Allmacht
(lat. omnipotentia)
Siehe auch bei Eisler
und Kirchner
Inhaltsverzeichnis
Versuch
der Darstellung einer logisch in sich stimmigen Definition
des Begriffes »Allmacht«
Wenn jemand - unbeeinflusst von wie auch immer gearteten
ideologischen Voreingenommenheiten – den Begriff Allmacht
in seinem logischen Zusammenhang analysiert, dann kommt er zu
dem Schluss, dass »Allmacht«
uneingeschränkte Macht haben muss über alles, was war, ist und sein
wird und dass für die Ausübung dieser Allmacht notwendigerweise die
absolute Herrschaft über eine gewaltige,
allumfassende, unwiderstehbare und unzerstörbare Kraft (Allkraft)
vorhanden sein muss. Der unermesslichen
Gewalt (Allgewalt) dieser Kraft
kann nichts in dieser Welt
widerstehen.
Bezogen auf ein hypothetisches – ein von allem anderem und allen anderen
völlig unabhängiges - allmächtiges
Wesen, kann Allmacht als naturgegebenes
Können (Vermögen)
definiert werden, in dem alles Mögliche,
in den Schein der Wirklichkeit umgesetzt
werden kann, sofern das Wesen es will.
Populär ausgedrückt: Ein solches Wesen ist ein Alleskönner, der
unter Einsatz seiner Fähigkeiten, die ihm seine natürlichen Eigenschaften
verleihen, alles Mögliche bewirken
und verwirklichen kann,
sofern es ihm beliebt. Möglich ist auf jeden Fall alles, was sich ohne
Widerspruch denken lässt. Unmögliches,
wie z. B. das Unwesen eines reinen Nichts,
kann selbst ein allmächtiges
Wesen nicht in
Kraft setzen (bewirken).
Ein interessanter Aspekt der Allmacht ist, dass
ein allmächtiges Wesen sich
auch unbedingt irren können muss, wenn es wirklich allmächtig sein
soll. Warum?
1. Wenn es sich nicht
irren könnte, wäre es nicht allmächtig,
weil es nicht wirklich alles in die Tat umsetzen könnte, was tatsächlich
möglich ist. Und dazu gehören nun einmal auch
Irrtümer …
2. Wenn es sich nicht
irren könnte, wäre es
nicht wirklich frei, weil er immer nur das tun müsste,
was ihm seine Allwissenheit als uneingeschränkt
richtig vorflüstert.
Weiterhin muss es in der Tat böse
werden können und auch Böses
tun können, wenn es uneingeschränkt
allmächtig sein soll. Warum?
1. Wenn es immer nur gut
sein müsste, wäre
es nicht allmächtig,
weil es nicht alles in die Tat
umsetzen könnte, was
möglich ist. Und dazu gehört nun leider auch Böses.
2. Wenn es immer nur gut
sein müsste, wäre es
nicht wirklich frei, weil es nicht
alles in die Tat umsetzen könnte,
was möglich ist. Und dazu
gehört auch leider Böses.
Es lassen sich zwar vielerlei gute Gründe denken, warum ein solches Wesen
immer nur Gutes wollen
sollte, aber leider keinen einzigen, dass es dieses auch immer
tun müsste.
Dasselbe gilt von der Allwissenheit
und der Vollkommenheit, die einem solchen
Wesen immer gerne vorgeschrieben
wird.
Wenn das allmächtige Wesen,
in jedem einzelnen Falle immer von den Erfahrungen und Erkenntnissen in seiner
so genannten »Allwissenheit«
Gebrauch machen müsste, dann
könnte es weder wirklich
allmächtig noch völlig frei sein…
Wenn ein Wesen wirklich vollkommen
sein soll, dann muss es alles
können, was immer auch möglich
ist und dazu gehört auch die Möglichkeit, unvollkommen
handeln zu können.
Irren ist göttlich, Verirrte sind menschlich … Ach, wie langweilig
wäre es doch, wenn immer alles gewusst werden müsste: Freiheit ade!
Gesetzt den Fall vor dem Fall im Knall, es gäbe so etwas wie
Gott, dann könnten
wir ihn kaum allmächtig nennen, wenn er sich weder irren noch
böse werden könnte.
Die unauflösbare Schwierigkeit ist nur, das liegt wohl an der unveränderlichen
Statur seiner Natur: Falls einem Gott (natürlich
nur in bester Absicht) ein Fehler unterlaufen würde, dann müsste
allein der Fehler diesen auswaden.
