Alkuin [Alchvine, latinisiert Albinus, Beiname Flaccus] (um 730 – 804)
Angelsächsischer
Theologe, der 796 zum Abt des Klosters
St. Martin in Tours und 781 ins Frankenreich berufen wurde. Als Freund, Lehrer und Berater Karls
des Großen nahm Alkuin an der
Begründung der Karolingischen Renaissance teil und vermittelte als »gelehrtester Mann seiner Zeit« das überkommene philosophisch-theologische Wissen. Siehe auch Wikipedia und Heiligenlexikon |
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Aus der »Schrift
über die Seele«
IX. Es ist für gewiss festzuhalten, dass die Seele, wenn sie
in der Würde geblieben wäre, in welcher sie vom Schöpfer ins
Dasein gerufen wurde, durchaus unsterblich wäre, wie die Seelen der Heiligen sind. Nachdem sie nun aber auf Antrieb des bösen Geistes aus freiem Willen gefallen ist, so ist sie aus einer unsterblichen eine sterbliche geworden — freilich nur teilweise und nicht ganz. Wie die Seele das
Leben des Leibes ist, so ist Gott das Leben der Seele. Wenn die Seele den Leib verlässt, so stirbt er, und man sagt mit Recht, er sei tot,
weil er unempfindlich ist. Doch ist der Leib eine Art Verderbnis, wegen der
Beschaffenheit des Fleisches, obschon er das Leben nicht von der Seele hat. Der Tod der Seele aber tritt ein, wenn Gott sie wegen der Größe ihrer
Vergehen, mit Seiner Gnadengabe verlässt, und sie ihrem besseren Teile
nach stirbt.
Die Seele ist aber von ihrem Schöpfer durch zwiefache Würde in ihrem
Wesen verherrlicht, nämlich durch die Ewigkeit und durch die Seligkeit.
Die Seligkeit der Seele besteht darin, Gott in sich zu haben. Aber wie zu haben?
Indem sie gerecht ist, weil Gott gerecht ist; barmherzig, weil Gott barmherzig
ist; gut, weil Gott gut ist; heilig, weil Gott heilig ist; und indem sie die
Liebe habe, weil Gott die Liebe ist. Je mehr einer von diesem in sich hat, um
so mehr hat er Gottes Bild und Gleichnis in sich. Wer aber dieses und ähnliches,
welches der Apostel die Früchte des Geistes nennt, nicht in der Seele hat,
der wird der Einwohnung Gottes unwürdig und wird halbtot, ähnlich
dem Manne, der von Jerusalem nach Jericho ging und von den Räubern geplündert,
verwundet und halbtot zurückgelassen wurde. Halbtot wird die Seele sein,
wenn sie wegen ihrer Laster und Missetaten die Seligkeit der Anschauung und
die Einwohnung Gottes verloren hat.
Die Ewigkeit aber, für welche sie geschaffen ist, kann sie nicht verlieren.
Denn wegen ihrer Sünde wird die Seligkeit in Elend verkehrt werden, was
geschieht, wenn die Begierde und die Leidenschaft im Menschen mächtiger
geworden ist, als die Vernunft, durch welche er allein vor allen Lebenden ausgezeichnet
ist... (S.79f..)
Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band II, Die
Welt der Mystik . Herausgegeben von Walter Tritsch Holle Verlag , Darmstadt