‘ auch was herrlicher’s als meine Seele sein /
Weil GOtt die Herrlichkeit sich selbst verwandelt drein?
S.205

Die Seel ist über Zeit.
Die Seel ein ewger Geist ist über alle Zeit:
Sie lebt auch in der Welt schon in der Ewigkeit.
S. 206

Die Augen der Seele.
Zwei Augen hat die Seel: eins schauet in die Zeit /
das andere richtet sich hin zur Ewigkeit.
S.146

Die beste Sicherheit.

Schlaf meine Seele schlaf: Dann in des Liebsten Wunden
Hast du die Sicherheit und volle Ruh gefunden.
S.73

Das Weib auf dem Monden in Apoc.
Was sinnest du so tief? das Weib im Sonneschein
Das auf dem Monden steht / muß deine Seele sein.
S.73

Der Seelen wird es nie Nacht.
Mich wundert, daß du darfst den Tag so sehr verlangen!
Die Sonn ist meiner Seel noch niemals untergangen.
S. 206

Nichts leuchtet ohne die Sonne.
Rauh ist der Mond gestalt ohn seiner Sonne Licht:
Rauh ohne deine Sonn dein Seelen Angesicht.
S.253

Du selbst mußt Sonne sein.
Ich selbst muß Sonne sein / ich muß mit meinen Strahlen
Das farbenlose Meer der ganzen Gottheit malen.
S.44

Wer das ewige Licht sieht.
Das Licht der Ewigkeit / das leucht auch in der Nacht.
Wer siehts? der jen’ge Geist / der’s heiliglich betracht.
S.252

Das Ewge Licht.
Ich bin ein Ewig Licht / Ich brenn ohn Unterlaß:
Mein Docht und Öl ist Gott / Mein Geist der ist das Faß
. S.50

Tod
Das immerwährende Sterben.
Ich sterb‘ und lebe GOtt: will ich ihm ewig Leben /
So muß ich ewig auch für Ihm den Geist aufgeben.
S.32

GOtt stirbt und lebt in uns.
Ich sterb‘ und leb‘ auch nicht: GOTT selber stirbt in mir:
Und was ich leben soll; lebt Er auch für und für. S.32

Außer GOtt leben ist tot sein.
Mensch glaube dies gewiß: Wo du nicht lebst in Gott /
Lebst du gleich tausend Jahr / du bist so lange tot.
S.204

Der Ichheit Tod stärkt in dir Gott.
So viel mein Ich in mir verschmachtet und abnimmt /
So viel des Herren Ich darfür zu Kräften kommt.
S.206

Nichts lebet ohne Sterben.
GOtt selber / wenn Er dir will leben / muß er sterben:
Wie denkst du ohne Tod sein Leben zuererben?
S.32

Der Tod vergottet dich.
Wenn du gestorben bist / und GOtt dein Leben worden /
So trittst du erst recht in der Hohen Götter Orden.
S.32

Der Tod ist's beste Ding.
Ich sage / weil der Tod allein mich machet frei;
Daß er das beste Ding aus allen Dingen sei.
S.32

Kein Tod ist ohn ein Leben.
Ich sag es stirbet nichts; nur daß ein ander Leben /
Auch selbst das Peinliche / wird durch den Tod gegeben.
S.32

Der Tod
Der Tod beweget mich nicht: ich komme nur durch ihn,
wo ich schon nach dem Geist mit dem Gemüte bin.
S.165

Verlust und Gewinn.
Der Tod ist mein Gewinn / Verlust das lange Leben:
Und dennoch dank ich GOtt daß er mir dies gegeben.
Ich wachs‘ und nehme zu / so lang ich hier noch bin:
Darum ist auch gar wohl das Leben mein Gewinn.
S.173

Dem Toten ist alles Tod.
Wenn du gestorben bist / so scheinet dir von Not
Mein Mensch die ganze Welt und alls Geschöpfe tot.
S.220

