Allmacht (lat. omnipotentia) Siehe auch bei Eisler und Kirchner

Inhaltsverzeichnis

Definition des Begriffes »Allmacht«
Nikolaus von Kues: Die Allmacht hat ihre Grenze nur in sich selbst
Jakob Böhme: Die Hände Gottes
Spinoza: Die Allmacht Gottes ist von Ewigkeit her wirksam

Leibniz: Allmacht ist die Unabhängigkeit Gottes von allen Anderen
Swedenborg: Gottes Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart
Kant: Über die Begriffe Gott und Allmacht
Schopenhauer: Was gegen eine göttliche Allmacht spricht

Versuch der Darstellung einer logisch in sich stimmigen Definition des Begriffes »Allmacht«
Wenn jemand - unbeeinflusst von wie auch immer gearteten ideologischen Voreingenommenheiten – den Begriff Allmacht in seinem logischen Zusammenhang analysiert, dann kommt er zu dem Schluss, dass »Allmacht« uneingeschränkte Macht haben muss über alles, was war, ist und sein wird und dass für die Ausübung dieser Allmacht notwendigerweise die absolute Herrschaft über eine gewaltige, allumfassende, unwiderstehbare und unzerstörbare Kraft (Allkraft) vorhanden sein muss. Der unermesslichen Gewalt (Allgewalt) dieser Kraft kann nichts in dieser Welt widerstehen.

Bezogen auf ein hypothetisches – ein von allem anderem und allen anderen völlig unabhängiges - allmächtiges Wesen, kann Allmacht als naturgegebenes Können (Vermögen) definiert werden, in dem alles Mögliche, in den Schein der Wirklichkeit umgesetzt werden kann, sofern das Wesen es will.

Populär ausgedrückt: Ein solches Wesen ist ein Alleskönner, der unter Einsatz seiner Fähigkeiten, die ihm seine natürlichen Eigenschaften verleihen, alles Mögliche bewirken und verwirklichen kann, sofern es ihm beliebt. Möglich ist auf jeden Fall alles, was sich ohne Widerspruch denken lässt. Unmögliches, wie z. B. das Unwesen eines reinen Nichts, kann selbst ein allmächtiges Wesen nicht in Kraft setzen (bewirken).

Ein interessanter Aspekt der Allmacht ist, dass ein allmächtiges Wesen sich auch unbedingt irren können muss, wenn es wirklich allmächtig sein soll. Warum?

1. Wenn es sich nicht irren könnte, wäre es nicht allmächtig, weil es nicht wirklich alles in die Tat umsetzen könnte, was tatsächlich möglich ist. Und dazu gehören nun einmal auch Irrtümer …

2. Wenn es sich nicht irren könnte, wäre es nicht wirklich frei, weil er immer nur das tun müsste, was ihm seine Allwissenheit als uneingeschränkt richtig vorflüstert.

Weiterhin muss es in der Tat böse werden können und auch Böses tun können, wenn es uneingeschränkt allmächtig sein soll. Warum?

1. Wenn es immer nur gut sein müsste, wäre es nicht allmächtig, weil es nicht alles in die Tat umsetzen könnte, was möglich ist. Und dazu gehört nun leider auch Böses.

2. Wenn es immer nur gut sein müsste, wäre es nicht wirklich frei, weil es nicht alles in die Tat umsetzen könnte, was möglich ist. Und dazu gehört auch leider Böses.

Es lassen sich zwar vielerlei gute Gründe denken, warum ein solches Wesen immer nur Gutes wollen sollte, aber leider keinen einzigen, dass es dieses auch immer tun müsste.

Dasselbe gilt von der Allwissenheit und der Vollkommenheit, die einem solchen Wesen immer gerne vorgeschrieben wird.

Wenn das allmächtige Wesen, in jedem einzelnen Falle immer von den Erfahrungen und Erkenntnissen in seiner so genannten »Allwissenheit« Gebrauch machen müsste, dann könnte es weder wirklich allmächtig noch völlig frei sein…

Wenn ein Wesen wirklich vollkommen sein soll, dann muss es alles können, was immer auch möglich ist und dazu gehört auch die Möglichkeit, unvollkommen handeln zu können.

Irren ist göttlich, Verirrte sind menschlich … Ach, wie langweilig wäre es doch, wenn immer alles gewusst werden müsste: Freiheit ade!