Eines ist aber unüberfühlbar, falls es so etwas wie Gott
gibt, dann könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass er
nicht nur die Kriterien für Allmacht
in vollem Umfange erfüllt, sondern diese auch in seinem Freiheitsspielraum
bis zum äußersten Extrem ausnutzt.
Das Spiel ist in seinem Zusammenhang untrennbar verwoben und spielt sich in
dem Gefühl zwischen Wollen und
Sollen, Können
und Müssen, Nichtwissen
und vorhersehbarem Wissen ab.
Nachstehend Äußerungen von einigen Philosophen über Allmacht:
Nikolaus
von Kues (1401
- 1464)
Die Allmacht hat ihre Grenze
nur in sich selbst.
Es hat nämlich die größte Macht ihre Grenze nur in sich selbst,
weil außer ihr nichts und sie unendlich ist. In keinem Geschöpfe
findet sie somit eine Grenze, dass sie nicht im Verhältnis zu irgend einem
gegebenen Geschöpfe ein besseres und vollkommeneres erschaffen könnte.
Wird nun ein Mensch zur Vereinigung mit der Allmacht selbst erhoben, so dass
dieser Mensch nicht mehr ein in sich, sondern in der Einheit mit der unendlichen
Macht bestehendes Geschöpf ist, so ist hier die Allmacht nicht durch das
Geschöpf, sondern nur durch sich selbst beschränkt. Es ist dies die
vollkommenste Tätigkeit (perfectissima operatio)
der unendlichen und unbegrenzbaren Allmacht Gottes, in der kein Mangel
sein kann sonst wäre weder der Schöpfer, noch das Geschöpf.
[Nicolaus von Cues: Von der Wissenschaft des Nichtwissens,
S. 172. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 9125 (vgl. Nicolaus-S, S.
80-81)]
Jakob
Böhme (1575
– 1624)
Die Hände Gottes
Die Hände bedeuten die Allmacht Gottes; denn gleichwie Gott in der Natur
kann alles verändern und daraus machen, was er will, also auch kann der
Mensch mit seinen Händen alles das, was aus der Natur gewachsen oder worden
ist, verändern und aus demselben mit seinen Händen machen, was er
will. Er regieret mit den Händen der ganzen Natur Werk und Wesen, und sie
bedeuten recht die Allmacht Gottes.
[Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang,
S. 56. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 11285 (vgl. Böhme-Aurora,
S. 65)]
Baruch
(Benedictus) Spinoza
(1632 – 1677)
Die Allmacht Gottes ist von
Ewigkeit her wirksam.
Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (s.
Lehrsatz 16), dass aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen
Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen
ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks
von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, dass dessen drei Winkel zwei rechten
Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam
gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren.
Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als
eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes
(es sei mir verstattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich
gezwungen einzuräumen, dass Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was
er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich
alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme,
seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als
vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, dass sie zugleich behaupten müssen,
Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich
kann mir nicht denken daß eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht
in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.
[Spinoza: Ethik, S. 41. Digitale Bibliothek Band 2:
Philosophie, S. 16765 (vgl. Spinoza-Ethik, S. 48)]
Gottfried
Wilhelm Leibniz (1646
- 1716)
Allmacht ist die Unabhängigkeit
Gottes von allen Anderen sowie die Abhängigkeit aller Anderen von ihm
3. Die Größe Gottes ist sorgfältig, besonders gegen die Socinianer
und einige Halb-Socinianer zu schützen; Conrad Vorstius hat am meisten
von ihnen dagegen gesündigt. Man kann die Größe auf zwei Hauptkapitel
zurückführen, auf die Allmacht und auf die Allwissenheit.
4. Die Allmacht befasst sowohl Gottes Unabhängigkeit von Andern, wie Aller
Abhängigkeit von ihm.
5. Die Unabhängigkeit Gottes tritt im Dasein und im Handeln hervor. Im
Dasein, insofern Gott notwendig und ewig ist, und, wie man gemeiniglich sagt,
ein Ding an sich. Daraus folgt auch, dass Gott unermesslich ist.
6. Im Handeln ist Gott in natürlicher und in moralischer Weise unabhängig.
In natürlicher Weise, insofern er der freieste ist und nur von sich selbst
zum Handeln bestimmt wird; in moralischer Weise, insofern er anypeuthynos (nicht
unterwürfig) ist, oder keinen über sich hat.
7. Die Abhängigkeit der Dinge von Gott erstreckt sich sowohl auf alles
Mögliche, oder auf das, was keinen Widerspruch enthält, wie auch auf
alles Wirkliche.
8. Die Möglichkeit der Dinge, die nicht wirklich bestehen, hat in dem göttlichen
Dasein ihre begründete Wirklichkeit, denn wenn Gott nicht wäre, so
würde es auch nichts Mögliches geben; das Mögliche ist daher
von Ewigkeit in den Vorstellungen des göttlichen Verstandes enthalten.
9. Das Wirkliche hängt, in Rücksicht teils des Seins, teils des Handelns,
von Gott ab, und zwar nicht bloß von seinem Verstande, sondern auch von
seinem Willen; nämlich in Rücksicht des Seins, insofern alle Dinge
frei von Gott erschaffen sind und auch von Gott erhalten werden, und es ist
keine falsche Lehre, dass die göttliche Erhaltung eine fortgehende Schöpfung
sei, gleich dem Strahl, der stetig von der Sonne ausstrahlt, wenn auch die Geschöpfe
nicht aus Gottes Wesen und auch nicht notwendig hervorgehen.
10. Im Handeln hängen die Dinge von Gott ab, indem Gott zum Handeln der
Dinge mitwirkt, insoweit in den Handlungen einige Vollkommenheit enthalten ist,
welche allerdings von Gott herkommen muss.
11. Die Mitwirkung Gottes (auch die gewöhnliche und
nicht wunderbare) ist zugleich eine unmittelbare und eine besondere;
und zwar eine unmittelbare, indem die Wirkung nicht bloß deshalb von Gott
abhängt, weil dessen Ursache von Gott entstanden ist, sondern weil Gott
nicht weniger, noch entfernter in Hervorbringung der Wirkung mitwirkt, als in
Hervorbringung von dessen Ursache.
12. Eine besondere ist aber die Mitwirkung, weil sie nicht bloß auf die
Entstehung der Sache und der Handlung gerichtet ist, sondern auch auf die Art
und die Eigenschaften des Seins, so weit ihnen etwas von Vollkommenheit einwohnt,
was immer von Gott, dem Vater
des Lichts und dem Geber alles Guten herkommt.
[Leibniz: Die Theodicee, S. 793. Digitale Bibliothek
Band 2: Philosophie, S. 18110 (vgl. Leibniz-Theod., S. 504f)]
Emanuel von Swedenborg
(1688
– 1772)
Gottes
Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart
Immanuel
Kant (1724 -
1804)
Über die Begriffe Gott
und Allmacht
Wenn ich sage, Gott ist allmächtig, so wird nur diese
logische Beziehung zwischen Gott und der Allmacht gedacht, da das letztere ein
Merkmal des erstern ist. Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob Gott sei, das ist,
absolute gesetzt sei oder existiere, das ist darin gar nicht enthalten. Daher
auch dieses Sein ganz richtig selbst bei denen Beziehungen gebraucht wird, die
Undinge gegen einander haben.
[Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund
zu einer Demonstration des Daseyns Gottes. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 70
(vgl. Kant-W Bd. 2, S. 633)]
Gott ist allmächtig; das ist ein notwendiges Urteil.
Die Allmacht kann nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d.i. ein
unendliches Wesen, setzt, mit dessen Begriff jener identisch ist. Wenn ihr aber
sagt: Gott ist nicht, so ist weder die Allmacht, noch irgend ein anderes seiner
Prädikate gegeben; denn sie sind alle zusamt dem Subjekte aufgehoben, und
es zeigt sich in diesem Gedanken nicht der mindeste Widerspruch.
[Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. DB Sonderband:
Kant: Werke, S. 1116 (vgl. Kant-W Bd. 4, S. 531)]
Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwei
Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist,
ist nicht noch ein Prädikat oben ein, sondern nur das, was das Prädikat
beziehungsweise aufs Subjekt setzt. Nehme ich nun das Subjekt
(Gott) mit allen seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehöret)
zusammen, und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott, so setze ich kein neues
Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst
mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf meinen
Begriff. Beide müssen genau einerlei enthalten, und es kann daher zu dem
Begriffe, der bloß die Möglichkeit ausdrückt, darum, daß
ich dessen Gegenstand als schlechthin gegeben (durch den Ausdruck: er ist) denke,
nichts weiter hinzukommen. Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als
das bloß Mögliche.
[Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. DB Sonderband:
Kant: Werke, S. 1120 (vgl. Kant-W Bd. 4, S. 533-534)]
Arthur Schopenhauer
(1788 –
1860)
Was
gegen das Sein einer allgütigen und allweisen göttlichen Allmacht
spricht