Wenn der Mensch Gott ist.
Eh‘ als ich ich noch war / da war ich Gott in Gott:
Drum kann ichs wieder sein, wenn ich nur mir bin tot. S.221

Alles kehrt wieder in seinen Ursprung.
Der Leib von Erde her wird wiederum zur Erden:
Sag weil die Seel von Gott / ob sie nicht Gott wird werden?
S.221

Die Ewigkeit ist uns angeborn.
Die Ewigkeit ist uns so innig und gemein:
Wir wollen gleich oder nicht / wir müssen Ewig sein.
S.221

Weisheit
Wo die Weisheit gerne ist.
Die Weisheit findt sich gern wo ihre Kinder sind /
Warum? (O Wunder Ding!) sie selber ist ein Kind.
S.51

Der Spiegel der Weisheit.
Die Weisheit schauet sich in ihrem Spiegel an.
Wer ists? sie selber / und wer Weisheit werden kann.
S.51

Der ewigen Weisheit Haus.
Die Ewge Weisheit baut: Ich werde der Palast:
Wann sie in mir / und ich in ihr gefunden rast.
S.54

Der Gelassene leidet keinen Schaden.
Wer nichts mit Eigentum besitzet in der Welt /
Der leidet nicht Verlust wann ihm gleich‘s Haus einfällt.
S.207

Der Weise grämt sich nie.
Der Weise wird sich nie in Pein und Unglück grämen:
Er bitt GOtt nicht einmal / daß ers von ihm soll nehmen.
S.207

Vorbereitung macht weniger Empfindligkeit.
Wie daß den Weisen nie betrübet Weh und Leid?
Er hat sich lang zuvor auf solchen Gast bereit.
S.207

Dem Weisen gilt alles gleich.
Alls gilt dem Weisen gleich; er sitzt in Ruh und Stille:
Geht es nach seinem nicht / so geht’s nach Gottes Wille.
S.207

Der Weise fehlt nie des Ziels.
Der Weise fehlet nie: er trifft allzeit das Ziel;
Er hat ein Augenmaß / das heißet wie GOtt will.
S.208

Des Narren und Weisen Gemeinschaft.
Ein Narr ist gern zerstreut / ein Weiser gern allein:
Er machet sich mit alln / der nur mit GOtt gemein.
S.273

Der Geizigen und Weisen Wirkung.
Der Weise streuet aus für seine Freund in GOtt;
Der Geizhals sammlet ein fürn Teufel und fürn Tod.
S.273

Der Weise hat alles gemein.
Der Weise was er hat / hat alls mit alln gemein /
Wie da? er schätzet alls / sich selbst auch nicht für sein.
S.280

Des Weisen und Narren Werk.
Des Weisen ganzes Werk / ist daß er werde GOtt:
Der Narr bemühet sich bis er wird Erd und Kot.
S.281

Der Weise irret nie.
Der Weise geht nie irr! er hängt auf jeder Bahn!
Der Ewgen Wahrheit (GOtt) mit allen Kräften an.
S.284

Wer weise ist.
Der ist der Weise Mann / der sich und Gott wohl kennt /
Wem dieses Licht gebricht / der ist unweis’ und verblend.
S.284

Wie man weise wird.
Mensch willst du weise sein / willst Gott und dich erkennen /
So musst du vor in dir die Welt Begier verbrennen.
S.285

Was des Menschen Weisheit ist.
Deß Menschen Weisheit ist Gottseelig sein auf Erden /
Gleichförmig GOttes Sohn an Sitten und Gebärden.
S.285

Die Wahrheit macht weise sein.
Die Wahrheit gibt das Sein: wer sie nicht recht erkennt /
Der wird mit keinem Recht ein Weiser Mann genennt.
S.285

Rein macht GOtt gemein.
Nichts unreins kommt zu Gott! Bist du nicht funkel rein
Von aller Kreatur / so wirst ihm nie gemein.
S.285