Gesetzt den Fall vor dem Fall im Knall, es gäbe so etwas wie Gott, dann könnten wir ihn kaum allmächtig nennen, wenn er sich weder irren noch böse werden könnte.

Die unauflösbare Schwierigkeit ist nur, das liegt wohl an der unveränderlichen Statur seiner Natur: Falls einem Gott (natürlich nur in bester Absicht) ein Fehler unterlaufen würde, dann müsste allein der Fehler diesen auswaden.

Eines ist aber unüberfühlbar, falls es so etwas wie Gott gibt, dann könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass er nicht nur die Kriterien für Allmacht in vollem Umfange erfüllt, sondern diese auch in seinem Freiheitsspielraum bis zum äußersten Extrem ausnutzt.

Das Spiel ist in seinem Zusammenhang untrennbar verwoben und spielt sich in dem Gefühl zwischen Wollen und Sollen, Können und Müssen, Nichtwissen und vorhersehbarem Wissen ab.

Nachstehend Äußerungen von einigen Philosophen über Allmacht:

Nikolaus von Kues (1401 - 1464)
Die Allmacht hat ihre Grenze nur in sich selbst.
Es hat nämlich die größte Macht ihre Grenze nur in sich selbst, weil außer ihr nichts und sie unendlich ist. In keinem Geschöpfe findet sie somit eine Grenze, dass sie nicht im Verhältnis zu irgend einem gegebenen Geschöpfe ein besseres und vollkommeneres erschaffen könnte.

Wird nun ein Mensch zur Vereinigung mit der Allmacht selbst erhoben, so dass dieser Mensch nicht mehr ein in sich, sondern in der Einheit mit der unendlichen Macht bestehendes Geschöpf ist, so ist hier die Allmacht nicht durch das Geschöpf, sondern nur durch sich selbst beschränkt. Es ist dies die vollkommenste Tätigkeit (perfectissima operatio) der unendlichen und unbegrenzbaren Allmacht Gottes, in der kein Mangel sein kann sonst wäre weder der Schöpfer, noch das Geschöpf.

[Nicolaus von Cues: Von der Wissenschaft des Nichtwissens, S. 172. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 9125 (vgl. Nicolaus-S, S. 80-81)]

Jakob Böhme (1575 – 1624)
Die Hände Gottes
Die Hände bedeuten die Allmacht Gottes; denn gleichwie Gott in der Natur kann alles verändern und daraus machen, was er will, also auch kann der Mensch mit seinen Händen alles das, was aus der Natur gewachsen oder worden ist, verändern und aus demselben mit seinen Händen machen, was er will. Er regieret mit den Händen der ganzen Natur Werk und Wesen, und sie bedeuten recht die Allmacht Gottes.

[Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, S. 56. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 11285 (vgl. Böhme-Aurora, S. 65)]

Baruch (Benedictus) Spinoza (1632 – 1677)
Die Allmacht Gottes ist von Ewigkeit her wirksam.
Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (s. Lehrsatz 16), dass aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, dass dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren.

Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes (es sei mir verstattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich gezwungen einzuräumen, dass Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme, seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, dass sie zugleich behaupten müssen, Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich kann mir nicht denken daß eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.

[Spinoza: Ethik, S. 41. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 16765 (vgl. Spinoza-Ethik, S. 48)]

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716)
Allmacht ist die Unabhängigkeit Gottes von allen Anderen sowie die Abhängigkeit aller Anderen von ihm
3. Die Größe Gottes ist sorgfältig, besonders gegen die Socinianer und einige Halb-Socinianer zu schützen; Conrad Vorstius hat am meisten von ihnen dagegen gesündigt. Man kann die Größe auf zwei Hauptkapitel zurückführen, auf die Allmacht und auf die Allwissenheit.

4. Die Allmacht befasst sowohl Gottes Unabhängigkeit von Andern, wie Aller Abhängigkeit von ihm.

5. Die Unabhängigkeit Gottes tritt im Dasein und im Handeln hervor. Im Dasein, insofern Gott notwendig und ewig ist, und, wie man gemeiniglich sagt, ein Ding an sich. Daraus folgt auch, dass Gott unermesslich ist.

6. Im Handeln ist Gott in natürlicher und in moralischer Weise unabhängig. In natürlicher Weise, insofern er der freieste ist und nur von sich selbst zum Handeln bestimmt wird; in moralischer Weise, insofern er anypeuthynos (nicht unterwürfig) ist, oder keinen über sich hat.

7. Die Abhängigkeit der Dinge von Gott erstreckt sich sowohl auf alles Mögliche, oder auf das, was keinen Widerspruch enthält, wie auch auf alles Wirkliche.

8. Die Möglichkeit der Dinge, die nicht wirklich bestehen, hat in dem göttlichen Dasein ihre begründete Wirklichkeit, denn wenn Gott nicht wäre, so würde es auch nichts Mögliches geben; das Mögliche ist daher von Ewigkeit in den Vorstellungen des göttlichen Verstandes enthalten.

9. Das Wirkliche hängt, in Rücksicht teils des Seins, teils des Handelns, von Gott ab, und zwar nicht bloß von seinem Verstande, sondern auch von seinem Willen; nämlich in Rücksicht des Seins, insofern alle Dinge frei von Gott erschaffen sind und auch von Gott erhalten werden, und es ist keine falsche Lehre, dass die göttliche Erhaltung eine fortgehende Schöpfung sei, gleich dem Strahl, der stetig von der Sonne ausstrahlt, wenn auch die Geschöpfe nicht aus Gottes Wesen und auch nicht notwendig hervorgehen.

10. Im Handeln hängen die Dinge von Gott ab, indem Gott zum Handeln der Dinge mitwirkt, insoweit in den Handlungen einige Vollkommenheit enthalten ist, welche allerdings von Gott herkommen muss.

11. Die Mitwirkung Gottes (auch die gewöhnliche und nicht wunderbare) ist zugleich eine unmittelbare und eine besondere; und zwar eine unmittelbare, indem die Wirkung nicht bloß deshalb von Gott abhängt, weil dessen Ursache von Gott entstanden ist, sondern weil Gott nicht weniger, noch entfernter in Hervorbringung der Wirkung mitwirkt, als in Hervorbringung von dessen Ursache.

12. Eine besondere ist aber die Mitwirkung, weil sie nicht bloß auf die Entstehung der Sache und der Handlung gerichtet ist, sondern auch auf die Art und die Eigenschaften des Seins, so weit ihnen etwas von Vollkommenheit einwohnt, was immer von Gott, dem Vater des Lichts und dem Geber alles Guten herkommt.

[Leibniz: Die Theodicee, S. 793. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 18110 (vgl. Leibniz-Theod., S. 504f)]

Emanuel von Swedenborg (1688 – 1772)
Gottes Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart

Immanuel Kant (1724 - 1804)
Über die Begriffe Gott und Allmacht
Wenn ich sage, Gott ist allmächtig, so wird nur diese logische Beziehung zwischen Gott und der Allmacht gedacht, da das letztere ein Merkmal des erstern ist. Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob Gott sei, das ist, absolute gesetzt sei oder existiere, das ist darin gar nicht enthalten. Daher auch dieses Sein ganz richtig selbst bei denen Beziehungen gebraucht wird, die Undinge gegen einander haben.
[Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 70 (vgl. Kant-W Bd. 2, S. 633)]

Gott ist allmächtig; das ist ein notwendiges Urteil. Die Allmacht kann nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d.i. ein unendliches Wesen, setzt, mit dessen Begriff jener identisch ist. Wenn ihr aber sagt: Gott ist nicht, so ist weder die Allmacht, noch irgend ein anderes seiner Prädikate gegeben; denn sie sind alle zusamt dem Subjekte aufgehoben, und es zeigt sich in diesem Gedanken nicht der mindeste Widerspruch.
[Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 1116 (vgl. Kant-W Bd. 4, S. 531)]

Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist, ist nicht noch ein Prädikat oben ein, sondern nur das, was das Prädikat beziehungsweise aufs Subjekt setzt. Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit allen seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehöret) zusammen, und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott, so setze ich kein neues Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf meinen Begriff. Beide müssen genau einerlei enthalten, und es kann daher zu dem Begriffe, der bloß die Möglichkeit ausdrückt, darum, daß ich dessen Gegenstand als schlechthin gegeben (durch den Ausdruck: er ist) denke, nichts weiter hinzukommen. Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als das bloß Mögliche.
[Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 1120 (vgl. Kant-W Bd. 4, S. 533-534)]

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860)
Was gegen das Sein einer allgütigen und allweisen göttlichen Allmacht spricht