Welt
Die Welt.
Zu GOtt kommt man durch GOtt: zum Teufel durch die Welt;
Ach daß sich doch ein Mensch zu dieser Hure hält!
S.167

Die Figur ist vergänglich.
Mensch die Figur der Welt vergehet mit der Zeit:
Was trotzst du dann so viel auf ihre Herrlichkeit.
S.167

Die Welt ist von Ewigkeit.
Weil GOtt der ewige die Welt schuf außer Zeit:
So ists ja Sonnen-klar daß sie von Ewigkeit.
S.209

Der Welt Tun ist ein Trauerspiel.
Freund gönn‘ es doch der Welt / ihr gehts zwar wie sie will:
Doch ist ihr ganzes Tun nichts als ein Trauerspiel! S.209

An den Weltliebenden.
Die Seele weil sie ist gemacht zur Ewigkeit /
Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieser Zeit:
Drumb wunder ich mich sehr / daß du die Welt so liebst /
Und aufs Zergängliche dich setzest und begibst. S.172

Die Welt muß belacht und beweint werden.
Fürwahr wer diese Welt recht nimmt in Augenschein /
Muß bald Democritus / bald Heraclitus sein.
S.280

Dein Kerker bist du selbst.
Die Welt hält dich nicht / du selber bist die Welt /
Die dich in dir mit dir so stark gefangen hält.
S.84

Die Welt ist verblendt.
Wie daß die Welt so sehr nach eitlen Dingen rennt?
Verwunder dich nicht Freund / sie rast und ist verblend. S.278

Die Welt soll man nicht anschaun.
Wend ab dein Angesicht / die Welt nur angeblickt!
Hat manches edles Blut verzaubert und berückt.
S.279

Die Welt muß beschaut sein.
Kehr hin dein Angesicht / und schau die eitle Welt!
Wer sie nicht recht betracht / der wird fürwahr gefällt.
S.279

Die Welt ist ein Sandkorn.
Wie daß denn bei der Welt GOtt nicht geschaut kann sein?
Sie kränkt das Auge stets / sie ist ein Sandkörnlein.
S.285

Zahl
Alles muß wider in Eins.
Alls kommt aus einem her / und muß in Eines ein:
Wo es nicht will gezweit / und in der Vielheit sein.
S.188

Wie die Zahlen aus dem Eins / so die Geschöpfe aus GOtt.
Die Zahlen alle gar sind aus dem Eins geflossen;
Und die Geschöpf zumal aus GOTT dem Eins entsprossen.
S.188

GOtt ist in allen wie die Einheit inn Zahlen.
Gleich wie die Einheit ist in einer jeden Zahl;
So ist auch GOtt der Ein‘ inn Dingen überall.
S.188

Nichts kann ohn das Eins bestehn.
Wie all‘ und jede Zahln ohns eines nicht bestehn;
So müssen die Geschöpf ohn GOtt das Eins vergehn.
S.188

Die Nulle gilt vornen an nichts.
Das Nichts die Kreatur / wenn sichs Gott vorgesetzt /
Gilt nichts: steht‘s hinter Ihm / dann wird es erst geschätzt.
S.188

Im Eins ist alles Eins.
Im Eins ist alles Eins: kehrt zwei zu ruck hinein /
So ist es wesentlich mit ihm ein einges Ein
. S.189

Die geheime Kronenzahl.
Zehn ist die Kronenzahl; sie wird aus eins und nichts:
Wenn GOtt und Kreatur zusammen kommn / geschichts.
S.189

Beschluß.
Freund es ist auch genug. Im Fall du mehr willst lesen /
So geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen.
S.285
ENDE
Aus: Angelus Silesius (Johann Scheffler), Cherubinischer Wandersmann
Kritische Ausgabe . Herausgegeben von Louise Gnädinger
Reclams Universalbibliothek Nr. 8006
© 1984 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages